Detaillierte Analyse von Pep Guardiolas Trainingseinheit (3) – Guardiolas Coaching
Taktik & Theorie 23.Januar.2014 Rene Maric 1
Das passiert jede fucking Spiel!“. Mit diesen Worten leitet Pep Guardiola die zurzeit wohl populärste Trainingsübung der Fußballwelt ein. Innerhalb von nur wenigen Tagen erreichte dieses Video aus dem Trainingslager der Bayern in Doha plötzlich Kultstatus. Seit Veröffentlichung durch die TZ wurde es fast 600‘000mal geklickt und Fußballfans aus aller Welt gaben ihre Kommentare dazu ab, die äußerst gemischt waren.
Manche sprachen davon, dass Guardiola durch Leidenschaft besticht, die Übung als solche aber unverständlich erscheint. Auch die Spieler, so heißt es, wirken eher verwirrt. Im Forum von Transfermarkt.de wurde beispielsweise eine kleine Parodie mit Paint kreiert. Andere wiederum sehen hier kein großes Problem, sondern eher an der Umsetzung Guardiolas. Er spricht fünf Minuten lang, lässt die Übung kurz und relativ abgehackt ein paar Mal durchmachen, bevor er sich nach gut acht Minuten schon der nächsten Übung zuwendet.
Und für so manchen ist Guardiola einfach genial, weil er die Kür jedes Trainers beherrscht, nämlich Spielformen in Trainingsübungen zu überführen.
Um diesen Missverständnissen vorzubeugen – oder zumindest einen anderen Einblick zu gewähren – befasst sich dieser Artikel mit diesen Kritikpunkten und mit der Analyse des Trainings selbst. In der dreiteiligen Serie befassen wir uns zuerst mit dem Aufbau der Übung selbst, mit den Zielen der Übung und im letzten Teil explizit mit Guardiolas Art im Bezug aufs Coaching.
Guardiolas Coaching
Wie schon in der Einleitung erwähnt gab es durchaus Kritik an Guardiola. Teilweise wurde seine Leidenschaft überaus gelobt, doch seine Sprachwahl kritisiert. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass seine Sprache auf dem Video unverständlicher klingt, als sie auf dem Platz letztlich war. Vor der Übung gab es eine Einführung, was genau trainiert wird und wieso, gleichzeitig erklärt Guardiola die Übung und die Abläufe präzise und explizit. Dabei wird seine fachliche Kompetenz sehr schnell und deutlich sichtbar.
Dies erkennt man schon an den aufgebauten Staffelungen, an den Erklärungen und der Kritik. Beispielsweise kritisiert er das Bewegungsspiel und die Positionierungen der angreifenden Mittelfeldspieler zu Beginn. Er korrigiert die jeweiligen Staffelungen sehr schnell und präzise. Die beiden Sechser sollen in der ersten Phase des Aufbauspiels nicht auf einem Haufen stehen, sondern auffächern.
Durch das Auffächern entstehen einfachere Passwege für die Innenverteidiger und mehr Raum für den Gegner zum Abdecken. Die Pässe auf die Flügel sollen außerdem nicht aus der Mitte kommen, sondern aus den Halbräumen. Kommen sie aus der Mitte, sind die Wege zu weit und der Gegner kann besser verschieben. Aus dem Halbraum bleiben die strategischen Optionen gleich, allerdings ist der Flügel näher.
Kommt der Ball dann auf einen Flügel, müssen die Sechser laut Guardiola verschieben. Im Video ist zu sehen, dass er sie gesondert anweist bei Pässen auf den Flügel nachzuziehen. So sagt er zu Kroos, dass er näher an Lahm muss. Kroos sprintet in den Folgeszenen dann nach den Seitenverlagerungen sehr schnell Lahm hinterher, dieser tut bei Kroos und der anderen Seite ähnliches.
Dies sorgt für Stabilität und Nähe zueinander, wodurch sie kombinieren oder gegenpressen können, wenn der Angriff über die Flügel nicht stattfindet oder fehlschlägt.
Guardiola erläutert auch immer wieder genau, wieso etwas passiert oder vergleicht einzelne Szenen mit anderen Trainingsübungen, um die Erinnerungen aufzufrischen. Er bezeichnet zum Beispiel die Kurzpasskombinationen zum Anlocken gegnerischer Pressingbewegungen im Video als „Rondo“, was das viel praktizierte Hösche-Spiel („Mann in der Mitte“) aus dem Training ins Gedächtnis als Grundprinzip zurückrufen soll.
Guardiola erklärt auch viele taktische Inhalte. Er lässt die Übung nicht nur durchlaufen, bis sie passt, sondern sagt explizit, was getan werden muss. In der Trainingswissenschaft wird so etwas oftmals kritisiert. Das implizite Lernen gilt als langfristiger, als präziser und schneller. Abläufe prägen sich dann inklusive der Handlungen direkt ins Gedächtnis inklusive der motorischen Umsetzung ein.
In diesem Fall dürfte Guardiolas Herangehensweise allerdings passend sein. Bei diesen Übungen geht es nicht um eine Verbesserung der spielerischen Fähigkeit, sondern der Erklärung eines präzisen taktischen Ablaufs. Hier geht es auch um das Hintergrundwissen, wieso dieser Ablauf funktioniert und was beachtet werden muss. Bei einem reinen impliziten Lernen würde dieser Ablauf so nicht zustande kommen, weswegen die Korrekturen sein müssen. Dass die Repetition dieses Ablaufs dann nicht so lange dauert, dürfte wohl an der hohen technischen Qualität des Kaders liegen.
Weiters gibt es natürlich noch Alternativerklärungen. Eventuell werden immer wieder solche kleinen Korrekturen angebracht oder sie werden in einem späteren Training oder einem Trainingsspiel dann bewusst beobachtet und fokussiert.
Auf der Seite von Lukas Meisner findet sich übrigens ein lesenswertes und schön zusammengestelltes Transkript von Guardiolas Worten im Training. Dies zeigt auch die Sprache und Wortwahl Guardiolas genauer, der seine Spielern durchaus mit seinen Aussagen zum Schmunzeln bringt, ohne an Autorität, Disziplin oder Verständlichkeit der Aussagen zu verlieren. Zwar ist er sprachlich nach wie vor nicht perfekt, muss es aber auch nicht sein. Seine Sprache ist ausreichend und seine Trainingsübungen so präzise gewählt, dass der zu trainierende und erlernende Aspekt mit der Zeit ohnehin präzise und greifbar wird.
Die Effektivität des Trainings ließ übrigens nicht lange auf sich warten. Wie „lebensecht“ diese Situation und Spielform ist und wie gut die Mannschaft sie auffasste, zeigte sich übrigens nur wenige Tage darauf. Dieser Tweet und das dazugehörige Bild zeigen die praktische Umsetzung dieser Spielweise direkt beim nächsten Testspiel:
Diese Szene führte übrigens zum Tor. Und vielleicht auch zu einem Lächeln Guardiolas.
René Maric, www.abseits.at
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Rene Maric
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