Elfmeter – Geschichte, Statistiken, Spieltheorie und mehr (Teil 1)
Taktik & Theorie 23.August.2011 Stefan Karger 0
In dieser Serie befassen wir uns mit allen Aspekten des Strafstoßes. Neben der Entstehungsgeschichte sehen wir uns ausführliche Statistiken an und beschäftigen uns mit Spieltheorie, die anhand von praktischen Beispielen verständlich dargelegt wird. Im ersten Teil geht es um die Geschichte des Strafstoßes und warum die Entfernung des Elfmeterpunktes perfekt gewählt wurde.
Die meisten von euch werden sich an das Handspiel von Luis Suarez im Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika erinnern. In der 121. Minute bewies der Stürmer seine Tormannqualitäten und klärte den Ball mit der Hand auf der Linie. Der Schiedsrichter entschied auf Elfmeter und schickte den Uruguayer mit einer roten Karte vom Platz. Auch wenn Gyan den anschließenden Elfmeter verschoss, hatte er vor seinem Versuch zumindest eine 75-prozentige theoretische Chance, dass er treffen würde. Hätte sich diese Situation jedoch vor etwa 120 Jahren abgespielt, dann hätte es einen Freistoß ein paar Zentimeter vor der Torlinie gegeben. Da sich der Tormann damals direkt vor den Ball stellen durfte, hatte der Schütze so gut wie keine Aussicht auf einen Erfolg.
WIE ALLES ANFING
So geschah es auch im Rahmen des Viertelfinalspiels des FA-Cups, als bei der Partie zwischen Stoke City und Notts County ein Spieler der Gastmannschaft beim Stand von 0:1 einen Ball in der letzten Minute mit der Hand abwehrte. Der anschließende Freistoß blieb aus den oben erwähnten Gründen ohne Erfolg und die Gastmannschaft rettete den Auswärtssieg über die Zeit. Die Empörung war groß, insbesondere weil sich dieses unsportliche Verhalten, das in der damaligen Zeit als gar nicht “gentlemanlike“ angesehen wurde, zunehmend häufte. Noch im selben Jahr wurde der Strafstoß eingeführt und Billy Heath von den Wolverhampton Wanderers hatte im Spiel gegen Accrington F.C. die große Ehre der erste Strafstoßschütze der Geschichte zu werden. Er ließ sich diese Chance nicht entgehen und seine Mannschaft gewann souverän mit 5:0.
WARUM GERADE 11 METER?
In Wahrheit beträgt die Distanz gar nicht genau 11 Meter, sondern 10.9728 Meter. Diese unrunde Zahl ergibt sich aus der Umrechnung der 12 Yards, die in den Regeln festgelegt wurden. Diese 12 Yards wurden nicht zufällig gewählt, sondern ergeben sich aus einer geometrischen Konstruktion: Wenn man die Linien vom Fünfmeterraum bis zur Grenze des Strafraums verlängert und dann zwei Diagonalen zieht, dann ist der Mittelpunkt dieser Diagonalen genau 12 Yards von der Torlinie entfernt.
WARUM DIESE ENTFERNUNG IDEAL IST?
Seit der Einführung des Elfmeters gab es einige Regeländerungen: Bis zum Jahr 1902 gab es keinen Punkt, sondern eine Linie, die in 12 Yards Entfernung parallel zur Torlinie verlief. Die Schützen konnten von einem beliebigen Punkt dieser Linie schießen, wobei sie sich den Ball natürlich fast immer in die Mitte legten. Bis 1905 durfte der Tormann den Winkel verkürzen und fünf Meter vor der Torlinie stehen. Die Entfernung selbst wurde jedoch nie verändert, da sie sich als ideal herausstellen sollte. Der englische Physiker John Wesson, der auf unterschiedlichen Feldern mathematische Methoden anwendet, stellte für sein Buch “The Science of Soccer“ fest, wie hoch die Trefferquote für einen unbehinderten Torschuss aus unterschiedlichen Entfernungen ist. Wenn sich ein Schütze die Distanz selbst aussuchen dürfte, dann sollte er sich für eine Entfernung von drei Metern entscheiden, da er aus diesem Abstand zu fast 100 Prozent treffen wird. Mit zunehmender Entfernung sinkt die Trefferquote. Bei 11 Metern Entfernung hat der Schütze eine Erfolgsaussicht von etwa 75%. Wenn der Schütze aus 18 Metern antreten würde, dann würde sich die Lage komplett umkehren, denn dann hätte der Schütze nur noch eine Trefferwahrscheinlichkeit von ungefähr 25%.
Die Distanz von 11 Metern scheint in diesem Hinblick richtig gewählt worden zu sein, um einerseits den Gegner von einem Torraub abzuschrecken, andererseits aber dem Tormann noch immer eine Abwehrmöglichkeit zu lassen. Trotzdem ist der Elfmeter natürlich immer wieder Gegenstand hitziger Diskussionen, da zahlreiche Trainer nach einem verlorenen Spiel gerne von den Unzulänglichkeiten der eigenen Mannschaft ablenken und den Ausgang des Spiels auf eine Elfmeter- oder Abseitsentscheidung reduzieren. Es streitet niemand ab, dass Elfmeter einzelne Partien entscheiden können. Im zweiten Teil dieser Serie werden wir aber feststellen, dass sich auf lange Sicht an den Resultaten nichts ändern würde, wenn von heute auf morgen der Strafstoß abgeschafft wird.
Hier geht es zu den weiteren Teilen dieser Serie:
Im zweiten Teil sehen wir uns zahlreiche Fakten zum Elfmeter an
Teil 3 dreht sich um die Frage wie man einen Elfmeter am besten schießen sollte
Im Teil 4 betrachten wir unter anderem eine Anekdote mit van der Sar und Anelka
Stefan Karger – www.abseits.at
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Stefan Karger
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