Gegenpressing (2) – Anwendung und Probleme im Nachwuchs- und Amateurbereich
Taktik & Theorie 4.April.2013 Martin Flöß und Alexander Burkart 3
Was ist eigentlich das viel zitierte Gegenpressing und wo liegt der Unterschied zu normalem Pressing? Wir bieten euch eine möglichst einfache Definition des ganzen Zaubers und blicken in einem weiteren Teil auf die Notwendigkeit Gegenpressing auch im Jugend- und Amateurbereich anzuwenden.
Der Fußball hat sich stetig weiter entwickelt, von Herbert Chapmans WM-System über die Ungarn der 50er Jahre bis hin zu den Niederländern der 70er Jahre, die mit ihrem „TotaalVoetbal“ heute noch als Vorbild des FC Barcelona gelten. Das Spiel wurde immer schneller und dynamischer, die Physis der Profis musste immer stärker werden, um dem heutigen Hochgeschwindigkeitsfußball nicht zu unterliegen. Durchgehendes Pressing über die gesamte Spielzeit, ständig in Bewegung bleiben, auch psychisch immer voll im Spiel sein, all das, was bei Profis normal ist, ist im Jugend und Amateurfußball eben nicht so. Kein Team könnte durchgehend Pressing spielen, spätestens nach 20 Minuten $1000 cash loan online müsste man aus Kraftgründen sämtliche Spieler auswechseln. Das Gegenpressing kommt dem Jugend- und Amateurfußball daher äußerst gelegen. An dieser Stelle wäre darauf hinzuweisen, dass beim Jugendfußball auch von Amateurfußball die Rede ist, das heißt nicht von der A-Jugend des FC Bayern oder ähnlichem. Ballbesitzfußball (durch Gegenpressing) ist bei richtiger Ausführung deutlich weniger laufintensiv als Konterfußball, da man, um überhaupt erst in eine Kontersitutation zu kommen, in seiner Grundformation ständig hin und her schieben muss, dann bei Ballgewinn einen Konter fährt, und dann bei Verlust wieder in seine Formation zurückfallen muss – und das Schieben beginnt von vorne.
Mischung der Arten des Gegenpressings
Amateure müssen dabei situativ eine Mischung finden. Ist es möglich, sofort einen Gegenangriff zu fahren, sollte dies natürlich genutzt werden, falls nicht, und der Ball wird ins Aus geschlagen, ist das auch positiv zu bewerten, denn das Gegenpressing funktionierte und zerschlug den Angriff des Gegners. Danach kann man sich wieder in seine Grundordnung fallen lassen, und eventuell ein gezieltes Angriffspressing spielen, um den Gegner zu einem langen Ball zu zwingen und damit selbst wieder in Ballbesitz zu kommen.
Fehlende Physis als Hürde und mögliche Lösungsansätze
Wenn der Ball mithilfe von Gegenpressing gewonnen wird, in den eigenen Reihen gehalten werden kann und das Spiel eventuell schon weit fortgeschritten ist bzw. einige Spieler aufgrund eines großen vorherigen Aufwands im Spiel bereits erschöpft sind, könnte man „auf Zeit“ spielen und den Ball ohne ausgespielte Angriffe verwalten. Das heißt statt den Ball in Richtung gegnerisches Tor zu spielen und sich logischerweise in gefährliche Situationen zu bringen, lässt man den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren. Von Innenverteidiger zu Außenverteidiger dann wieder zurück, dann auf den 6er, der den Ball auf den nächsten Innenverteidiger prallen lässt, zurück zum Torwart etc.
Dabei benötigt man natürlich passstarke und technisch beschlagene Spieler sowie einen mitspielenden Torhüter. Allerdings lässt sich dies trainieren und man kann seine Spieler auch entsprechend positionieren (z.B. passstarker linker Mittelfeldspieler tauscht mit passschwachem linken Außenverteidiger), sodass der Ball relativ locker in den eigenen Reihen gehalten werden kann.
Man kann auch einen der Innenverteidiger im Aufbau auf die Position des Liberos zurück fallen lassen, falls der Torhüter Schwächen im Aufbau- oder Passspiel besitzt, und einer der 6er übernimmt die Innenverteidigerposition. Dann, wenn wieder Tempo aufgenommen werden soll, schiebt der Libero auf seine angestammte Position und lässt den 6er wieder aufrücken.
Das alles bedarf guter Kommunikation unter den Spielern aber vor allem des Trainers. Er muss erkennen, wann seine Mannschaft eine Pause benötigt, und wann man den Ball zum „Zeitspiel“ oder zur Erholung zirkulieren lässt. Gerade weniger spielintelligente Spieler benötigen dabei genaue Anweisungen des Trainers. Ein kleiner Nebenaspekt, wenn auch nur eine These, ist, dass, wenn man den Ball nur in den eigenen defensiven Reihen zirkulieren lässt, der Gegner zu wissen glaubt, dass sein Pressing funktioniert – und doch werden sie immer wieder plötzlich ausgehebelt, was den Spielern vielleicht die Lust raubt, den Gegner sukzessive zu attackieren. Der Hauptgrund, warum Gegenpressing im Amateurbereich besonders effizient ist, ist, das die Amateurspieler wenig bis gar nicht „pressingresistent“ sind: Pressingresistent bedeutet, dass Spieler, die „gepresst“ und von mehreren Spielern bedrängt bzw. attackiert werden, sich aus diesen Situationen mit Technik, guter Körperbeherrschung und Dynamik befreien können. Beispiele hierfür sind etwa Luca Modric, Jack Wilshere oder auch Javi Martinez.
Einige Szenen kann man im folgenden Video von Luca Modric erkennen:
Die meisten Jugendspieler haben schlichtweg zu wenig individuelle Klasse, und sind auch individualtaktisch (noch) zu schwach.
Aushebelung des Gegenpressings
Selbstverständlich kann auch das hochgelobte Gegenpressing ausgehebelt werden: Dafür gibt es im Profibereich einige Möglichkeiten, wir gehen aber nur auf zwei Variationen ein. Zur Erläuterung verwenden wir ein Beispiel mit folgender Spielsituation:
Der Stürmer unseres Team A verliert 20 Meter vor dem Tor den Ball an einen Innenverteidiger von Team B und dieser will den Ball auf einen seiner 6er passen. Unser Team schiebt auf den Ball, stellt Passwege zu und nimmt situativ anspielbare Spieler in Manndeckung. Ein bis zwei Spieler schieben auf den Ballführenden.
Grund 1: keine lokale Kompaktheit
Wenn die Spieler zu weit auseinander stehen, und somit zu viele Spieler zu weit vom Ball entfernt sind, kann der Ballführende den Ball ruhig auf den 6er oder einen anderen Spieler weiterleiten. Der kann dann selbst aufdrehen, und den Ball nach vorne tragen. Er trifft dann vermutlich auf einen unkoordiniert anlaufenden Spieler, der defensiv nicht abgesichert wird, den er aber mit einer kleinen Körpertäuschung aussteigen lassen kann und dadurch womöglich weite Räume vor sich vorfindet. Gegenpressing ist nur solange gut, solange es funktioniert – sobald es nicht mehr funktioniert oder falsch ausgeführt wird, kann es schnell gefährlich werden.
Grund 2: Fehlende Pressingresistenz
Der zweite Grund ist ein wenig widersprüchlich zu der oben genannten Begründung, warum Gegenpressing im Jugend- und Amateurbereich so effizient ist. Die wenigsten Spieler sind derart pressingresistent, um ein funktionierendes Gegenpressing auszuhebeln. Klar – vielleicht gibt es den einen oder anderen Spieler, der dagegen resistent ist, jedoch ist dies noch kein Indikator dafür, dass beim Gegenpressing kein Nachteil für das eigene Team entstehen kann. Die Spieler die der Gegner aussteigen lässt, könnten im Rückwärtspressing den Spieler verfolgen, zudem steht unmittelbar hinter dem Mittelfeld die Abwehrkette, welche durch aggressives Herausrücken und richtiges Absichern den Spieler stellen könnte. Notfalls kann in dieser Situation auch ein taktisches Foul in Form eines leichten Haltens gezogen werden.
Fazit
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass Gegenpressing im Jugend- und Amateurbereich sehr einfach umzusetzen ist. Was den meisten Mannschaften Probleme bereitet und worin auch die meiste Arbeit steckt, ist die Erlernung dieses Konzepts im täglichenTraining. Dazu braucht man natürlich einen kompetenten Trainer und lernungswillige Spieler, die offen dafür sind, neue Trends im Fußball zu erlernen.
Martin Flöß und Alexander Burkart, abseits.at
Martin Flöß und Alexander Burkart
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