War es eine Tätlichkeit oder nicht? Das fragt man sich häufig, auch die Schiedsrichter. Die müssen sich jedoch sofort festlegen. Obwohl Strafen über das... Das Regelwerk: Zwischen Theorie und Praxis: Teil 5 – Fehlende Regel im Nachhinein

War es eine Tätlichkeit oder nicht? Das fragt man sich häufig, auch die Schiedsrichter. Die müssen sich jedoch sofort festlegen. Obwohl Strafen über das Spiel hinaus, erst im Nachhinein verhängt werden, sind Korrekturen falscher Entscheidungen nicht üblich.

Es läuft bereits die Nachspielzeit. Die Sache in diesem vorweihnachtlichen DFB-Pokal-Achtelfinale des 21.12. ist gegessen, Borussia Mönchengladbach hat gerade vor eigenem Publikum den entscheidenden 3:1-Treffer gegen Schalke erzielt und diesen auch gefeiert. Zum Feiern ist aber nicht allen zu Mute. Und so wird plötzlich geschubst und diskutiert, Rudel beider Teams bilden sich. Doch was war eigentlich geschehen? Igor de Camargo hatte Jermaine Jones sicher nichts Nettes gesagt und war dann auf ihn zugekommen. Er legte ihm den Arm um den Hals gelegt, um im gleichen Moment zurückzuschrecken und sich auf den Boden zu legen. Was im ersten Moment nach einem Schauspiel von de Camargo ausgesehen hatte, entpuppte sich als Tätlichkeit von Jermaine Jones. Jones hatte de Camargo getreten. Schiedsrichter Wolfgang Stark zeigte den beiden die gelbe Karte. Für Jones war es die zweite, er durfte sich verabschieden.

Versteckte Fouls

De Camargo mag sich provokant verhalten haben, einen Tritt hatte er sich allerdings nicht verdient, verdient hatte sich Jones dafür eine rote Karte. Und eigentlich hätte sich Jermaine Jones schon zu Beginn des Spiels verabschieden müssen. Nach einem ebenso absichtlichen Tritt gegen Gladbach-Spieler Marco Reus, hatte er lediglich eine gelbe Karte gesehen. Gesehen hatte Schiedsrichter Stark wohl keine der beiden Aktionen so richtig. Ein Problem das kein seltenes ist. Gerade Tätlichkeiten oder Fouls werden häufig so begangen, dass sie für Schiedsrichter und Assistenten kaum sichtbar sind. Die Übeltäter wählen den Zeitpunkt oft so, dass die Tat zum einen versteckt, zum anderen abseits des wirklichen Geschehens geschieht. Das spricht den Schiedsrichter von seiner Entscheidung natürlich nicht frei. Er muss beurteilen, ob eine Tätlichkeit vorliegt oder nicht und wie hart sie zu bestrafen ist. An dieser Beurteilung wird nicht gerüttelt, sie gilt für das Spiel.

Unsportlicher Senat

Kann nach dem Spiel daran gerüttelt werden? Weder die Regeln der FIFA noch die Auslegungen von ÖFB und DFB geben über das Vorgehen im Nachhinein Aufschluss. In Deutschland verhängt üblicherweise das Sportgericht, in Österreich der Strafsenat das Ausmaß der Strafe. Falsche Entscheidungen der Schiedsrichter werden dabei aber nicht korrigiert. Und so auch vor zwei Jahren. Es war der 31.10. 2009 in Hütteldorf. Um Schwung zu holen, hatte der Rapidler Rene Gartler im Bundesligaspiel gegen Ried seinen Arm nach hinten gestreckt und dabei seinen Gegenspieler unabsichtlich und leicht im Gesicht berührt. Schiedsrichter Thomas Einwaller verwies den Rapidler daraufhin vom Platz, scheinbar hatte er eine Tätlichkeit gesehen. Ein offensichtlicher Fehler, der vom Strafsenat nach der Partie hätte korrigiert werden können. Das geschah leider nicht, der unschuldige Gartler wurde für seine „Unsportlichkeit“ ein weiteres Spiel gesperrt. Eine unsportliche Strafe.

Unangetastete Entscheidungen

Es entsteht der Eindruck als wolle man die Autorität der Schiedsrichter nicht untergraben, indem man ihre Entscheidungen unangetastet lässt. Damit macht man sich allerdings unglaubwürdig. Es ist klar dass Schiedsrichter Fehler begehen, die unvermeidbar sind. Dabei könnte man die Schiedsrichter doch entlasten, würden die Konsequenzen ihrer Fehler verringert werden. Und es wäre doch nur regelkonform, würden diese Fehler auch richtig gestellt werden. Sollen ungeahndete Übeltäter davon kommen, obwohl die Zeitlupe die Schuld beweist? Sollen Spieler für eine Tätlichkeit bestraft werden, die sie nicht begangen haben, obwohl die Analyse im Anschluss ihre Unschuld belegt? Sind nach dem Spiel die Regeln außer Kraft gesetzt? Welches Zeichen wird damit gesetzt?

Regel im Nachhinein

Der DFB verhält sich da momentan etwas mutiger und setzt ein Zeichen in die andere Richtung. Für Jermaine Jones steht nach seinen Tätlichkeiten eine lange Strafe im Raum, die Begründung lautet:

„Der Spieler steht unter Verdacht, sich einer Tätlichkeit gegen den Gegner in der Form des krass sportwidrigen Verhaltens schuldig gemacht zu haben.“

Das entschiedene Auftreten des DFB ist sicherlich auch auf die mediale Brisanz des besonders turbulenten Spiels zurückführen. Es stellt sich weiters die Frage, ob eine solche Strafe auch im Raum stehen würde, hätte Jones keinen Platzverweis erhalten? Das Zeichen, das der DFB setzt, ist jedenfalls begrüßenswert. Zum einen sollte man darüber nachdenken, härtere Strafen für brutale Fouls und Tätlichkeiten im Nachhinein zur erteilen. Zum anderen aber sollten die Schiedsrichter vom Strafsenat entlastet werden, indem falsche oder ungeahndete Strafen nach dem Spiel korrigiert werden. Für diese Korrektur, brauchst es eine Regel im Nachhinein.

Emanuel Van den Nest, abseits.at

Emanuel Van den Nest

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