Die Saison des FC Barcelona (4) – Taktische Mittel gegen Barcelona, Teil 2
Taktik & Theorie 4.Juni.2013 Ben Pedro 0
Im zweiten Teil unserer Analyse über Mittel anderer Mannschaften gegen den FC Barcelona betrachten wir die Herangehensweise von Real Madrid und Bayern München. Morgen kommen wir zum fünften Teil unseres Spezials über die Saison des FC Barcelona – mit dem dritten Teil unserer Analyse über Mittel anderer Teams.
Nutzen von Freiräumen hinter den Außenverteidigern
Speziell Madrid machte es gegen Barcelona vor: positioniert man einen seiner schnellen und wenigen Stürmer sehr hoch gegen Barcelona und befreit diesen soweit wie möglich von defensiven Aufgaben, ist dieser Spieler ein ständiger Gefahrenherd. Natürlich ist Cristiano Ronaldo prädestiniert für diese Art von Spiel, mit seiner enormen Technik und Schnelligkeit kann er den Raum hinter dem offensiven Alves nutzen und brachte Piqué ein fürs andere Mal in extreme Bedrängnis. Diese Methode funktioniert allerdings nicht nur mit Ronaldo, nur wenige Tage später in der Liga spielte Morata auf der „Ronaldo Position“. Beide wurden später zum Man of the Match gekürt.
Klicken zum Vergrößern: Ronaldo stand durchschnittliche deutlich höher als Özil oder sogar der einzige nominelle Stürmer Higuain.
Allerdings waren diese beiden Aufeinandertreffen nicht die ersten Spiele, in denen diese Taktik angewandt wurde. Grundsätzlich steht bei Real Madrid der linke Flügelspieler höher als seine Sturmkollegen. Dennoch machten sich auch andere Vereine dies zu Nutze, da allgemein bekannt ist, dass Alves im letzten Jahr viel von seiner Schnelligkeit verlor, was Barcelona auf der rechten Seite bei Kontern extrem anfällig macht. Alves rückte weit nach vorne, um das Spiel breiter zu machen und den Gegner zum Auffächern zu zwingen. Dadurch entsteht hinter ihm ein weites, freies Feld. Eine undankbare Aufgabe für den rechten Innenverteidiger, der auch diese Seite noch übernehmen muss. Vilanova versuchte früh gegenzusteuern, und setze vermehrt auf Pedro, der in Barcelona als extrem laufstarker, kämpferischer Flügelstürmer gilt. Kein Wunder also, dass sich die durchschnittlichen Positionen von Alves und Pedro sehr ähnelten, da Alves von hinten nach vorne drückte und Pedro viel von vorne nach hinten arbeiten musste. Spielte dagegen Alexis auf der rechten Seite, war bei Alves eine deutlich defensivere Haltung zu bemerken.
Auch bei den beiden knappen Spielen gegen Celtic Glasgow war eine ähnliche Tendenz zu beobachten. Trotz der sehr tiefen Stellung der Mannschaft, stand Stürmer Samaras extrem hoch und tendierte immer wieder nach links, in den Raum hinter Alves, um sich dort die hohen Bälle zu holen und auf seine nachrückenden Mitspieler abzulegen. Spartak Moskau dagegen versuchte den Raum hinter Jordi Alba zu nutzen, der ähnlich spielt wie Alves. Mittelstürmer Emenike rutschte hier in den rechten Halbraum, also hinter Jordi Alba und versuchte dort die hohen Bälle zu behaupten.
Dies ist ohnehin ein grundsätzliches Problem des FC Barcelona in der Saison 12/13: Die beiden Außenverteidiger agieren extrem hoch und lassen damit viel Freiräume hinter sich. In der letzten Saison spielte mit Eric Abidal noch ein defensiver ausgerichteter Außenverteidiger auf der linken Seite. Alves konnte bedenkenlos nach vorne spielen, da Abidal mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette bildete und somit absichern konnte. Durch die Verpflichtung von Alba spielen nun zwei sehr offensive Spieler links und rechts, womit das Bilden einer Dreierkette nicht mehr auf diesem Weg funktioniert. Vilanova korrigierte dieses Problem erst spät in der Saison, indem er immer einen der beiden Außenverteidiger defensiver einstellte als den anderen und damit seine eigenen Änderungen rückgängig machte und zur altbekannten Vorgehensweise von Guardiola zurückkehrte.
Umgehen und Umspielen des Barcelona-Pressings
Die große Stärke Barcelonas in den Jahren unter Guardiola war nicht nur das exzellente und nahezu fehlerfreie Passspiel, sondern auch die stabile Defensive. Diese kam besonders durch ein extremes und laufintensives Pressing zustande. Die Spieler attackierten sofort nach dem Ballverlust den gegnerischen ballführenden Spieler und erzwangen somit viele Fehler, die wiederum zu Ballbesitz für Barcelona führten.
Somit verhinderte man nicht nur das kurze Aufbauspiel oder das Ordnen des Gegners nach einer hektischen Situation, sondern verhinderte auch präzise lange Bälle und Konter, bei denen Barcelona traditionell extrem anfällig ist. Durch die sehr hohe Stellung der Abwehrkette und besonders der Außenverteidiger Barcelonas, was essentiell für das Ballbesitz-Spiel der Katalanen ist, entstehen selbstverständlich große Lücken in der Defensive, in die schnelle Spieler leicht stoßen können.
Pressen die Barcelona Spieler nun früh auf den Gegner, hat dieser nicht genug Zeit um sich zu orientieren, die Folge sind ungenaue Bälle und damit auch eine Verminderung der Torgefahr durch Konter. Es wurde dem Gegner so schwer wie möglich gemacht, sich aus der eigenen Hälfte zu befreien. Jedoch schien dieses Vorgehen unter Vilanova abzunehmen, dies wurde bereits früh in der Saison von den Fans bemängelt, viele der Gegentore resultierten aus einem zu passiven und schlampigen Pressing.
Klicken zum Vergrößern: Sehr einfaches taktisches Mittel: Die Torwartkette. Die Innenverteidiger stehen breit, die Außenverteidiger hoch und noch breiter. Über den Torwart kann das Spiel aufgebaut werden, wenn man über hohe Bälle kommen will, über einen der Sechser, wenn gespielt werden soll.
Dabei ist dies nicht nur dem Trainerteam und den Spielern vorzuwerfen, auch die gegnerischen Trainer haben inzwischen verschiedene Möglichkeiten erarbeitet, um sich elegant aus der Falle zu befreien. Erneut gipfelte dies in den beiden Partien gegen Bayern München, die ohnehin für Barcelona ein taktischer Super-GAU waren, in denen sie über 180 Minuten keinen Zugriff auf den bayrischen Spielaufbau hatten. Jupp Heynckes verwendete das taktische Einmaleins, um Barcelona gekonnt auszuspielen. Im Spielaufbau selbst setzte er auf die, in der Grafik (oben) zu sehende Torwartkette. Anders gestaltete sich allerdings die Situation nach einer Balleroberung der Bayern, hier versuchte man nicht das Spiel langsam aufzuziehen, sondern den Ball schnell auf den Flügel zu bringen. Der FC Barcelona musste nun weit mitschieben, um keine Gefahr aufkommen zu lassen, während der Flügelspieler der Bayern den Ball nach vorne trieb. Gleichzeitig versuchten sich die offensiven Spieler des FC Bayern sich für den Pass nach vorne anzubieten und einer der zentralen Spieler verfolgte den Ballführenden parallel. Dies ist zwar ähnlich einfach wie die Torwartkette, funktionierte aber dennoch. Auf den Seiten tat sich Barcelona extrem schwer damit, in die Zweikämpfe gegen die schnellen Flügelspieler zu kommen. Wenn sie es taten, gab es meistens Einwurf oder Freistoß für Bayern, bekamen sie keinen Zugriff, wurde es nahezu immer auch gefährlich. Hätten die Münchner versucht mehr über die Mitte zu spielen, wäre es für Barcelona deutlich einfacher gewesen, das Spiel enger zu machen und damit den Bayern die Räume zu nehmen. So konnten sie entweder alles auf eine Seite werfen und damit Gefahr laufen, mit Spielverlagerungen und Seitenwechseln ausgespielt zu werden oder nur normal mitzuschieben und damit die Überzahl auf den Flügel an die Bayern abzugeben.
Klicken zum Vergrößern: Ähnlich einfach wie Grafik 2: Die Bayern überladen den linken Flügel. Alaba sichert ab, Schweinsteiger begleitet Müller zentral, Ribery zieht einen Barcelonaspieler aus dem Weg, während Mandzukic entgegenkommt, um sich den Ball zu holen. Martinez zieht bis in die Spitze, um einen der zentralen Spieler am Rausrücken auf die Seite zu hindern, da dieser den Spanier verfolgen muss.
Ben Pedro, abseits.at
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Ben Pedro
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