Statistikanalyse: Gibt es den perfekten Zeitpunkt für einen Auslandstransfer?
Taktik & Theorie 12.Juli.2015 Alexander Semeliker 0
In regelmäßigen Abständen kommt es hierzulande zu regen Diskussionen, wenn es Gerüchte um einen Wechsel eines Bundesligaspielers in eine europäische Top-Liga gibt. Beide Seiten bringen dafür immer wieder Beispiele aus der Vergangenheit. abseits.at hat sich die Transfers der letzten zehn Jahre angesehen und präsentiert die Ergebnisse.
Auf der einen Seite gibt es die Meinung, dass man aus der österreichischen Bundesliga so schnell wie möglich in eine bessere Liga wechseln sollte. Dem gegenüber steht der Wunsch, dass die Spieler doch länger bleiben sollten um sich noch in sicherer Umgebung weiterentwickeln zu können. Das würde nicht zuletzt auch das Niveau der Liga verbessern und eine positive Signalwirkung haben. Mahnende Beispiele gibt es auf beiden Seiten.
Stichprobenumfang und Methodik
Im Rahmen dieser Untersuchung haben wir uns die Transfers aller Bundesligaspieler zu einem Verein in den besten sechs Ligen Europas (Spanien, Deutschland, England, Italien, Portugal, Frankreich) – im Folgenden als „Ausland“ bezeichnet – angesehen. Insgesamt gab es 34 Spieler, die in diese Auswahl fallen. Ausgewertet wurden einerseits die Einsatzminuten, die die Spieler bis zu ihrem Wechsel in der Bundesliga insgesamt gesammelt haben. Andererseits wurden die Einsatzminuten nach dem Wechsel betrachtet. Da die Spieler jedoch unterschiedlich lange bei Klubs in den Top6-Ligen unter Vertrag standen, wird der Anteil an der maximal möglichen Einsatzzeit als Kriterium verwendet.
Verletzungen, außersportliche Umstände und dergleichen mögen eine Erklärung für etwaige Messpunkte sein, werden hier aber nicht berücksichtigt. Ferner wurde untersucht, ob sich Spieler bei ihren neuen Vereinen eher durchsetzen wenn sie länger in der Bundesliga gespielt haben. Abschließend wollen wir uns ansehen, welchen Einfluss der letzte Verein, von dem aus der Wechsel vonstattenging, hat. Bei Spielern, die öfter ins Ausland wechselten, wurden die Daten herangezogen, die vor dem ersten Wechsel zu Buche standen.
Kein aussagekräftiger Zusammenhang
Die nachfolgende Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen den Einsatzminuten in der österreichischen Bundesliga vor dem Transfer in eine Top6-Liga und den erreichten Anteil an der maximal möglichen Einsatzzeit. Eingetragen ist weiterhin das Bestimmtheitsmaß. Bei R²=1 würden alle Punkte auf der Gerade liegen und es würde ein perfekt linearer Zusammenhang bestehen. Zur näheren Analyse wurde zudem zwischen österreichischen und nicht-österreichischen Spielern unterschieden.
Die Grundaussage, dass mehr Spielminuten dazu führen, dass man sich im Ausland eher durchsetzt, ist grundsätzlich durch dieses Ergebnis gestützt – jedoch nur äußerst schwach. Nimmt man die beiden Punkte rechts oben weg, so wäre das Bestimmtheitsmaß nur mehr R²=0,024. Das erkennt man auch an der extrem starken Streuung im linken Teil des Diagramms. Das bedeutet, dass es sehr wohl möglich ist, sich im Ausland durchzusetzen, wenn man kaum Erfahrung in der österreichischen Liga gesammelt hat.
Interessant bezüglich der viel diskutierten Thematik um den Zeitpunkt des Wechsels wäre der Bereich zwischen den beiden „Ausreißern“ und dem Rest. Hier gibt es jedoch keine Messpunkte. Mit den Wechseln von Markus Suttner (17.204 Einsatzminuten in der Bundesliga) und Heinz Lindner (14.846) in die deutsche Bundesliga werden demnächst aber Vergleichswerte vorhanden sein. Weitere Spieler, die in diese Spanne fallen wären zum Beispiel Thomas Schrammel (13.539), Andreas Ulmer (15.500) und Michael Madl (15.585). Christoph Leitgeb hatte, als er 2013 seinen Vertrag in Salzburg verlängerte, übrigens 17.413 Bundesligaminuten am Konto.
Hinsichtlich der Nationalität der Spieler fällt auf, dass markant mehr Punkte von Spielern aus Österreich unter der Regressionsgerade sind – gerade im ganz linken Bereich. Das heißt, dass Legionäre der Sprung eher gelingt, wenn sie nur kurz in der Bundesliga spielten. Das ist durchaus nachvollziehbar. Wie wir noch sehen werden sind dies nämlich Spieler, die individuell in der österreichischen Liga herausragten und sie als Sprungbrett verwendeten. Im mittleren Segment fällt der Vergleich mehr oder weniger ausgeglichen aus.
Erwähnenswert ist auch, dass die Anzahl der Österreicher, die in eine Top6-Liga wechselten, größer wird, je weiter rechts man im Diagramm wandert. Auch das ist nachvollziehbar. Zum Beispiel handelt es sich bei den beiden Punkten ganz rechts um Zlatko Junuzovic und Florian Klein. Beide debütierten früh in der Bundesliga und wechselten mit Mitte zwanzig. Legionäre, die in jungen Jahren nach Österreich kommen sind entweder große Talente, die dann schnell in den Top-Ligen Fuß fassen, oder schaffen den Durchbruch hierzulande nicht. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein älterer Legionär, der in Österreich möglicherweise heimisch geworden ist, einen derartigen Schritt macht quasi null.
Entwicklung und Anpassung wichtige Faktoren
Nun wollen wir uns mit der Zeit unmittelbar nach dem Wechsel beschäftigen. Aufgrund etwaiger Wintertransfers wurde auch hier ein relativer Bezug zur maximal möglichen Spielzeit hergestellt. Das nachstehende Diagramm zeigt die Ergebnisse.
Qualitativ ergibt sich kaum ein Unterschied, dennoch gibt es einige interessante Punkte. Bei den Spielern, die nach kurzer Zeit die österreichische Bundesliga verlassen haben, ist der Abstand zwischen Österreichern und Nicht-Österreichern größer geworden. Dies deckt sich mit der These, dass dies qualitativ bessere Spieler waren. Ein weiterer Punkt könnte die Anpassungsfähigkeit sein. Nicht-Österreichern könnte der kulturelle Umstieg leichter fallen, da sie schon bei ihrem Wechsel nach Österreich – bzw. gegebenenfalls schon davor – ihr gewohntes Umfeld verlassen haben.
Im mittleren Bereich gibt es noch immer eine breite Streuung, einige Punkte sind aber deutlich näher an die Regressionsgerade gerutscht. Dies kann folgenderweise interpretiert werden: Die Spieler bekommen zu Beginn mehr oder weniger dieselben Chancen, während in der Folge die Entwicklung wichtig ist. Gelingt dies, bleibt man ein fester Bestandteil oder bekommt sogar mehr Möglichkeiten.
Red Bull Salzburg bestes Sprungbrett
Abschließend blicken wir auf die Bilanz der Klubs. Dies ist insofern wichtig, als das Wort „Transferreputation“ in einigen Diskussionen gerne verwendet wird um Ablösesummen zu rechtfertigen. Klubs, deren Spieler zu guten Klubs wechseln und sich dort obendrein durchsetzen, sollen einen besseren Ruf haben. Auf welche österreichischen Klubs trifft dies also zu? Dazu wurde eine Einteilung in die vier Großklubs Austria, Rapid, Salzburg und Sturm gemacht. Spieler, die von anderen österreichischen Vereinen wechselten, wurden unter „Sonstige“ zusammengefasst.
Die Streuung der Nicht-Großklubs ist enorm. So haben sich Christian Fuchs oder Emanuel Pogatetz international einen Namen gemacht, während Daniel Royer, Adi Rocha oder Michael Gregoritsch kaum Einsatzminuten in den Top-Ligen aufweisen können. Im Schnitt spielte ein Akteur in dieser Kategorie 4.581 Minuten in der Bundesliga, ehe er wechselte, und absolvierte 28,9% der möglichen Spielzeit in den Top6-Ligen.
Sieht man sich die Messpunkte von Red Bull Salzburg an treten zwei Phänomene auf. Einerseits verpflichteten die Salzburger in den ersten Jahren der Red-Bull-Ära Spieler, die bereits Erfahrung in den Top-Ligen hatten. Nachdem man mit ihren Leistungen in der Mozartstadt nicht zufrieden war, wurden sie schnell wieder dorthin abgegeben. Ein Beispiel hierfür ist Christian Tiffert. Nach dem Einstieg von Ralf Rangnick wurde die Strategie umgestellt. Die Folge: Talente wie Sadio Mane und Kevin Kampl trumpften in der österreichischen Liga auf und wechselten innerhalb kurzer Zeit zu starken Vereinen, wo sie regelmäßig zu Einsätzen kamen.
Während Sturm mit drei Spielern einen überschaubaren Stichprobenumfang liefert, ist der Vergleich zwischen den beiden Wiener Vereinen interessant. Abgesehen von Philipp Hosiner und Rubin Okotie kam jeder Spieler, der die Austria verließ, bisher auf mehr als 50% der möglichen Einsatzzeit. Bei Rapid sieht dies komplett anders aus. Bei den Hütteldorfern gibt es sogar einen leicht negativen Trend – heißt: je länger man in der Bundesliga spielte, umso weniger kam man im Ausland zum Zug.
Kein einziger grün-weißer Spieler kam nach seinem Wechsel zu mehr als einem Viertel der möglichen Einsatzzeit. Interessanterweise sind es innerhalb der hier angeführten Kategorien ausgerechnet Rapid-Spieler, die am ehesten einen Wechsel in eine Top-Liga anstreben. Im Schnitt wechselten sie bereits nach 4.386 Bundesligaminuten – das sind weniger als 50 ganze Spiele. Ein Faktum, das die Diskussionen zusätzlich befeuern dürfte.
Alexander Semeliker, abseits.at
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