Trainingsformen (3) – Aufbauspiel und weitere Situationsübungen
Taktik & Theorie 24.Dezember.2014 Rene Maric 0
Immer wieder erreichen uns Anfragen, ob wir nicht Trainingsübungen oder ganze Trainingseinheiten veröffentlichen können, um Trainern einen Einblick in fremde Arbeit zu gewähren oder schlichtweg ein paar Ideen zu geben. Die Gründe für diese Suche ist der Mangel an publizierten nützlichen Übungen. Toptrainer im Hochleistungsfußball machen meist ein Geheimnis aus ihren Übungen, um keinen Wettbewerbsvorteil zu verlieren oder Einblick in die Vermittlung wichtiger taktischer Aspekte zu vermeiden.
Viele Trainingsbücher wiederum sind veraltet, stellen nur einzelne Übungen dar und erfüllen wichtige Anforderungen an ein Training nur unzureichend. Deswegen sollen in diesem kleinen Fünfteiler ein Beispiel für einzelne gute Übungen gezeigt werden, auch wenn das natürlich nicht ausreichend ist – ein Training muss in puncto Trainingssteuerung, Spielphilosophie und Eigenheiten der Spieler und des Teams immer spezifisch angepasst werden. Trotzdem könnten diese Übungen eventuell für die eine oder andere interessante Idee bei den Lesern sorgen.
In diesem Teil geht es um Situationsübungen aller Art.
Rondo mit Zonenwechsel als Verlagerungsbeispiel
Ein einfaches Beispiel zum Einstieg sind einfache Rondos/Hösche mit Verlagerung in eine andere Zone. In einem Rondo spielt man beispielsweise Fünf gegen Zwei oder Vier gegen Zwei, während die Mitspieler der „Zwei“ in einer anderen Zone warten. Sobald der Ball erobert wird, soll in diese Zone zu den zwei Mitspielern verlagert werden. Die vier Gegner in der aktuell aktiven Rondo-Zone sollen das verhindern. Schaffen sie es nicht, müssen sofort zwei Spieler in die gegnerische Zone sprinten und ihrerseits versuchen, den Ball zu erobern.
Die zwei Spieler in der anderen Zone können sich also immer etwas ausrasten, müssen aber den Ballgewinn antizipieren und sich in ihrer Zone schon so anbieten, dass direkt sauber verlagert werden kann. Sie sollen dann im Idealfall direkt ablegen, dem Pass die Geschwindigkeit rauben und danach in einem eigenen, passenden Tempo den Ball zirkulieren lassen und das gegnerische Pressing umspielen. Das kann man auch in größeren oder mit mehreren Gruppen oder mit mehreren Zonen praktizieren, abhängig vom genauen Trainingsziel und der Anzahl der Spieler.
Ein anderes Beispiel für eine in eine Spielform verpackte Situationsübung ist das antizipierende Herausrücken von Abwehrspielern und Kombinationen unter Druck von (meist offensiven) Mittelfeldspielern.
Jagende Abwehrspieler und Engenkombinationen im Quadrat
Diese Übung besteht aus zwei Quadraten unterschiedlicher Größe, die ineinander liegen. Als Basis dient ein sehr großes Quadrat, in welchem ein kleineres Quadrat liegt. Im kleineren Quadrat wird ein Vier gegen Vier auf Ballhalten gespielt, wo die Spieler sich unter Druck behaupten und kombinieren sollen. Das zweite Quadrat ist deutlich größer und erzeugt einen Rand um das kleinere Quadrat herum. Außerhalb des zweiten Quadrats stehen vier weitere Spieler, die jeweils eine der vier Linien abdecken.
Verlässt der Ball beim inneren Vier gegen Vier das Feld, sollen die äußeren vier ihn in der „Randzone“ abfangen. Das verlangt nicht nur ein dynamisches und passendes Herausrücken in die Randzone (was das folgende Passspiel erschwert), sondern auch antizipative Bewegung entlang der Linie, das Vorausahnen der groben Richtung des Fehlpasses und ein gutes Stellungsspiel.
Schaffen sie es den Ball in der Randzone abzufangen, spielen sie einen direkten scharfen Pass in die Mitte. Schaffen sie es nicht, sondern kommen außerhalb erst an den Ball, dann spielen sie möglichst schnelle Pässe um das Feld herum, wo jeder der äußeren den Ball berührt. Dann spielen sie den Ball wieder in die Mitte. Die acht Akteure im Zentrum verfolgen die Bewegung, sollen mitdenken und sich möglichst frühzeitig für den Rückpass positionieren. Das verlangt wieder direktes Gegenpressing sowie Kombinationsspiel unter Druck. Alternativ können die äußeren vier in die Mitte gehen und eine Mannschaft wechselt raus (Regel hierzu natürlich festlegen).
Allerdings können Situationen auch deutlich expliziter trainiert werden als in den zwei bisherigen Beispielen.
Verschieben und Spielzüge anhand der Simulation
Mithilfe von Zonen, Linien oder auch expliziten Vorgaben können direkt bestimmte Spielzüge trainiert werden. In dieser mehrteiligen Trainingsanalyse von Guardiola sieht man zum Beispiel, dass bestimmte Angriffs- und Verteidigungsmuster direkt trainiert und immer wieder wiederholt werden können. Die Repetition soll den Spielern den Ablauf kurz eintrichtern, die Übung selbst dient meistens zur Verbildlichung bestimmter strategischer Punkte, zur Übung und Korrektor einzelner Punkte oder für eine bestimmte Gegneranpassung.
Das Grundprinzip ist immer das gleiche und relativ einfach. Man analysiert den Unterschied zwischen dem gewünschten Spielmodell und dem, was die Mannschaft bisher spielt. Die Unterschiede in den Abläufen und Mechanismen werden in eine Trainingsform gebracht, welche die Spieler zur korrekten Ausführung bringen soll. Inwieweit durchgehend solche Übungen effektiv sind, sei dahingestellt. Guardiola geht vermutlich auch darum den mittleren Weg; er baut einen riesigen Katalog solcher Situationsübungen, wiederholt sie nur einige Minuten lang, bis die Umsetzung verstanden wurde und variiert das dann in Spielformen immer wieder in dynamischerer und freierer Ausführung.
Wie man das selbst bauen kann, sieht man im nächsten Absatz.
Ein Beispiel für das Aufbauspiel
Ist zum Beispiel der Spielaufbau in den ersten zwei Linien aus der Abwehr in das Mittelfeld zu sehr fokussiert auf die Flügel, wie es die Bayern in der Anfangsphase unter Guardiola und auch früher unter van Gaal schon hatten, kann dies beispielsweise in zwei grundlegenden Methoden gelöst werden.
Ein Beispiel ist ein Trainingsspiel, entweder im Elf gegen Elf oder nur mit den relevanten Spielern, wo den Verteidigern und Mittelfeldspielern die Vorgaben in der Positionierung und Entscheidungsfindung explizit mitgegeben werden. Linien auf dem Feld, welche das Spielfeld in fünf Kanäle aufteilen (zwei Flügelzonen, zwei Halbraumzonen, eine Zentrumszone) dienen als Orientierungshilfe. Die Flügelspieler rücken flexibel in die Halbraumzonen und variieren die Position, die Mitspieler reagieren darauf. Durch bestimmte Angriffsmuster (die formationsabhängig sind) werden Räume geöffnet und Anspielstationen im Mittelfeld geschaffen.
Eine andere Variante ist eine Spielform. Ein in der Breite verringertes und in der Länge normales Kleinfeld kann zum Beispiel in einer 3-2-Formation (oder je nach Spielerzahl und Spielphilosophie in einem 2-3, 4-3 oder 4-2) mit Torwart dahinter in einem Tor von einer Mannschaft besetzte werden. Sie spielt gegen einen formativ freien Gegner mit zwei kleinen Toren, die sich in den Halbräumen des verringerten Feldes befinden. Dadurch zwingt man das aufbauende Team nicht nur zum effektiven Versperren von Räumen, Gegenpressing und Verteidigen von Distanzschüssen wie Schnittstellenpässen, sondern insbesondere zu einem zentrums- und halbraumorientiertem Aufbauspiel oder Passmustern vom Flügel, die wieder in die Mitte und Halbräume gehen. Innerhalb dieser Spielform können natürlich auch explizite Bewegungsmuster einstudiert werden, wenn es der Trainerphilosophie entspricht.
Im vierten Teil wird es um etwas abstraktere Formen gehen, die selten genutzt werden, aber besonders in anderen Sportarten gehäuft vorkommen.
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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