US-Profi David Testo (30) outet sich als homosexuell – weil der Mensch wichtiger ist, als der Fußball
Gesellschaft & Ethik 16.November.2011 Daniel Mandl 1
Der 30-jährige US-amerikanische Fußballprofi David Testo ist homosexuell – und brachte als einer der wenigen gleichorientierten Arbeiter seiner Zunft vor wenigen Tagen den Mut auf, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Testos Beispiel, aber auch die Reaktion derer, die bereits vor seinem Coming Out von seiner sexuellen Orientierung wussten, können schon bald als Vorbild für andere homosexuelle Fußballer oder Sportler im Allgemeinen stehen.
David Testo wurde 1981 in North Carolina geboren und spielte zuletzt 4 ½ Jahre als professioneller Fußballer für Montreal Impact in der USL-1, der USSF und der NASL (North American Soccer League). Als Testo zu Impact wechselte wusste das Präsidium bereits über seine sexuelle Orientierung Bescheid – seine neuen Mitspieler in Montreal waren in das Geheimnis ebenfalls eingeweiht. Niemand verlor ein Sterbenswörtchen darüber, Testos internes Outing wurde akzeptiert, respektiert und als seine Privatsache nicht mal ansatzweise an die Öffentlichkeit getragen.
Geheimnis oder Gepäck mit sich herumschleppen
Am 10.November outete sich David Testo in einem gefühlvollen und sympathischen Interview mit Radio Canada als homosexuell. Testos Grundaussage in diesem Interview war, dass er sich darüber ärgere nicht schon viel früher damit an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Es sei sehr schwer gewesen ein homosexueller Fußballprofi zu sein, da man immer das Gefühl hatte, ein Geheimnis oder Gepäck mit sich herumzuschleppen, das einem auf den Schultern sitzt, wenn man eigentlich zu sportlichen Höchstleistungen auflaufen sollte. Obwohl seine Teamkollegen vom Geheimnis des 30-Jährigen wussten, war auch das Miteinander nicht immer einfach. In der Domäne Profisport, noch dazu im Fußball, war es dem US-Amerikaner nie richtig erlaubt er selbst zu sein. Testo beschreibt, dass er nie wusste, wie alle anderen über ihn denken – und dies weiterhin nicht weiß.
Präsident zeigt Respekt
Montreal-Impact-Präsident reagierte bereits öffentlich auf das Outing: „David Testos Erklärung ist in der Tat sehr persönlich, aber wir wussten bereits über Davids Orientierung Bescheid, bevor er 2007 zu unserem Klub stieß. Zeit seiner Karriere in Montreal war er immer ein professioneller und engagierter Spieler auf und abseits des Platzes. Seine Entscheidung an die Öffentlichkeit zu gehen muss sehr schwer gewesen sein und wir respektieren sie.“ Der Abschluss von Testos Zeit in Montreal war somit die wichtigste Phase seiner Karriere als Profifußballer und vielleicht auch als Mensch. Testos Vertrag wurde bereits im Oktober nicht verlängert und der 30-jährige Offensivspieler ist aktuell wieder auf Vereinssuche. An die nächsten Aufgaben kann David Testo ruhigen Mutes heran schreiten, zumal er bei Montreal Impact und von der breiten Öffentlichkeit ein hohes Maß an Unterstützung und Anerkennung für sein Outing erhielt.
Menschen > Fußball
Testo erklärte seine Entscheidung an die Öffentlichkeit zu gehen damit, dass Menschen wichtiger sind als Fußball. Wenn man eines Tages am Sterbebett liegt, sei es egal, wie viel Geld man verdient hat oder wie erfolgreich man in seinem Beruf war. Viel wichtiger ist es auf aufrichtige Beziehungen und Freundschaften zurückblicken zu können. Somit war für Testo klar, dass er sein Glück nicht finden würde, indem er mehr Tore schießt oder Reichtum anhäuft, sondern indem er David Testo sein kann, der sich auch als in der Öffentlichkeit stehender Sportler vor niemandem verstellen oder verstecken muss.
Seltene Fußballer-Outings
Outings im Fußballgeschäft sind selten, David Testo war dennoch nicht der Erste, der offen über seine homosexuelle Orientierung sprach. Der deutsche Landesliga-Kicker Dominik Sievers outete sich bereits vor Jahren, der junge Schwede Anton Hysén Anfang des Jahres. Der ehemalige belgische Innenverteidiger Jonathan de Falco outete sich ebenfalls und geht nun – 27-jährig – nach Beendigung seiner Karriere sehr offen damit um: Er dreht mittlerweile als „Stany Falcone“ Pornos. Traurige Folgen hingegen hatte das Outing des englischen Fußballprofis Justin Fashanu: Der erste Spieler, der sich bereits Anfang der 90er-Jahre als homosexuell outete, wurde in Großbritannien geächtet und verspottet. 1998 wurde er zudem nach einer sexuellen Begegnung mit einem 17-Jährigen wegen Vergewaltigung angezeigt und verhört – Fashanu wurde nicht festgenommen, beteuerte seine Unschuld, wurde jedoch von den Medien vorverurteilt und erhängte sich kurze Zeit später in einer Garage.
Selbstverständlichkeit erst nach prominentem Fall
Wie diese Fälle, an die sich bereits nach kurzer Zeit kaum jemand mehr erinnert, zeigen, sind Outings im Profifußball schnell vergessen. Schwule Fußballer, die sich öffentlich zu ihrer Orientierung äußern, gelten – obwohl wir bereits das Jahr 2011 schreiben! – eher als Attraktion und nicht als Selbstverständlichkeit. Trotzdem gibt es weltweit tausende Fußballer deren unausgesprochene Orientierung ihnen schwer im Magen liegt. Die öffentlichen Anti-Schwulen-Kundgebungen von Fußballgrößen wie Oliver Bierhoff, Mario Basler oder Otto Baric machen es homosexuellen Fußballern nicht einfacher, an die Öffentlichkeit zu gehen. Bevor sich kein Fußballstar von internationalem Format mit breiter Brust vor die TV-Kameras stellt und sagt „Ja, ich bin schwul“ wird sich das auch kaum ändern. Es bedarf eines international Aufsehen erregenden Falles, um Homosexualität im Fußball endlich zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Es bedarf eines Falles, in dem ein bekannter, talentierter Fußballer sich outet, von der breiten Öffentlichkeit dennoch primär als guter Fußballer gesehen wird und nicht als „der Typ, der sich geoutet hat“. Erst dann werden viele andere nachziehen. Allerdings könnte auch David Testos Fall ein Anstoß zum Mut für viele homosexuelle Fußballer sein: Einerseits weil er sein Outing sehr selbstbewusst darlegte, andererseits weil das Beispiel von Testos bereits zuvor eingeweihtem Umfeld zeigt, dass man in einer aufgeklärten, toleranten Gesellschaft vor 99% der Reaktionen keine Angst haben muss. Und hämische Gesänge von den Rängen steckt man ohnehin weg, wenn der Kopf frei ist…
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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