Regelkunde: Wenn ein Schiedsrichterpfiff für staunende Gesichter sorgt
Taktik & Theorie 22.September.2016 Stefan Karger 0
Das Europa-League-Spiel zwischen Maccabi Tel Aviv und Zenit St. Petersburg war nichts für schwache Nerven. Die Gäste aus Russland lagen bis zur 77. Minute mit 3:0 zurück, gingen aber dennoch als Sieger vom Platz. Vier Treffer sorgten für einen 4:3-Auswärtssieg und fassungslose Gesichter auf den Rängen. Die armen Zuschauer staunten nicht nur aufgrund des Ergebnisses, sondern auch wegen einer neuen Anwendung der Vorteilsregel, die zum ersten Mal in einem Pflichtspiel zweier Profi-Mannschaften angewandt wurde.
Der Leser möge sich kurz in die undankbare Rolle eines Schiedsrichters hineinversetzen und sich folgende frei erfundene Szene vorstellen:
Spieler X der Mannschaft A sah bereits einmal gelb und begeht nun ein weiteres Foul, das ebenfalls mit einer gelben Karte zu ahnden ist. Ihr wollt das Spiel aber weiterlaufen lassen, da Mannschaft B im Ballbesitz bleibt und nun eine realistische Chance auf einen Treffer hat. Dem Spieler X wollt bei der nächsten Spielunterbrechung die Gelb-Rote Karte zeigen. Der Angriff geht weiter, Spieler X sprintet zurück und wirft sich einen Meter vor seiner eigenen Torlinie in den gegnerischen Schuss hinein. Der Ball wird von Spieler X über das Tor abgelenkt.
Die meisten würden nun Spieler X die Gelb-Rote Karte zeigen und mit einem Eckball für Mannschaft B fortfahren. Diese Entscheidung wäre allerdings nicht korrekt. Richtig ist es dem Spieler die Gelb-Rote Karte zu zeigen und Mannschaft B einen indirekten Freistoß zuzusprechen, von der Stelle an der Spieler X nach seinem Foul wieder in die Partie eingriff – also einen Meter vor seiner Torlinie.
Im Regelhandbuch der FIFA findet sich seit dieser Saison folgende Passage:
Dazu gibt es noch eine kurze Erklärung:
Im Prinzip soll die Vorteilsregel bei schwerem bzw. brutalem Foulspiel, oder bei einem Foulspiel, das eine zweite gelbe Karte nach sich zieht nur angewandt werden, wenn die Mannschaft des gefoulten Spielers eine klare Torchance hat. Der Schiedsrichter kann den Spieler erst ausschließen, wenn das Spiel unterbrochen ist. Sollte der Spieler jedoch vor dieser Unterbrechung in die Partie eingreifen, wird das als ein Vergehen gegen das „Fair Play“ gewertet. Der Schiedsrichter unterbricht die Partie, der Spieler wird vom Platz geschickt und es wird mit einem indirekten Freistoß fortgefahren.
Die Anwendung in der Praxis
Derjenige, der das folgende Video erstellte hat einen guten Job gemacht, allerdings auch einen Fehler, auf den wir gleich unten zu sprechen kommen werden.
Zenit erzielte übrigens aus dem indirekten Freistoß einen Treffer und ging wie bereits oben erwähnt schlussendlich als Sieger vom Platz.
Vor- und Nachteile der Regeländerung
Diese neue Regel hat sicherlich ihre Vorteile, denn es ist prinzipiell fairer, wenn ein Spieler, der bei der nächsten Spielunterbrechung ausgeschlossen wird, nicht mehr am Spielgeschehen teilhaben darf.
Es gibt allerdings auch zwei Nachteile bzw. Schwierigkeiten:
Einerseits muss der Schiedsrichter abwägen, ob es sich um eine „klare Torchance“ handelt. In dem Beispiel oben kann man wohl nicht davon sprechen. Zenit befand sich in einer guten Position einen Angriff vorzutragen, hatte jedoch zum Zeitpunkt des Fouls nicht einmal Überzahl und befand sich nur ein paar Meter innerhalb der gegnerischen Hälfte. Die „Untertitel“ im Video sprechen von einer „clear attack opportunity“, die auch zweifelslos vorlag. Die FIFA fordert jedoch eine „clear opportunity to score a goal“, die im obigen Video wohl nicht vorlag. Ab wann es sich um eine klare Torchance handelt, ist jedoch in Echtzeit nicht immer einfach zu entscheiden?
Andererseits ist es auch für den Spieler, der das Foul begangen hat nicht immer einfach abzuschätzen, ob ihm der Schiedsrichter nachträglich die Gelb-Rote Karte zeigen wird. Er kann in vielen Fällen nicht mit Sicherheit wissen, ob er weiterhin am Spielgeschehen teilnehmen darf, oder ob eine Aktion von ihm zu einem indirekten Freistoß führt. Maccabi Tel Avivs Rechtsverteidiger Eli Dasa hätte wohl nicht mehr in die Situation eingegriffen, wenn er gewusst hätte, dass sein Einsatz einen indirekten Freistoß zur Folge hat. Seinem Gesichtsausdruck nach kannte er zudem die neue Regel nicht.
Stefan Karger, abseits.at
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Stefan Karger
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