Vor einiger Zeit veröffentlichte Werner Leuthard, Teil des „Team Magath“, auf der Seite von Felix Magath einen Beitrag, in welchem sie auf die herbe... Die Methoden des „Schleifers“: Darum ist Felix Magaths Training nicht mehr zeitgemäß

DribbelnVor einiger Zeit veröffentlichte Werner Leuthard, Teil des „Team Magath“, auf der Seite von Felix Magath einen Beitrag, in welchem sie auf die herbe Kritik an der Trainingsmethodik Magaths Stellung bezogen. Den Kritikern wird hierbei gefährliches Halbwissen und schlichtweg mangelnde Ahnung unterstellt, was diese Diskussion auf ein geringes Niveau verlagert. Dies ist insbesondere der Fall, weil zahlreiche wissenschaftliche Studien wie jene von Jan Ekstrand oder Raymond Verheijen sowie die Arbeiten von im Hochleistungssport überaus erfolgreichen Fitnesstrainern wie Rui Faria, Oliver Bartlett, Raymond Verheijen, Jan van Winckel oder Lorenzo Buenaventura gegen die Methodik Magaths sprechen.

Dennoch sollte sich mit der „Rechtfertigung“ Magaths bzw. Leuthards konstruktiv umgegangen werden, denn besonders die positiven Ergebnisse in puncto Verletzungsquote müssen relativiert werden. Leuthard schreibt nämlich davon, dass der Faktor „Verletzungswiderstandsfähigkeit“ als höchstes Qualitätsmerkmal im Training gilt und das „Team-Magath“ diesbezüglich die geringsten Verletzungsausfallquoten an den Tag legte. Hierfür gibt es allerdings mehrere Erklärungen, aus denen sich dies zusammensetzt; und nicht alle sind positiv. So sind es zwei kritische statistische Punkte, welche die Erfolge diesbezüglich in ein anderes Licht stellen.

Viele Spieler, wenige Spiele

Selten kam Magaths Trainerteam extrem weit in europäischen Wettbewerben, wodurch die Anzahl der Spiele im Vergleich zur absoluten Weltspitze geringer war. Gleichzeitig hatten Magaths Mannschaften meistens neben einer sehr guten Infrastruktur (im Vergleich zur schwächeren Konkurrenz auf niedrigerem Niveau) auch einen sehr großen Kader. Dadurch gab es die Möglichkeit viel zu rotieren und einzelne Verletzungen von übertrainierten Spielern fielen ebenso weniger ins Gewicht wie schwere Verletzungen von „hartem Gewebe“, also beispielsweise Knochenbrüchen, welche nicht mit dem Fußballtraining in Kontakt stehen.

Diese Mischung aus nicht viel mehr Spielen als der Ligaschnitt bei einem gleichzeitig größeren Kader ermöglicht also eine bessere Quote, insbesondere weil eben vom Trainer unbeeinflusste Einzelverletzungen ebenfalls eine geringere Rolle schlagen. Ein weiterer Faktor ist außerdem, dass nicht alle Verletzungen gemeldet werden. Kleinere Verletzungen von Auswechselspielern oder ähnlichem werden bei größeren Kadern, wo die Bank nach wie vor problemlos gefüllt werden kann, teilweise nicht medial verlautbart und können bei der eigenen Recherche nicht mehr kontrolliert werden. Allerdings ist dies wohl ein zu vernachlässigender Faktor, zumindest wenn man der Einsicht und Objektivität Leuthards in dessen Analysen Glauben schenkt.

Die Einschätzung, man stünde im Vergleich ganz oben, ist dennoch nicht zu halten. Bei eigener Recherche offenbarte sich, dass zu Beginn seiner zweiten Saison in seiner zweiten Amtszeit bei Wolfsburg August bis Oktober gleich neun Spieler nach der Vorbereitung Verletzungen hatten, in der Folgesaison waren es fünf.

In seiner ersten Schalke-Saison hatten neun Spieler Verletzungen über längere Zeiträume, darunter viele kleinere Verletzungen. Auch wenn die Quote insgesamt über alle Jahre und Saisons (sofern Daten vorhanden) keineswegs schlecht ist, so ist sie nicht mit Branchenprimus Favre (international: Mourinho) zu vergleichen. Die Saison 2009/10 bei Schalke war sogar eher im unteren Drittel zu finden.

Eine weitere Teilerklärung zeichnet aber gar ein negativeres Bild.

Verletzungen werden unterschlagen und Verletzte werden fitgespritzt

Von ehemaligen Spielern wurde Kritik laut, Magath sei ein harter Hund; doch diese Kritik bezieht sich nicht nur auf das Training, sondern insbesondere auch auf Magaths psychologischen Umgang und seine Verfahrensweise bei Verletzungen. Schon bei kurzer Recherche finden sich Hinweise auf das „fit spritzen“ von Spielern schon aus seiner Zeit bei Frankfurt und bei Stuttgart, wo der Erfolgsdruck und der Spielplan noch nicht so massiv verengt wurden wie bei seinen größeren Vereinsstationen.

Andere Spieler hatten sogar noch heftigere Kritik geäußert. So findet sich z.B. in einem Artikel in der Zeit folgendes wieder:

Die größte Angst vor Magath haben die Physiotherapeuten. Das sind jene Menschen, die Magath gelegentlich sagen müssen, dass ein Profi wegen einer Verletzung besser nicht spielen sollte. »Für Magath beginnt eine Verletzung aber erst bei einem Wadenbeinbruch«, sagt einer, der Magath kennt.

Durch das Fit-Spritzen und die verweigerte Anerkennung von Verletzungen werden Verletzungsquoten natürlich auch künstlich verringert. Der hohe Konkurrenzdruck und die Ausübung psychischen Drucks verleiten die Spieler, diesem zu folgen, wie auch im oben verlinkten Artikel zu sehen ist.

Allerdings muss man auch sagen, dass es nicht nur daran liegt.

Magaths reine Methodik zur Kraft ist keineswegs schlecht

Leuthard schreibt auf Magaths Seite folgendes:

„Fast jeder Verletzung eines Spielers ohne Gegnereinwirkung, Bänder sowie fast sämtliches Binde- und Stützgewebe eingeschlossen, liegt beinahe ausschließlich eine Funktionseinschränkung sowie eine Störung des individuellen neuromuskulären Systems zugrunde, welche eine Beeinträchtigung der Reflexmotorik zur Folge hat.“

Das ist absolut richtig und ein Fakt, den viele Trainer und auch zahlreiche Verantwortliche aus der medizinischen Abteilung bei einzelnen Vereinen im Spitzensport nach wie vor nicht anerkennen (vgl. Verheijen und Ekstrand). Alleine deswegen ist Magaths Trainerteam schon an sich auf einer richtigen Fährte. Einzelne Ansätze aus diesem Interview zu funktionalem Training von Magath sind ebenfalls korrekt.

Durch eine hohe Grundlagenausdauer, eine starke körperliche Stabilität und funktionales Training mit dem eigenen Körpergewicht im Verbund mit Koordination und unterschiedlichen Ausdauer- sowie Geschwindigkeitssystemen können geringere Verletzungen erreicht werden; ich persönlich traue Magath und seinem Trainerteam sogar zu, dass sie diesen Punkt auf sehr hohem Niveau erfüllen. Nur geht dies an der eigentlichen Diskussion vorbei.

Diskussion verfehlt

Die Frage ist, wie man dieses funktionale Training des Körpers fußballspezifisch anwenden kann. Die eingangs erwähnten Faria, Verheijen, Buenaventura und Co. gehen verstärkt dazu über, dass sie nicht nur Gewichte aus dem Krafttraining verbannen, sondern letzteres im Verbund mit einem Ball in Spielformen trainieren und nur punktuell als Einzelmaßnahmen noch Training des Körpers ohne Spielkontext „verschreiben“. Bei der Diskussion um Magaths Trainingsmethoden sollte es nicht darum gehen, ob sie menschlich sind oder ob sie wenige Verletzungen beinhalten, sondern ob sie ideal für den Fußballkontext sind.

Die Antwort darauf ist ein Nein. Obgleich viele Spieler unter Magath fitter waren und seine reine Verletzungsquote nicht schlecht war (aber in den letzten Jahren im modernen und dadurch schnelleren und komplexeren Fußball auch nicht so gut, wie es dort behauptet wird), so mangelte es den meisten seiner Spieler an einer klaren individuellen wie kollektiven Entwicklung und seine Mannschaften waren taktisch und strategisch weder etwas Besonderes noch für höchstes Niveau geeignet.

Letztlich sollte es bei einem Fußballtraining nicht nur um das Vermeiden von Verletzungen und gute Laktatwerte gehen, sondern auch um eine spielerische und taktische Entwicklung von Spielern und Mannschaft. Zwar unterstützte die Taktikphysiologie Magath – für seine Spielweise war sein Training nicht so unpassend wie für ein hoch intensives Pressing- und Ballbesitzspiel –, alles in allem sind seine Methoden aber für die Entwicklung der Spieler (anstatt der reinen Fitness) überholt.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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