Statistikanalyse: Das Aufbauspiel der „Top 4“ – Innenverteidiger
Taktik & Theorie 25.Dezember.2015 Alexander Semeliker 0
In der Winterpause blickt abseits.at in mehreren Teilen zurück auf die ersten 20 Runden in der Bundesligasaison 2015/2016. Dabei wollen wir vor allem interessante Statistiken und besondere taktische Aspekte unter die Lupe nehmen. In den ersten drei Artikeln beschäftigen wir uns mit dem Aufbauspiel.
Im ersten Teil dieser umfangreichen Statistikanalyse haben wir uns die Passdaten der Torhüter und Außenverteidiger angesehen. Dabei haben wir bemerkt, dass das Aufbauspiel von Red Bull Salzburg besonders stark vertikal angelegt ist. Bestätigt sich dieser Eindruck auch nach Betrachtung der Innenverteidiger-Daten? Gibt es vielleicht andere interessante Aspekte, die das Bild, das man von einem Team hat, bestätigt oder widerlegt?
Stichprobenumfang und Methodik
Wie schon im ersten Teil wollen wir uns auf jene Spieler konzentrieren, die die meiste Zeit der Herbstsaison auf der jeweiligen Position gespielt haben. Während es bei Sturm mit Michael Madl und Lukas Spendlhofer eine klare Stammbesetzung im Abwehrzentrum gab, setzten die restlichen drei Teams mindestens zwei Spieler in etwa gleich oft ein. Dementsprechend wurden die Passdaten von jeweils drei Innenverteidigern pro Team ausgewertet.
Die Diagramme sind ebenfalls gleich aufgebaut und berücksichtigen wieder drei Parameter. Jedoch wollen wir nun etwas mehr in die Tiefe gehen. Bei den Innenverteidigern wurden ebenfalls der eigene Anteil an den Pässen des gesamten Teams und der Anteil der langen Pässen ausgewertet. Zusätzlich wurde die Genauigkeit der langen Bälle und die Passrichtung untersucht. Aus Mangel an Daten handelt es sich dabei jedoch nicht um eine exakte Auswertung, sondern lediglich um eine Approximation.
Ausgehend von der Anzahl an Pässen in horizontaler Richtung (rechts, links) und in vertikaler Richtung (vorwärts, zurück) wurde der entsprechende Anteil an den gesamten Pässen gebildet und getrennt auf die Achsen aufgetragen. Für eine noch genauere Aussage wäre die Länge der Pässe in den jeweiligen Richtungen erforderlich.
Konservative Wiener, präzise Grazer
Die nachstehende Grafik zeigt den Anteil an langen Pässen und deren Genauigkeit sowie die Einbindung in das Passspiel, repräsentiert durch die Größe der Blase. Dabei lassen sich die Spieler im Wesentlichen in drei Gruppen einteilen.
Fünf der sechs Innenverteidiger von den beiden Wiener Vereinen verhalten sich hier ähnlich. Lukas Rotpuller, Vance Shikov, Mario Sonnleitner, Maximilian Hofmann und Christopher Dibon spielen meist kurze Pässe und können bei den langen Pässen eine Genauigkeit um 50% aufweisen. Das zeugt von einer äußerst konservativen Spielweise. Oft wird der Ball an den nebenstehenden Mitspieler abgegeben. Dies dürfte an den weiteren Aufbaustrukturen der beiden Teams liegen. Mit Raphael Holzhauser aufseiten der Veilchen sowie Thanos Petsos bei den Hütteldorfern gibt es jeweils zwei Ballmagneten, die die meiste Verantwortung im Aufbauspiel übernehmen.
Die Austria hat mit Richard Winbichler ergänzend noch einen Innenverteidiger, dessen Spiel direkter ausgelegt ist. Dass der 24-Jährigen der Austria mit seinem mutigen Auftreten helfen könnte, haben wir bereits bei seinem Wechsel thematisiert und wird durch eine weitere Statistik untermauert: Windbichler geht nämlich häufiger ins Dribbling als jeder andere Innenverteidiger in der tipico Bundesliga.
Gemessen an der obigen Grafik würde er damit eher zu den Salzburgern passen, die ebenfalls direkt nach vorne spielen. Das zeigt sich darin, dass die Kreise Bullen-Innenverteidiger verglichen mit den anderen kleiner sind – sie sich also nicht gegenseitig hinten den Ball zuspielen – und wird im nächsten Schritt noch klarer. Sturms Abwehrduo, Michael Madl und Lukas Spendlhofer, greifen ebenfalls häufig zu langen Pässen. Diese kommen jedoch häufiger an als bei den Salzburgern. Ein Ergebnis, das man zunächst nicht wirklich erwarten würde. Auch hier lohnt sich ein tiefergehender Blick.
Salzburgs direktes Spiel beginnt hinten
Wichtig im Aufbauspiel ist nämlich nicht nur, ob ein Pass lang oder kurz gespielt wird, sondern vor allem dessen Richtung. Ein Wechselpass von der linken auf die rechte Seite des Platzes wird beispielsweise ebenso als langer Ball erfasst wie ein Pass von hinten nach vorne. Die Wirkung ist jedoch eine gänzlich andere. Durch einen Seitenwechsel wird nur dann das Tempo erhöht, wenn die dort potenziellen Freiräume genützt werden um sofort nach vorne zu kommen. Ein langer Ball in die Spitze hingegen erhöht fast immer die Dynamik des Spiels. Deshalb sehen wir uns nun die Passrichtung der Innenverteidiger an.
Auf der x-Achse ist hier die horizontale Passrichtung zu sehen. Ein positiver Wert bedeutet, dass ein Spieler häufiger nach rechts als nach links spielt. Bei einem negativen Wert ist es dementsprechend anders herum. Bei den Anteil der Pässen in vertikaler Richtung ist zu beachten, dass sich dieser Wert nicht ausschließlich aus dem Anteil an Vorwärtspässen zusammensetzt. Pässe zurück vermindern ihn nämlich. Da jedoch niemand mehr Pässe nach hinten als nach vorne spielt, ist der Wert bei allen Spielern positiv. Die Größe des Datenpunkts repräsentiert wieder den Anteil an den Pässen des gesamten Teams.
Auch hier gibt es eine recht klare Trennnung in zwei Gruppen. Dies liegt daran, dass es in einem Team zwei Innenverteidiger gibt, von denen einer halbrechts und der andere halblinks spielt. Der rechte Innenverteidiger hat mehr Anspielstation auf seiner linken Seite und spielt dementsprechend mehr Pässe in diese Richtung. Analoges gilt für den linken Innenverteidiger. Deshalb gibt es auf jeder Seite des Diagramms mindestens einen Abwehrspieler von einem Team. Interessanter ist die Information, die sich aus beiden Passrichtungen ergibt.
Betrachtet man die Daten der FAK-Spieler, so erkennt man, dass sie unter allen Innenverteidigern die meisten Pässe in die Breite spielen. Shikov (55,9% Querpässe) und Rotpuller (52,2%) führen diese Rangliste an. Das spiegelt ein Problem der Austria recht gut wider. Das Spiel wirkt nämlich oft einschläfernd. Den Rapid-Verteidigern wurde in den letzten Jahren Ähnliches vorgeworfen, die obige Grafik bestätigt jedoch die These, dass das Team von Zoran Barisic immer häufiger gezielt und kontrolliert in die Tiefe spielt.
Abschließend wollen wir den erwähnten Unterschied zwischen den Bullen- und Sturm-Innenverteidigern untersuchen. Oben hat man gesehen, dass die Erfolgsquote der Grazer um einiges höher ist als jene der Salzburger. Sieht man sich nun die Passrichtungen an, dann erkennt man, dass das Trio der Mozartstädter von allen Innenverteidigern am direktesten nach vorne spielt. Allen voran ist hier Martin Hinteregger zu erwähnen, der nur 29,6% seiner Pässe nach links oder rechts spielt. Der Teamverteidiger ist für seine beschleunigenden Vertikalpässe bekannt und war damit bereits unter Roger Schmidt ein wichtiger Initiator fürs Pressing.
Demgegenüber steht das häufige Spiel in die Breite von Madl und Spendlhofer. Diese können zwar eine gute Genauigkeit bei den langen Bällen und Pässen in der gegnerische Hälfte aufweisen, passen jedoch häufig entlang der Linie bzw. auf die Außenverteidiger. Dort gibt es für den Mitspieler zwar weniger Druck, weshalb die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Passes höher ist, aber der Weg zum Tor wird dadurch nur unwesentlich verkürzt. Ein Zuspiel in die Halbräume oder zwischen die Linien mündet zwar öfter in einem Fehlpass, die entstehende Dynamik kann in der Folge aber zum eigenen Vorteil genützt werden, wenn man sich entsprechend gut darauf vorbereitet.
Alexander Semeliker, abseits.at
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