Lieber mehr Sündenböcke als eine nachhaltige Lösung: Torrichter oder Torkamera?
Taktik & Theorie 21.Juni.2012 Daniel Mandl 0
Marko Devic schießt, Joe Hart kann den Ball nur verlangsamen und John Terry kratzt den Ball von der Linie. Allerdings war das Leder nicht mehr auf der Linie, sondern schon dahinter. Schiedsrichter Viktor Kassai konnte die Situation ob seiner Feldposition nicht richtig beurteilen. Sein Assistent an der Torlinie jedoch schon… und der meldete dem ungarischen Top-Referee nichts.
Dass der Torrichter seine Beobachtungen nicht ins Spiel einbringt, ist mittlerweile hinlänglich bekannt. Der Herr neben dem Pfosten steht mit Headset in der Landschaft, schaut sich die Partie an und setzt ein Pokerface auf. Gelegentliche Anfeindungen durch die Spieler, die vermeintliche Fehlentscheidungen nicht wahrhaben wollen, tun die Torrichter meist mit einem lächelnden Kopfschütteln ab. So unter anderem geschehen beim Aufeinandertreffen zwischen Kroatien und Spanien am vergangenen Montag, als der routinierte deutsche Schiedsrichter Florian Meyer nach einem harten Einstieg von Sergio Ramos gegen Mario Mandzukic im Strafraum nicht mal mit der Wimper zuckte.
Da stehen „echte“ Schiris!
Stichwort „routinierter deutscher Schiedsrichter“: Florian Meyer ist 43 Jahre alt und pfeift seit nunmehr 14 Jahren Spiele der deutschen Bundesliga. Seit zehn Jahren ist er FIFA-Referee. Es war nicht irgendjemand, der da an der Linie stand. Es handelte sich um einen Unparteiischen, der in einer Vielzahl von Spielen wesentlich mehr Verantwortung hatte, als bei seinem jüngsten Auftritt als Torrichter. Umso bitterer ist es, dass er und viele seiner Kollegen die wenigen eingriffswürdigen Schnittentscheidungen, um die es für sie in einem Spiel geht, mit einem unsicheren Kopfschütteln abtun.
Von Anfang an zum „Schweigen mit Ausnahmen“ verdonnert
Die Fehler (?) in der Entwicklung der Aufgaben eines Torrichters machte man wohl gleich zu Beginn dieser neuen Ära. Immerhin ist die Passivität des fünften bzw. sechsten Mannes im Schiedsrichterteam keine Neuigkeit. Auch in Champions League und Europa League stellte man bereits Schiris nebens Aluminium – und die allerwenigsten griffen aktiv ins Spiel ein. Die FIFA bzw. UEFA dürften von Beginn an klargestellt haben, dass der Torrichter nur in besonderen bzw. sehr deutlichen Fällen eingreifen sollte.
Alles nur Show
Und dies bringt uns zur nächsten Frage der neuesten Schiedsrichterfarce: Ist etwa alles nur Show? Ist der Torrichter nur ein Zugeständnis an die (vielen Millionen) Kritiker, die nach weniger Fehlentscheidungen aufschrien? Bei genauerer Betrachtung dürfte es sich insofern um eine Show handeln, als dass die Last falscher Entscheidungen auf mehrere Schultern verteilt wird. Viktor Kassai stand nach dem nicht gegebenen Devic-Tor keine Sekunde in der Schusslinie – auf seinen Assistenten schoss man sich medial jedoch massiv ein.
„Beste Schiedsrichterleistungen“ – weil nun andere kritisiert werden können…
Die Herren in der Führungsspitze schufen mit den beiden Torrichtern weitere Sündenböcke, die von wesentlich älteren Problemen ablenken. Michel Platini konnte sich bereits den Sager entlocken lassen, dass die EURO 2012 das Turnier mit den besten Schiedsrichterleistungen sei. Dass es auch das Turnier mit den schlechtesten Torrichter-„Entscheidungen“ ist, kann da ganz einfach verschwiegen werden. Schließlich kreidet man auch dem Linienrichter selten direkt Fehler an. Dem ehemaligen Weltklassefußballer, der mittlerweile in eine Bonzenecke abgedriftet ist und sämtliche Sympathien bei den Fußballfans verspielte, wäre es wohl am liebsten, wenn man entlang des Spielfeld zehn weitere Sündenböcke platziert, um die zentrale Figur – den Schiedsrichter – noch mehr zu entlasten. Augenauswischerei auf Kosten des gesamten Schiedsrichterwesens.
Dieselben Diskussionen wie 2010
Wie man die Herren in Schwarz wirklich entlasten kann, ließ FIFA-Boss Joseph Blatter gestern verlautbaren: Die Torkamera sei mittlerweile keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit. Es stehen zudem bereits fertige Technologien bereit, wie etwa „Hawkeye“ und „GoalRef“ (das mit dem ominösen Chip im Ball arbeitet). Man sollte sich jedoch nicht darauf verlassen, dass Blatters Machtwort eine baldige Installation solcher Systeme zur Folge hat. Man erinnere sich an die Diskussionen nach der Weltmeisterschaft 2010 und speziell nach Frank Lampards aberkanntem Treffer gegen Deutschland. Auch zu diesem Zeitpunkt waren mögliche technische Hilfsmittel in aller Munde, doch man entschied sich für die Torrichter. Unser Tipp ist, dass es auch diesmal eine fadenscheinige Lösung statt der bereits bereitstehenden technischen Verbesserungssysteme geben wird.
Technik – ja oder nein?
Die Frage nach technischen Hilfsmitteln im Fußball ist allgemein eine mit mehreren Antworten. Viele Fans fordern „Challenges“, wie etwa beim American Football. Andere (wenige) Fans wollen gar das gesamte Spiel in die Hände der Technik legen. Wiederum andere Fans lehnen technische Hilfsmittel, wie etwa den Videobeweis, ab, indem sie den berechtigten Einwand der Deemotionalisierung des Fußballs entgegensetzen. Ein Fan will nun mal nicht eine halbe Minute oder die Dauer des Video-Studiums durch den Schiedsrichter warten, bevor er weiß, ob er sich nun über ein Tor oder einen Elfmeter freuen bzw. beschweren darf.
Her mit der Kamera, weg mit den Torrichtern!
Nichts desto trotz: Beim Thema „Torkamera“ gibt es selbst für den Anti-Technik-Hardliner unter den Fußballfans keinerlei Bedenken, wie etwa internationale Tennisturniere beweisen. Es gibt keine zwei Meinungen mehr: Her mit der Kamera, weg mit den Torrichtern! Die Torkamera entlastet den Schiedsrichter und wird niemals ein Sündenbock sein können. Die Abschaffung der Torrichter ist angesichts deren Leistungen keine zusätzliche Belastung für den Schiri, gibt ihm wieder mehr alleinige Verantwortung und hilft ihm dabei seine Konzentration während des Spiels stärker zu fokussieren.
Daniel Mandl, abseits.at
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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