Im dritten Teil der Serie wurde die endgültige Entwicklung zum totalen Fußball verdeutlicht sowie die Denk- und Spielweise, die unter diesem System bei Ajax... Totaalvoetbal (4/5) – Der Auftakt zur Vormachtstellung und der richtige falsche Mann

Im dritten Teil der Serie wurde die endgültige Entwicklung zum totalen Fußball verdeutlicht sowie die Denk- und Spielweise, die unter diesem System bei Ajax Einzug hielt. Weiters wurde die nationale Dominanz beleuchtet, die sich ab Mitte der 1960er-Jahre unter Michels entwickelte. Und nachdem Ajax bereits 1969 das Finale des Europapokals der Landesmeister erreichen konnte, schien die Zeit jetzt reif, Europa im Sturm zu nehmen.

Nachdem Ajax Amsterdam auch 1970 wieder Meister wurde, war die Mannschaft in der Folgesaison also einmal mehr im Europapokal der Landesmeister spielberechtigt.National war die eigene Dominanz beinahe ungebrochen und nachdem man 1969 international schon groß aufzeigen konnte, waren die Erwartungen natürlich hoch.Eines vorweg: Meister wurden die Amsterdamer in der kommenden Saison 1970/71 jedenfalls nicht, der Titel ging in dieser Spielzeit an Feyenoord Rotterdam.

Ajax Amsterdam gewinnt den Europapokal der Landesmeister

Der Modus des Europapokals der Landesmeister war zur damaligen Zeit, verglichen mit dem heutigen Modus des “Nachfolgepokal”, der Champions League, äußerst überschaubar. Ajax Amsterdam war direkt für die 1. Runde qualifiziert, was für die Niederländer hieß, sich über insgesamt vier Runden bis ins Finale vorzukämpfen. In der 1. Runde war der albanische Meister Tirana der Gegner. Kam man im Hinspiel mit einem 2:2-Unentschieden eher langsam in die Gänge, gab es im Rückspiel ein relativ souveränes 2:0 – der Aufstieg in die 2. Runde war geschafft.

Die zweite Runde war eigentlich wie das heutige Achtelfinale – so gesehen konnte man auch die erste Runde eigentlich als Play-off für das Achtelfinale bezeichnen. Der Gegner hieß FC Basel und die Maschinerie des totalen Fußballs kam immer besser ins Laufen. Das Hinspiel wurde souverän mit 3:0 gewonnen und auch im Rückspiel gab es einen 2:1-Sieg zu feiern. Im Viertelfinale stand Celtic F.C. zum Duell bereit, wobei die Schotten sogar eines der Duelle für sich entscheiden konnten: Im Rückspiel schaffte Celtic einen 1:0-Sieg. Leider reichte dies bei weitem nicht. Ajax plättete den Gegner in gewohnter Manier schon im Hinspiel mit 3:0, womit dem Sieg der Schotten nur ein statistischer Wert zukam.

Im Halbfinale wartete Austria-Bezwinger Atletico Madrid und die Spanier schienen vor der Begegnung mit Ajax ihre Hausaufgaben gemacht zu haben: Die Niederländer wurden im Estadio del Manzanares mit 1:0 besiegt, doch auch Atletico konnte – zumindest im Rückspiel – dem totalen Fußball letztlich nicht standhalten und zum 3. Mal in insgesamt acht Spielen konnte Ajax einen überzeugenden 3:0-Sieg einfahren. Die zweite Finalteilnahme innerhalb von 3 Jahren war damit fixiert. Im Finale traf man nun auf die Mannschaft von Panathinaikos Athen. Im Gegensatz zu Ajax plagten sich die Griechen allerdings ins Finale. Feierte man in der 1. Runde noch einen recht deutlichen Sieg gegen Jeunesse Esch und stieg mit einem Gesamtscore von 7:1 auf, kassierte man gegen Slovan Bratislava in der 2. Runde bereits eine 1:2-Niederlage, die aber dank des Hinspiel-Ergebnis von 3:0 nicht weiter relevant war. Im Viertelfinale setzte man sich gegen Everton F.C. nur aufgrund der Auswärtstorregel durch (1:1 auswärts und 0:0 daheim) und auch im Halbfinale konnte man gegen Roter Stern Belgrad nur bedingt überzeugen: Das Hinspiel ging gleich 4:1 verloren, mit einem sensationellen Rückspiel und einem hochspannenden 3:0-Sieg sicherte man allerdings doch den Finaleinzug – wieder leistete die Auswärtstorregel sozusagen einen Assist.

Das Finale im Wembley-Stadion verfolgten 83.000 Zuschauer und sie sahen eine neuerlich groß aufspielende Ajax-Mannschaft: Ajax Amsterdam ging bereits in der 5. Minute durch ein Tor von Dick van Dijk in Führung und Arie Haan besiegelte nach überzeugendem Auftritt der Amsterdamer schließlich in der 87. Minute das Schicksal von Panathinaikos. Das Finale wurde also 2:0 gewonnen. Die Niederländer standen mit diesem Sieg am Olymp des europäischen Vereinsfußballs – die Überraschung darüber hielt sich mittlerweile in Grenzen.

Ajax Amsterdam am vorläufigen Höhepunkt – Michels geht, Kovács kommt

Wie bereits erwähnt, wurde Ajax in dieser Saison nicht Meister. Der Titel des Europapokalsiegers war allerdings ein mehr als genügendes Trostpflaster und nebenbei wurde in dieser Saison auch einmal mehr der niederländische Cup gewonnen. Ein versöhnliches Double also. In der Meisterschaft konnte immerhin der Vizemeistertitel gesichert werden, was auch in der kommenden Saison zur Spielberechtigung für den Europapokal der Landesmeister führte. Doch in der Zeit all dieser großen Erfolge, national wie mittlerweile international, beschloss Michels seinen Abgang aus Amsterdam, es wartete eine durchaus reizvolle Aufgabe auf ihn: Trainer des FC Barcelona.  Allerdings sollte Michels ein schwieriger Start bei Barcelona bevorstehen und erst der Transfer eines Spielmachers und Landsmanns 1973 brachten ihn und seine Vorstellungen vom Fußball auch in Katalonien auf Schiene.

Derweilen war Ajax auf intensiver Suche nach einem würdigen Nachfolger und wurde letztlich fündig, allerdings war der neue Trainer Stefan Kovács für fast alle eine große Überraschung. Nicht dass der Rumäne ein schlechter Trainer war, auch er hatte in den letzten Jahren mit Steaua Bukarest einige Erfolg und wurde in vier Jahren mit Steaua einmal Meister und dreimal Pokalsieger. Trotzdem schien seine Verpflichtung nicht nur bei Fans und Medien Unglauben auszulösen: Noch bevor Kovács per Zug die Reise nach Amsterdam antrat, kaufte er sich gleich in Bukarest zur Sicherheit eine Rückfahrkarte, da er der Bestellung zum Cheftrainer selbst nicht so recht trauen mochte. In den Niederlanden war Kovács, trotz der Erfolge mit Steaua, bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls absolut unbekannt.

Ein netter Typ, eine schwierige Mannschaft

Mittlerweile herrschte einige Unruhe unter den Spielern. Hatte Michels die Mannschaft unter seinem autoritären Stil gut im Griff und kamen die Spieler unter seinem extremen Verlangen nach Disziplin eigentlich gar nicht dazu, für Schwierigkeiten zu sorgen, so war Kovács ein gänzlich anderer Typ Trainer. Er betonte zwar weiter stark das spielerische Element, war aber sehr ruhig und rund um den unbequemen Johan Cruyff, der mittlerweile auch über immer mehr Macht und Einfluss verfügte, bauten sich innerhalb kurzer Zeit viele negative Energien um Kovács auf. Trotzdem erreichte Ajax unter Kovács unübersehbar spielerische Höchstform.

Großen Anteil daran hatte natürlich der Umstand, dass Kovács eine sehr eingespielte Truppe übernahm. Besonders im enorm anspruchsvollen System des totalen Fußballs war dieser Umstand gar nicht groß genug einzuschätzen. Laufwege, Raumdenken, taktisches Verhalten in Vor- und Rückwärtsbewegung – Kovács musste sich um all diese fundamentalen Dinge nicht mehr wesentlich kümmern. Der zweite Umstand war, dass Kovács – im Gegensatz zu Michels – auch mal fünf gerade sein ließ. Er war kein Trainer, der Spieler anherrschte, sie unter enormen Druck setzte oder gar Strafen vorsah, wenn nicht alles nach seinem Willen ging. Er ließ die Mannschaft ihr Spiel spielen, Griff in das System nur punktuell ein und schenkte seiner Truppe einfach Vertrauen.

Die Saison 1971/72 lief dann für Ajax bis ins Frühjahr perfekt: Fünf Punkte Vorsprung kurz vor Ende der Meisterschaft und das neuerliche Erreichen des Finales des Europapokals der Landesmeister standen im ersten Amtsjahr Kovács´ gleich einmal auf der Habenseite. Komplettiert wurde die Saison letzten Endes auch noch durch den Gewinn des niederländischen Cups.Trotzdem war das Standing Kovács´ aufgrund der ständigen Unruhe im Verein nicht das Beste und obwohl das Triple greifbar nahe war, rief der Ajax-Vorstand eine Krisensitzung ein. Als Grund wurde angegeben, dass Gerüchte in Umlauf sind, Kovacs hätte die Kontrolle über die Mannschaft verloren und sie würde ihm nicht gehorchen.

Der Vorstand beschloss in der eilig anberaumten Sitzung tatsächlich die Absetzung Kovács´, doch der Trainer erhielt in dieser Situation etwas unerwartet Rückendeckung von der eigenen Mannschaft und nachdem die Spieler erfolgreich intervenierten, durfte Kovács doch bleiben. Die Spielzeit 71/72 endete grandios: Die Meisterschaft wurde eingefahren, der nationale Cup – wie schon erwähnt – gewonnen und obendrein konnten sich die Niederländer im Finale des Europapokal (im Stadion von Feyenoord Rotterdam) mit 2:0 gegen Inter Mailand durchsetzen – beide Tore erzielte Johan Cruyff. Obendrein wurde Ajax in diesem Jahr auch noch Weltpokalsieger und Gewinner des europäischen Supercups. Wahrlich eine perfekte Saison.

In der darauffolgenden Spielzeit wurde einmal mehr großartiger Fußball der Amsterdamer geboten. Neuerlich wurde die Meisterschaft gewonnen, auf den Pokal musste Ajax diesmal allerdings verzichten. International konnte sich die Mannschaft nun allerdings ein Denkmal setzen: Ajax erreichte nicht nur zum dritten Mal in Folge das Finale des Europapokals der Landesmeister, dieser Bewerb konnte auch zum dritten Mal in Folge von Ajax gewonnen werden – eine Leistung, die zuvor nur Real Madrid vollbrachte. Im Finalspiel wartete Juventus Turin und was folgte war eine regelrechte Machtdemonstration. Ajax ging in Belgrad vor über 91.000 Zuschauern schon in der 4. Minute in Führung, was gleichzeitig den Endstand darstellte. In der Zeit zwischen der 4. und der 90. Minute entnervten die Niederländer Juventus allerdings. Nicht nur die drückende Überlegenheit Ajax´ war von Beginn an deutlich, beeindruckend waren vor allem die scheinbar ewigen Ballstafetten, denen die „alte Dame“ einfach nichts entgegenzusetzen hatte.  Die Geschichte sollte sich für die Niederlande bald auf sehr ähnliche, jedoch umso tragischere Weise wiederholen. Zusätzlich holten sich die Niederländer zum zweiten Mal in Folge den europäische Supercup.

Kovács geht, Knobel kommt

Trotz des großen Erfolges herrschte in Kovács´ Umfeld seit seinem Amtsantritt bei Ajax vor mittlerweile zwei Jahren ständig eine große Unruhe. Obwohl der Rumäne stets die Nerven behielt und eine phänomenale Bilanz aus zwei Saisonen ziehen durfte, stand sein Abgang bevor – und der war durchaus nachvollziehbar. Michels, der Ajax während seiner Zeit mit harter Hand führte und auch dadurch den Boden für nachkommende Erfolge aufbereitete, übergab Kovács zwar eine spielerisch perfekt abgestimmte Mannschaft. Die Spieler atmeten, angesichts dem Ende der autoritären Führung Michels, jedoch auch in gewisser Weise auf und der ruhige Kovács schien ein leichtes Opfer für die “lebhafte” Ajax-Mannschaft.

Paradoxerweise war die Art von Freiheit, die Kovács der Mannschaft mit Amtsantritt gab, allerdings genau das, was die Mannschaft zu dieser Zeit brauchte, um endgültig ihr volles Potenzial abzurufen und dem Verein die mitunter glorreichsten Jahre der Vereinshistorie zu bescheren. Mittel- und langfristig war Kovács jedoch sicher zu weich und zu ruhig und die einsetzende Eigendynamik innerhalb der Mannschaft seit dem Abgang Michels´ ließ es für Kovács einfach nicht zu, die Mannschaft dauerhaft mit ruhiger Hand zu führen. Kovács bekam 1973 ein Angebot des französischen Verbandes, als Nationaltrainer zu arbeiten und er nahm dieses Offerte angesichts der schwierigen Umstände und der gleichzeitig doch riesigen Erfolge, die ihn durch seine Zeit in Amsterdam begleitet haben, wohl gerne an: In zwei Saisonen wurde Kovács mit Ajax zweimal niederländischer Meister, zweimal Europacupsieger der Landesmeister, einmal niederländischer Cupsieger, zweimal Gewinner des europäischen Supercup, und einmal Weltpokalsieger.

Sein Nachfolger wurde mit George Knobel ein Niederländer. Knobel durchlebte als Spieler eine absolut unspektakuläre Karriere, die ihn über den RBC Roosendaal und die zweite Liga nie hinaustragen sollte. Auch als Trainer war Knobel bis zu seinem Engagement bei Ajax nicht wesentlich aufgefallen und er wechselte nach vier Jahren als Cheftrainer des MVV Maastricht zu Ajax. Eine seiner ersten Tätigkeiten bei Ajax war es, den Kapitän der Mannschaft neu wählen zu lassen, welcher bis dahin Johan Cruyff war. Die Mannschaft entschied sich bei der Neuabstimmung für Piet Keizer. Für das Alphatier Cruyff ein Schlag ins Gesicht und für viele Beteiligte begann die Zeit großer Veränderungen.

JK

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