Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografien im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Gedanken machen wir uns dabei über Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat. Heute erinnern wir an den Wettskandal vor 16 Jahren im Zuge dessen der DFB-Schiri Robert Hoyzer am 28. April 2005 lebenslang gesperrt wurde …
Robert, Referee, Raub, Ruin, Reue.
Einen Pfiff und einen Fingerzeig auf den Elfmeterpunkt – so einfach will Robert Hoyzer im Frühling 2004 8.000 Euro verdienen. Es soll sein erster Betrugsversuch als Schiedsrichter sein, doch er hat die Rechnung ohne seine Linienrichterin gemacht: Diese protestiert so energisch gegen die Entscheidung des vermeintlich Unparteiischen, dass Hoyzer den Strafstoß zurücknehmen muss. Das Spiel Paderborn gegen Chemnitz am 21. Mai 2004 markiert den Anfang von Hoyzers Betrugsserie, in deren Laufe er mehrere Fußballmatches zugunsten der Wettmafia teilweise erfolgreich manipuliert. Der erste Versuch scheitert. Kleinlaut zahlt Hoyzer nach seiner Rückkehr in die deutsche Hauptstadt das Geld an seinen Paten zurück. Was mag wohl in seinem Kopf vorgegangen sein? Eine Spurensuche:
Begonnen zu kicken hat Robert Hoyzer einen Steinwurf von der elterlichen Wohnung entfernt in einem Käfig im Berliner Randbezirk Spandau. „Ich habe auch gerne allein gespielt.“, erzählt er vor Jahren einem Fernsehteam während er – wie damals – den Ball gegen das Gitter drischt. Immer und immer wieder. Die Vorstellung vom kleinen Robert, der sich selbst genug ist, ist fast schon symbolhaft für dessen spätere Lebensgeschichte. Die Hoyzers sind eine fußballverrückte Familie: Vater Peter ist selbst Schiedsrichter gewesen, war später Mannschaftsbetreuer bei einem ostdeutschen Klub und Vereinsmitglied beim FC Spandau. Und er hat Geldprobleme, obwohl er gut verdient – das weiß das ganze Viertel. Eine frühe Prägung? Vater Hoyzer ist jedenfalls stolz auf seinen Sohn und unterstützt ihn erst als Fußballer, dann als Schiedsrichter. Bei Hertha BSC Berlin greift der Junior erstmals zu Pfeife und sein rasanter Aufstieg beginnt: Mit fast 23 Jahren wird Robert Hoyzer DFB-Schiedsrichter und leitet Spiele in der 2. Bundesliga, in der Regionalliga und im DFB-Pokal.
„Dann gab‘s eine Ecke und einen Elfmeterpfiff, den ich logischerweise bis heute nicht nachvollziehen kann.“, erinnert sich ein Akteur der Begegnung Paderborn gegen Hamburger SV an die kritische Szene, die danach Fußballdeutschland beschäftigte. Dieses Pokalmatch ist bis heute das bekannteste Spiel in Hoyzers schandhafter Serie. In der Pause vermuten die HSV-Spieler noch, der Schiri habe Mitleid mit dem mutig kämpfenden Underdog – ja, im Jahre 2004 waren die Rollen noch klar verteilt. Hoyzers Auftrag lautet aber die Westfalen zum Sieg zu pfeifen. In der Paderborner Mannschaft wissen einige Kicker Bescheid, den Rest erledigt der „Unparteiische“ und somit ist die Sensation perfekt.
Ein eingeschleuster Mittelsmann hatte den Schiedsrichter Monate zuvor ins dubiose Hinterzimmer des „Café King“ in Berlin-Charlottenburg gelockt. Dort saß ein kroatisches Wetttrio, das den Jung-Referee mit der Aussicht auf jede Menge Euronen schwach werden ließ. Für insgesamt 67.000 Euro und einen Plasmafernseher verkauft Hoyzer seine vielversprechende Karriere als Unparteiischer und seine Ehre.
Im Jänner 2005 wird er schließlich von Kollegen des Berliner Schiedsrichterverbandes selbst verpfiffen. Hoyzer bestreitet die Vorwürfe zunächst, räumt aber wenige Tage danach ein, sich bestechen haben zu lassen. Am 28. April 2005 wird er vom DFB lebenslang gesperrt, ein halbes Jahr später tritt er seine Haftstrafe an. Er sitzt seine Zeit etwa vierzehneinhalb Monate in seinem Heimatbezirk Spandau im Nordwesten der Stadt ab. Seine Träume sind zerplatzt.
Der DFB prüft elf Spiele, die Hoyzer geleitet hat und setzt ein Wiederholungsspiel an. Der HSV erhält Schadenersatz für das unsportliche Cup-Aus. Der WM-Veranstalter von 2006 erlebt kurz vor Beginn der Endrunde einen massiven Imageschaden. Nicht zu vergessen – zahlreiche Veränderungen, die nur so passiert sind, weil Hoyzer eigenmächtig Schicksal gespielt hat: So verliert beispielsweise Klaus Toppmöller kurz nach der Partie gegen Paderborn seinen Posten als HSV-Coach und heuerte als georgischer Teamchef an. Es wird seine letzte Trainerstation.
An Hoyzer wird ein Exempel statuiert: Die Haftstrafe wegen Betruges ist mit 2 Jahren und 5 Monaten verhältnismäßig hoch für einen Unbescholtenen, er vergleicht sich mit dem DFB auf eine sechsstellige Schadenersatzzahlung. Der ebenfalls involvierte Felix Zwayer, der einst 300 Euro von Hoyzer dafür bekam, dass er im Spiel Wuppertaler SV gegen Werder Bremen II als Linienrichter wuppertalfreundlich urteilen sollte, pfeift dagegen bis heute regelmäßig in der Bundesliga und war im CL-Finale 2019 Videoassistent. Auch beteiligte Spieler kommen mit milden Strafen – kurzen Sperren – glimpflich davon.
Robert Hoyzer verschwindet von der Bildfläche, eher er es 2011 – als DFB-Präsident Zwanziger sein Gnadengesuch akzeptiert – nochmals in die Fußballmedien schafft. Der Ex-Schiri spielt anschließend als Amateur bei zahlreichen Berliner Vereinen Fußball und ist heute hauptberuflich als Vertriebsmanager tätig. Schnappschüsse zeigen ihn mit Vollbart, ansonsten hat er sich kaum verändert. Bereits kurz nach Bekanntwerden des Skandals sprach der Berliner reflektiert über seine Taten, heute äußert er sich nur mehr selten zu den Vorkommnissen. „Ich habe null Ambitionen, mich mit dem Thema zu profilieren oder irgendwas zurechtzubiegen.“, erklärte er vor fünf Jahren. Er scheint aus der Sache gelernt zu haben.
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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