Diskurs zu quantitativen Statistiken im Fußball am Beispiel Roland Loys (3)
Taktik & Theorie 6.Februar.2013 Rene Maric 1
Es wird oft darüber diskutiert, ob es im Fußball eine allgemeingültige Erfolgsformel gibt. Diese wird es wohl nie geben, doch die Suche nach ihr ist dennoch äußerst interessant – und manche nutzen Statistiken anhand quantitativer Analysen, um sich der Formel zumindest annähern zu können.
Der bekannteste statistische Analytiker dürfte dabei Roland Loy sein. Dieser verweist leicht anmaßend darauf, dass sich viele Experten ohne wissenschaftliche Basis zu eindeutigen Aussagen hinreißen lassen. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter seinen Analysen, die er aus den Daten von 3000 Spielen gewann? Was verbirgt sich hinter einem Mann, der behauptet, Ralf Rangnick wisse nicht, wie Fußball funktioniert? Die Antwort dazu findet sich in einer vierteiligen Serie, wo ein paar seiner Statistiken genauer betrachtet werden.
In diesem Teil befassen wir uns mit dem Offensiv- und Defensivspiel, sowie mit den Ballkontaktzeiten.
„Schauen wir uns außerdem die ersten 45 Jahre der Fußballbundesliga an: Nur 19 Mal wurde die Mannschaft Deutscher Meister, die die meisten Tore erzielte. 26 Mal wurde die Mannschaft Meister, die die wenigsten Gegentore hinnahm.“
Wurde hier bedacht, dass der Zweite und der Dritte eventuell darauf spekulieren müssen, dass die Tordifferenz am Ende entscheidend ist und sich an jede Hoffnung klammern, während der Tabellenführer sich mehr schonen kann und sich „nur“ darauf konzentrieren muss die nötigen Punkte einzufahren? Einen Hinweis darauf gibt es nicht.
Wieso der Führende der Meisterschaft so agieren könnte, liegt ebenfalls nach kurzer Überlegung klar auf der Hand. Der Vorsprung ermöglicht es dem Tabellenersten mehr Punkte trotz weniger erzielten Tore zu sammeln und die Spieler dabei frischer zu halten – die „Hoffnung Tordifferenz“ gibt es nicht. Nach dem ersten Treffer muss die Mannschaft nicht auf „Teufel komm raus“ weitere Tore erzielen und dabei ein Risiko eingehen. Außerdem wurde auch keine Aussage über die Tordifferenz gemacht; wie oft wurde die Mannschaft mit der besseren Tordifferenz Meister?
Es gab und gibt seit jeher erfolgreiche Mannschaften mit Offensiv- und mit Defensivfokus. Wenn der bisherige Trend eher auf defensivem Fußball lag, ist eine leichte Überlegenheit defensivstärkerer Mannschaft ebenfalls einfach erklärbar.
Eine weitere Erklärung liegt auch in der Vorsaison der jeweiligen Tabellenführer versteckt. Wie oft wurde der Tabellen-Spitzenreiter auch im Vorjahr Meister und war bis dahin noch im europäischen Pokal vertreten? Wie oft wurde deswegen der Gang nach Führungen herausgenommen und eine Führung “souverän heruntergespielt“, ohne wirklich auf ein weiteres Tor aus zu sein?
So ist beispielsweise Sir Alex Ferguson bekannt für eine Rotation aus solchen Beweggründen – und seine Erfolge sprechen für sich. Gleichzeitig bedeutet jeder Angriff auch eine gewisse Gefahr, den Ball zu verlieren. Als individuell starke Mannschaft den Ball zirkulieren zu lassen und sich auf eine knappe Führung zu beschränken, scheint à la Barcelona ebenfalls die intelligentere Maßnahme.
Dabei ist die Frage gar nicht, ob diese Annahmen der Wahrheit entsprechen – sie werden lediglich berechtigte Zweifel an der Messung von solchen quantitativen Statistiken auf. Ebenso wie folgendes Zitat:
„Das schnelle Spiel nach vorne ist mit einer viel höheren Fehlerquote verbunden. Das heißt, Sie verlieren den Ball auch schneller, wenn Sie schnell spielen. Sie sind also gefährdeter, Kontertore zu kassieren.“
Auch hier hängt das stark von taktischen Präferenzen ab, die nicht in die Bewertung miteinfließen. Beispielsweise muss man fragen ob und wie weit die defensiven Spieler mit aufrücken. Bei einem Unterzahlkonter ist die Gefährdung nicht vorhanden, bei aggressivem Aufrücken des gesamten Kollektivs jedoch stimmt die Aussage durchaus. Fortuna Düsseldorf und Hannover 96 stehen in der deutschen Bundesliga beispielsweise exemplarisch für diese beiden unterschiedlichen Spielweisen im Konter.
„Wo, bitte, ist denn auf höchstem Leistungsniveau überhaupt noch der Platz zum schnellen Umschalten und Spiel in die Spitze? Die Mannschaften stehen doch inzwischen mit neun, zehn Mann vor dem eigenen Strafraum.“
In dieser Aussage wird die mangelnde Berücksichtigung der Taktik deutlich erkennbar. Man schaltet bekanntlich um, wenn der Ball gewonnen wurde. Dies bedeutet, dass sich der Gegner in Ballbesitz befand, also in einer aufgefächerten und öfters auch aufgerückten Formation. Wirkliche Kompaktheit unmittelbar nach Ballverlusten gibt es keineswegs, weswegen Pep Guardiola und Jürgen Klopp in den vergangenen Jahren auch das taktische Mittel des Gegenpressings etablierten.
Technisch herausragende Spieler schaffen es aber auch, dass sie in eigenen Ballbesitzphasen das Spieltempo erhöhen und in die Mitte spielen – hier geht es darum, ob die Spieler technisch so stark sind, dass sie in der Enge kombinieren können. Ansonsten hat man hier natürlich wieder ein Problem.
„… meine Erkenntnis ist: Über je mehr Stationen ein Angriff läuft, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende ein Tor dabei heraus kommt.“
Diese Erkenntnis mündet darin, dass längere Ballzirkulationen darauf hinweisen, dass man einen passiven Gegner hat, sowie spielstarke und intelligente Akteure in der eigenen Mannschaft; diese könnten sonst den Ball nicht so sicher und lange zirkulieren lassen. Im Endeffekt bedeutet eine lange Ballzirkulation einerseits einen in der Arbeit gegen den Ball schwachen Gegner und eine spielerisch überlegene Mannschaft. Es ist relativ klar, dass bessere und intelligentere Spieler eher zum Torabschluss kommen, als ein passiver oder eben schwacher Gegner. Ausnahmen wie Chelsea in der vergangenen Saison (mit etwas Glück) sind hierbei eben die Ausnahme und nicht die Regel.
Im Endeffekt bedeutet die oben zitierte Aussage nur, dass sich die spielstärkere Mannschaft mehr Chancen erarbeitet und daraus mehr Tore erzielen wird. Für jeden Amateurfußballer stellt diese Aussage wohl keine Überraschung dar und sollte kein großes Lob an Roland Loy nach sich ziehen.
Im nächsten Teil befassen wir uns mit weiterer methodischer Kritik an der Analyse und widmen den quantitativen Statistiken ein kleines Fazit.
René Maric, abseits.at
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