Egal ob in der Premier League, bei der FIFA oder beim FC Barcelona. Wenn die Araber ihre (finanziellen) Muskeln spielen lassen, wird noch fast... Wenn sich Bayern mit umstrittenen Wüstensöhnen einlässt: Der FC Hollywood und die Petro-Dollars

_FC Bayern Allianz Stadion ChoreografieEgal ob in der Premier League, bei der FIFA oder beim FC Barcelona. Wenn die Araber ihre (finanziellen) Muskeln spielen lassen, wird noch fast jeder weich. Nun ist es also auch beim FC Bayern passiert. Der moralisch scheinbar stabilste und vielleicht einer der letzten Vorzeigeschüler im europäischen Spitzenfußball, lässt sich nun auch auf eine Partnerschaft mit Katar ein. Genauer gesagt mit dem Flughafen in Doha, wie der Vorstandvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge Ende Jänner verlautbarte. Die Scheichs sind nun Platin-Partner, sprich Sponsor der zweiten Stufe und spülen so eine siebenstellige Millionen-Euro-Summe in die bayerischen Kassen.

Polarisierend in Zeiten des Umbruchs

Auch im Fußball befinden wir uns gerade in bewegten Zeiten des Umbruchs. Da wo die Engländer, Real Madrid, Barcelona, Paris SG und noch viele andere gerade finanziell mächtig aufrüsten. Die Kluft in den Budgets zwischen den ganz Großen und der oberen Mittelschicht wird dabei immer größer. Spätestens im Champions League Halbfinale sind dann wahrscheinlich wieder die üblichen Verdächtigen unter sich. Es gibt kaum noch Platz für Außenseiter. Stößt dann einmal der italienische Spitzenklub der letzten Jahre bis ins Finale vor, gilt dies schon als – zumindest kleinere – Überraschung!

Mittendrin als Stammgast im Konzert der Elite ist auch der FC Bayern München. Der Verein, der sich mit einer wirtschaftlich gesunden Strategie dort eigenständig zwischen Schulden- und/oder Investorenkaisern beweisen kann. Doch auch bewusst immer wieder mit den Finger auf die Konkurrenz zeigte, weil man Verstöße am Financial Fair Play mutmaßte. Dazu positionierte man sich gerne als die moralische Instanz im Big Business „Fußball“. Was den Verein wie kaum einen anderen polarisieren lässt.

Doch um diese Position an der europäischen Spitze zu festigen muss sich der Klub auch wirtschaftlich weiterentwickeln um auch in Zukunft Schritt zu halten. Stillstand ist da wohl schon der erste Schritt zurück. Ein Verein dieser Größenordnung kann sich heutzutage nur mehr schwer an der öffentlichen Wahrnehmung, der Fanmeinung und dem Image ausrichten. Nachdem sich der Klub schon bei Freundschaftsspielen in Saudi Arabien und mehreren Trainingslagern in Katar politisch umstritten machte, sorgte der Sponsoren-Deal nun auch für etwas Missmut in der Schickeria, die wie der „Klub 12“ der Meinung sind: „Unstrittig ist für uns, dass für den FC Bayern bei der Wahl seiner Partner nicht ausschließlich wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen dürfen.

Einerseits spülen Champions League und mehr als ein Dutzend gut dotierte Sponsorenverträge viel größere Summen in die Kassen, wäre man da wirklich auf Katar angewiesen? Doch andererseits ist alles trotzdem eine schwierige, fast scheinheilige Diskussion. Wer lässt heutzutage schon angebotene Fußballmillionen freiwillig liegen, nur um moralisch mit der supersauberen Weste zu beobachten, wie die Kataris weiterziehen und dann eben bei der Konkurrenz investieren? Wer sich in der internationalen Spitze behaupten will, muss langfristig auch über den finanziellen Background verfügen. Auch wenn der polarisierende „Stern des Südens“ unter Uli Hoeneß unbestritten eine finanztechnisch vorbildliche Vereinsführung praktizierte, so wird der Druck aus England, Spanien und neuerdings Paris doch immer größer, auch hier neue Wege einzuschlagen. Und möchte der erfolgsverwöhnte Bayern-Fan irgendwann das Privileg der – im Vergleich zu anderen Weltklasse-Teams – billigen Eintrittskarten abgeben, nur weil sich der Vorstand die Sponsoren nach ethischen Kriterien auswählt? Was beim Wiener Sportklub oder teilweise auch noch beim FC St. Pauli im Kleinen halbwegs funktionieren könnte, ist natürlich mit solchen Ansprüchen nur mehr Träumerei.

Warum stößt der Bayern-Deal in Katar auf so viel Missachtung?

Dass sich die FIFA nur von der Gastfreundlichkeit der Scheichs zur umstrittenen Vergabe der WM an das 11,6 km² große Land (etwas kleiner als Oberösterreich) mitten in der Wüste hinreißen ließ, wurde schon oft thematisiert und bleibt dann doch mehr als „zweifelhaft“.

Auf jeden Fall: Luxus pur wohin man schaut. Im kleinen Emirat Katar ist scheinbar nichts unmöglich. Selbst eine Fußball-WM mitten in der Wüste ist da keine Illusion mehr, sondern bald wohl schon Realität. Grundsätzlich lässt es sich im Wüstenemirat ja feudal leben. Zumindest wenn man provokant formuliert auf der „richtigen“ Seite der Gesellschaft steht oder wenn man als Geschäfts- oder Staatsgäste an den wirtschaftlichen Verbindungen feilt und Millionendeals einfädelt.

Richtig unangenehm bis gefährlich ist es hingegen, wenn man zu den zehntausenden entrechteten Arbeitsmigranten gehört. Auch wenn Bayerns Ehrenpräsident Franz Beckenbauer bei der Stippvisite keine „Sklaven“ auf den Baustellen ausmachen konnte, so sind die Arbeitsbedingungen nicht mit westlichen Werten vereinbar. Genauer gesagt mit überhaupt keinen Werten. Bettelarme Wanderarbeiter werden mit einem Lohnversprechen ins Land gelockt. Die Firmen dürfen ganz legal (!) die Reisepässe abnehmen und händigen diese erst nach „Vertragsende“ (wie so ein Arbeitsvertrag zwischen Millionen-Konzern und de facto rechtslosen Hilfsarbeiter gestaltet ist, bleibt der eigenen Fantasie vorenthalten) wieder aus. In dieser Zeit verfügt der Chef dann über den „Mitarbeiter“, er wird zum Leibeigenen und kann ihn nach Belieben „weitervermitteln“ (ja – wieder so ein unpassendes Wort in diesem Zusammenhang). Häufig werden sie in hygienisch desolaten Sammelunterkünften gepfercht. Löhne werden dann oft wegen Quasi-Verfehlungen ausgesetzt, der Arbeiter ist rechtelos, ist ganz der Gunst des Arbeitgebers ausgesetzt und wird ohne Papiere dann nicht selten von diesem erpresst. Arbeitnehmerrechte wie Mindestlohn oder Versicherungen sind da für die Baustellen-Arbeiter der Luxus-Stadien der WM 2022 nicht vorgesehen. Laut inoffiziellen Berichten sterben jährlich mehrere hundert Arbeiter an Herzversagen nach langen Schichten in der Wüstenglut oder auch durch Arbeitsunfälle – geht’s um die Baustellensicherheit wird dann der Scheich doch einmal knausrig.

Generell ist das Recht auf freie Meinungsäußerung im Wüstenemirat stark eingeschränkt. Die Menschenrechte sind von der Weltengemeinschaft in zwei verbindlichere Papiere gegossen. Beide haben sowohl Katar, als auch die meisten anderen arabischen Länder nicht unterschrieben, orientierten sie sich doch – deren Meinung nach – zu sehr an westlichen Werten bzw. an christlich, jüdischen Traditionen, was zum Bruch islamischen Rechts geführt hätte. Als Gegenentwurf wurde eine eigene, arabische Menschenrechtsverfassung erstellt, die moralisch-religiöse bzw. Scharia-Moralvorstellungen einfließen lassen kann.

Doch sind jetzt die Bayern die Bösen in einer guten Welt?

Wer nach der Rummenige-Pressekonferenz – so wie manch deutscher Politiker – mit dem Finger auf die Bayern zeigt, muss sich Scheinheiligkeit vorwerfen lassen. Hunderte deutsche Firmen machen dort gute Geschäfte, so sind die Scheichs Großaktionär bei der Deutschen Bank. Sie sind bei Volkswagen beteiligt, ebenso bei europäischen Institutionen wie bei der Credit Suisse, Barclays oder dem Londoner Stock Exchange. Auch wenn man es in Berlin nicht gerne ausspricht, aber für die Bundesregierung ist Katar schon längst ein „strategischer Partner“. Und weil ja auch deutsche Kampfpanzer in Katar unterwegs sind oder umstrittene Waffenlieferungen an Saudi-Arabien erfolgen, würde sich der Spruch mit dem Glashaus ganz gut anbieten.

Unbestritten ist dagegen, dass die Kassen in Katar dank Gas und Erdöl übervoll sind. Der Investitionswille ist wie bei kaum einem anderen Land dermaßen ausgeprägt. Zahlreiche europäische Firmen und Sportvereine freuen sich mittlerweile über die Finanzspritzen aus der Wüste (nicht nur Katar, auch Fly Emirates usw…). Schon der stolze FC Barcelona wurde etwa bei den Scheichs schwach und beendete die sponsorenfreie Tradition zu Gunsten hunderter Millionen an Petro-Dollars. Paris SG wurde von den Kataris aus der Mittelmäßigkeit zu einem Spitzenteam gepimpt – zumindest finanztechnisch, (noch) schießt ja Geld bekanntlich keine Tore.

Gerade deswegen ist die Isolation von Katar, wie sie immer wieder von Moralaposteln gefordert wird sinnlos, weil in Zeiten wie diesen weltfremd. Das Land hat sich massiv in den europäischen Profisport und in Firmen eingekauft, damit festgekrallt und verkeilt. Für die moderne, mitteleuropäische Wohlstandsgesellschaft ist Arabien und vor allem Katar mittlerweile eine der wichtigsten Säulen geworden. Muss man nicht gut finden, es ist nun mal aber leider so. Doch gerade deswegen wäre die westliche Welt gefordert, diese Position für positive Impulse dort zu nutzen. Doch wie so oft ist das eigene Hemd näher als der Rock – man will es sich ja nicht „verscherzen“. Denn die nächste Überweisung aus der Wüste soll ja wieder pünktlich am Konto einlangen. Eine von vielen wird dann eben auf das Konto des FC Bayern München gehen.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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