Radargrafiken: Ein einfaches Mittel zur Visualisierung von Spielerdaten
Taktik & Theorie 21.Juli.2015 Alexander Semeliker 0
Seit rund einem halben Jahr nutzt abseits.at regelmäßig in Artikeln Radargrafiken um den Fußball verständlicher zu machen. Insbesondere wenn man Spieler miteinander vergleichen will, was gerade auf Fan-Ebene gerne gemacht wird, haben sie sich als nützliches Mittel herausgestellt. Dieser Artikel soll einen Überblick geben.
Nicht nur im Fußball helfen Visualisierungen dabei, komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen zu verstehen. Richtig angewandt bringen sie Aussagen auf den Punkt und helfen darüber hinaus dabei, Gelerntes zu behalten. Essentiell dabei ist es, ausschließlich wesentliche Dinge zu beleuchten. Im Fußball gibt es mittlerweile auch öffentlich zugänglich eine beachtliche Anzahl und Vielfalt an Statistiken und Messwerten. Die Kunst liegt also darin, Information zu filtern.
Einführung in der Fußballanalyse
Vielen wird das berühmte Fußballsimulationsspiel Pro Evolution Soccer des japanischen Spielherstellers Konami ein Begriff sein. Darin gab es in früheren Versionen bereits einfache Radargrafiken, die beispielsweise die Angriffs- und Verteidigungsstärke oder die Schnelligkeit visualisierten (siehe rechts). Dieses einfache Konzept fand schließlich vor rund eineinhalb Jahren auch den Weg in die sozialen Medien. Hauptverantwortlich dafür war Ted Knutson, Mitgründer von statsbomb.com und mittlerweile Head of Player Analytics beim Brentford FC, dem Klub wenn es um die Auswertung von Daten geht.
Aufbau der abseits.at-Radars
Auch abseits.at bediente sich dieser Radars und entwickelte sie für die Spieler der österreichischen Liga – herzlichen Dank an dieser Stelle für die Inspiration. Als Quelle dient dabei die von der österreichischen Bundesliga auf ihrer offiziellen Website bereitgestellten und vom britischen Sportdatenunternehmen Opta gesammelten Daten. Im Folgenden soll nun der Aufbau einer solchen Radargrafik gezeigt werden. Hierfür sehen wir uns leere Vorlagen an.
Rot markiert sind jeweils die Basisinformationen. Zentral über dem Diagramm steht der Name des Spielers, links sein aktuelles Team. Die Box links unten gibt Auskunft über die Saison und die Vorlage. Es gibt Vorlagen für drei verschiedene Positionsgruppen (Stürmer, Mittelfeld, Außenverteidiger) und für zwei Ligen (tipico Bundesliga, Sky Go Erste Liga).
Alle Werte des Spielers sind dabei auf eine Einsatzzeit von 90 Minuten normiert bzw. in Prozent angegeben. Als Maßstab für einen Diagrammpunkt werden jeweils der größte und der kleinste Wert innerhalb der jeweiligen Kategorie herangezogen. Dabei werden nur Spieler aus der betreffenden Positionsgruppe und Liga berücksichtigt, die eine gewisse Einsatzzeit vorweisen können. Maximal- und Minimalwert sind daher nicht für alle Radargrafiken dieselben! Je weiter außen ein Punkt liegt, umso besser schneidet der Spieler ab.
Radar für Stürmer
Als erstes sehen wir uns den Aufbau der Stürmer-Vorlage an. Sie besteht aus elf Kategorien, die in der Grafik außen beschriftet sind. Aus der Abfolge der Kategorien ergeben sich vier verschiedene Bereiche, die jeweils Rückschlüsse auf die Spielweise bzw. die Eigenschaften des Stürmers schließen lassen.
Der blaue Bereich markiert die primären Attribute eines Stürmers. Je mehr Tore und Schüsse ein Stürmer abgibt umso weiter draußen ist der jeweilige Punkt und umso größer wird die ausgefüllte Fläche. Selbiges gilt für die Schussgenauigkeit und die Chancenauswertung: je weiter außen, umso höher. Im modernen Fußball lässt sich der Wert eines Stürmers aber nicht ausschließlich durch die klassischen Attribute messen. Wichtig ist auch, dass er zum Beispiel gut kombinieren kann oder seinen Mitspielern ebenfalls Möglichkeiten eröffnet. Diesen Aspekt berücksichtigt der grüne Bereich.
Orange markiert sind die beiden wichtigsten Defensivkategorien, die angeben wie viele Bälle ein Spieler direkt im Zweikampf erobert (Tackles) oder indirekt über abgefangene Bälle. Darüber hinaus gibt es noch eine isolierte Einzelkategorie, die den Anteil an gewonnenen Kopfballduellen wiedergibt. Dadurch lässt sich insbesondere ein klassischer Strafraumstümer relativ schnell identifizieren. Für alle Werte gilt: je weiter außen, umso besser.
Radar für Mittelfeldspieler
Als nächstes blicken wir auf die Vorlage für Mittelfeldspieler. Auch hier gibt es zwei große Kategorien und zwei kleinere. Der blaue Bereich gibt hier Aufschluss über die Eigenschaften des Passspiels eines Akteurs. Spielt er viele Pässe, noch dazu mit hoher Genauigkeit, so ist dies gut und dementsprechend wird die ausgefüllte Fläche größer. Ebenfalls von Interesse ist, ob es sich dabei um kurze oder lange Pässe handelt. Ein langer Pass wird von Opta als Zuspiel über eine Distanz von mindestens 25 Yards definiert. Je weniger lange Pässe ein Spieler spielt, umso weiter außen liegt der Punkt.
Die Wirkung und Effizienz von Flanken ist aktuell ein heißdiskutiertes Thema. So gibt es Untersuchung, die Flanken als ineffektiv einstufen. Es ist daher möglich, dass die Kategorie „Flankengenauigkeit“ in Zukunft aus der Mittelfeld-Vorlage entfernt wird. Unterstützend dafür ist zudem die Flankenfrequenz einzelner Spieler. Defensive Mittelfeldspieler flanken zum Beispiel viel seltener als Spieler auf den Außenbahnen.
Grün markiert ist der Bereich, der eine Aussage über die Produktivität eines Spielers zulässt. Nachdem für Mittelfeldspieler nicht zwingend die Anzahl der Tore, sondern vielmehr die Vorbereitung solcher, im Mittelpunkt steht gibt es keine eigene Kategorie „Tore“. Diese fließen gemeinsam mit den Assists in die Scorerpunkte ein. Nun ist es jedoch auch so, dass man als Vorbereiter abhängig davon ist, wie abschlussstark der Mitspieler ist. Daher werden zusätzlich die Torschussvorbereitungen und -beteiligungen visualisiert.
Anders als Stürmer schießen Mittelfeldspieler generell seltener auf das gegnerische Tor. Deshalb ist es wichtig genau zu zielen. Dieser Punkt wird in der orange markierten Kategorie „Schussgenauigkeit“ berücksichtigt. Abschließend gibt es erneut das Paket aus Tackles und abgefangenen Bällen um ein Gefühl für die Defensivarbeit des Spielers zu bekommen. Hier gibt es aufgrund dessen, dass es keine weitere Unterscheidung zwischen defensiven und offensiven Mittelfeldspielern gibt, einen breiten Wertebereich.
Radar für Außenverteidiger
Abschließend sehen wir uns noch die Vorlage für Außenverteidiger an. Dass es keine eigene Vorlage für Innenverteidiger gibt, liegt übrigens daran, dass kaum aussagekräftige Daten verfügbar sind. Zudem gibt es dafür offenbar noch keine nachhaltigen Metriken. Es gibt seitens der Quelle auche keine eindeutige Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverteidiger, weshalb die Zuordnung manuell erfolgt. Die Vorlage umfasst hier drei Bereiche, die einen Überblick über die kombinativen Eigenschaften (blau), die offensive Beteiligung (grün) und eine detaillierte Aufschlüsselung der Defensivstatistiken (orange) geben.
Als erstes Kriterium für die kombinativen Eigenschaften wurden wieder die Anzahl der Pässe sowie die Passquote herangezogen. Anders als bei den Mittelfeldspieler ist bei Außenverteidigern die Flankenfähigkeit durchaus ein Qualitätsmerkmal. Zusätzlich wird dargestellt, wie oft der betreffende Spieler pro 90 Minuten flankt. Je häufiger bzw. genauer er dies tut, umso weiter außen liegt der Punkt. Ob ein Außenverteidiger offensivstark ist, lässt sich oberflächlich aus den Scorerpunkten und den Torschussbeteiligungen ableiten.
Die Zweikampfquote ist ein zweischneidiges Schwert. Gerade wenn man sie auf Mannschaftsebene betrachtet lässt sich kaum eine brauchbare Aussage treffen. Individuell kann dies jedoch anders sein, sodass sie hier Berücksichtigung findet. Als klärende Aktion definiert Opta eine Defensivaktion, bei der ein Spieler den Ball vom eigenen Tor schlägt, ohne dabei einen Mitspieler anspielen zu wollen. Umgangssprachlich würde man wohl vom „Ausputzen“ sprechen. Je häufiger ein Spieler also brenzlige Situationen bereinigt, umso besser ist es. Umgekehrt ist es bei den Fouls.
Probleme und „Next Steps“
Die Statistik nimmt im Fußball einen immer größeren Stellenwert ein, wenn man effizient arbeiten will. Dabei ist es für die Klubs mittlerweile weniger ein Problem an Daten zu kommen, sondern die Auswertung dieser. Es gibt mittlerweile bereits mehrere Firmen, die jede noch so kleine Aktion aufzeichnen und in ihre Bestandteile zerlegt. Anders sieht es jedoch bei der öffentlichen Betrachtungsweise aus. Gerade bei einer Liga wie der österreichischen ist die Datensammlung für interessierte Fans oft alles andere als einfach.
Dies ist auch der Grund, warum die hier gezeigten Radars keinesfalls das Ende der Fahnenstange darstellen sollen. Ein interessanter Punkt wäre zum Beispiel die Integration von Dribblings, die aktuell gesammelt nicht frei zugänglich sind. Auch eine weitere Unterteilung der Positionen wäre möglich. Wesentliche Punkte im Passspiel sind zum Beispiel die Richtung des Zuspiels sowie die Zone, aus der dieses erfolgt, bzw. jene, wo der Ball landet. All das ließe sich noch integrieren.
Neben der Datensammlung, die sich an und für sich theoretisch beheben ließe, bleibt allerdings ein markantes Problem bestehen: Der Fußball lässt sich aktuell nicht ausschließlich mit Zahlen und Statistiken beschreiben. Es bedarf ebenso einer hohen Kompetenz im fußballerischen Bereich. Kollege Rene Maric hat diesen Aspekt bereits an anderer Stelle ausführlich diskutiert. Entscheidend ist es mittlerweile nicht nur die Rohdaten zu filtern, sondern in weitere, aussagekräftigere Größen umzuformen. Dies erschwert durch die größere Komplexität dann jedoch wiederrum die Visualisierung. Ein Teufelskreis…
Alexander Semeliker, abseits.at
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