Unser Sport schreibt die seltsamsten Geschichten, treibt die wildesten Blüten. Blicken wir beispielsweise einmal zurück in die Saison 2001/2002. Da holte ein gewisser Joachim... Edi Stöhr erklärt den Fußball | Der schmale Grat zwischen Erfolg und Scheitern

Unser Sport schreibt die seltsamsten Geschichten, treibt die wildesten Blüten. Blicken wir beispielsweise einmal zurück in die Saison 2001/2002. Da holte ein gewisser Joachim Löw mit dem FC Tirol Innsbruck den österreichischen Meistertitel und das trotz erheblichster wirtschaftlicher Turbulenzen. Zwei Jahre später wurde er bei Austria Wien im Frühjahr als Tabellenführer entlassen von seinem Sportchef, mit der Erklärung, bei einem Traditionsclub wie Austria Wien brauche man in solch einer schwierigen Situation einen profilierten Mann an der sportlichen Spitze. Dies sei für Joachim Löw eine Hausnummer zu groß. Daraufhin übernahm er selbst das Amt des Cheftrainers und konnte das Team auf Platz zwei führen – einen Punkt hinter dem Meister GAK.

Joachim Löw wurde kurze Zeit später zur rechten Hand von Jürgen Klinsmann und ist inzwischen einer der weltweit anerkanntesten Fußballtrainer und immerhin Teamchef einer Mannschaft, die bisweilen begeisternden Fußball spielt.
Dieses Beispiel zeigt die Vielschichtigkeit fehlerhafter Einflüsse im Fußball, auch und vor allem bei großen Volksvereinen. Wenn Kompetenzstreitigkeiten und Eifersüchteleien die Vorgänge im sportlichen Bereich in den Hintergrund drängen und damit positive Entwicklungen im Keim ersticken, wenn persönliche Eitelkeiten und handfeste wirtschaftliche Beweggründe sportliche Zielsetzungen dominieren, wird Erfolg im Sport schwierig, wenn nicht unmöglich.

Der Trainer nimmt innerhalb der Personalstruktur eine besondere Stellung ein. Neben den repräsentativen Aufgaben als „Gesicht“ des Vereins ist es vor allem seine Fähigkeit auf dem rein sportlichen Sektor, die dem Verein seine Position im jeweiligen Wettbewerb verleiht. Für diese Arbeit ist die bestmögliche Ausbildung noch keine Erfolgsgarantie, eher eine unerlässliche Voraussetzung dafür. Um sich und damit auch seinen Verein deutlich vom Durchschnitt abzugrenzen, bedarf es darüber hinaus der Fähigkeit, für sich ein ganz klares, detailliertes Bild vom Spiel zu entwerfen, diese Spielidee zu formulieren und zu verschriften. Erst dadurch kann er sicher sein, dass er die notwendige Grundlage für das spätere, übrigens nie abgeschlossene, Vermitteln gelegt hat.
Zur Entwicklung einer Spielidee ist die unaufhörliche Beschäftigung mit diesem Sport unabdingbar. Die eigenen Gedanken werden immer wieder abgeglichen mit Erlebtem und Gesehenem auf allen möglichen Niveaus. Die Orientierung am Besten und den Besten versteht sich von selbst. Die Fähigkeit das Beste und den Besten zu erkennen und anschließend zu beschrieben ist allerdings nicht jedem gegeben. Auf der Basis seiner Spielidee erfolgt die „Arbeit“ mit der Mannschaft, mit jedem einzelnen Spieler. Je höher die rein sportliche Klasse der einzelnen Spieler, desto größer die Wahrscheinlichkeit für eine schnellere Entwicklung gilt übrigens ebenso wie: je einsichtiger und ehrgeiziger der Einzelne, desto stabiler das Ganze.

Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich der wirklich professionelle Sportler von demjenigen, der eigentlich nur seine Brötchen mit ein bisschen Kicken verdienen möchte. Hier lohnt sich der Blick hinüber zu Sportlern aus anderen Sportarten, die sich das unendliche Üben ein und desselben Bewegungsablaufes auf die Fahnen geschrieben haben, im Wissen, dass nur die ständige Wiederholung, sei es noch so „langweilig“, Verbesserung hervorbringt. Geduld und Zähigkeit sind für die Zielerreichung sowohl beim Trainer als auch bei den Aktiven grundlegende Voraussetzungen. Diejenigen, die sich über Monotonie im Trainingsalltag beschweren, müssen sich selbst hinterfragen aber auch fragen lassen, ob sie die richtige Berufswahl getroffen haben. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Beurteilung von Trainerarbeit ist die zur Verfügung gestellte Zeit. Bei ehrgeizigem, talentiertem Personal geht es schneller, im anderen Fall dauert es eben etwas länger. Dafür und für vieles mehr braucht es im Verein Konsens auf allen Ebenen, der gegen vielerlei Widerstand aufrechterhalten werden muss. Dann ist Erfolg möglich.

Edi Stöhr, * 1956 in Kösching/Bayern, betreute etwa neun Jahre lang den SC Austria Lustenau, arbeitete zuvor auch in Katar und zahlreichen deutschen Klubs, spielte als aktiver Fußballer für den Hertha BSC in der deutschen Bundesliga. Edi Stöhr ist Kolumnist für abseits.at – besuche Edi und hinterlasse deine Meinung auf seiner offiziellen Homepage, „highspeedsoccer.com“

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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