Trainingsformen (5) – Umdenken in der Trainingstheorie
Taktik & Theorie 26.Dezember.2014 Rene Maric 0
Immer wieder erreichen uns Anfragen, ob wir nicht Trainingsübungen oder ganze Trainingseinheiten veröffentlichen können, um Trainern einen Einblick in fremde Arbeit zu gewähren oder schlichtweg ein paar Ideen zu geben. Die Gründe für diese Suche ist der Mangel an publizierten nützlichen Übungen. Toptrainer im Hochleistungsfußball machen meist ein Geheimnis aus ihren Übungen, um keinen Wettbewerbsvorteil zu verlieren oder Einblick in die Vermittlung wichtiger taktischer Aspekte zu vermeiden.
Viele Trainingsbücher wiederum sind veraltet, stellen nur einzelne Übungen dar und erfüllen wichtige Anforderungen an ein Training nur unzureichend. Deswegen sollen in diesem kleinen Fünfteiler ein Beispiel für einzelne gute Übungen gezeigt werden, auch wenn das natürlich nicht ausreichend ist – ein Training muss in puncto Trainingssteuerung, Spielphilosophie und Eigenheiten der Spieler und des Teams immer spezifisch angepasst werden. Trotzdem könnten diese Übungen eventuell für die eine oder andere interessante Idee bei den Lesern sorgen.
In diesem Teil geht es um ein kleines Umdenken beim Erstellen von Übungsformen.
Kritik an bisherigen Übungsformen
Die meisten Übungsformen in den letzten Jahrzehnten waren überaus fragmentiert – das heißt, sie trainierten meistens nur einzelne Aspekte isoliert voneinander. Für die Fitness gab es Dauerläufe und Sprints ohne Ball, für die Technik gab es auf eine technische Komponente fokussierte Einzelübungen ohne Gegnerdruck und für die Taktik wurden bestimmte Abläufe bis zum Erbrechen wiederholt. Diese Zeit ist seit langem vorbei. Schon Helenio Herrera in den 60ern mischte alle Aspekte in einzelne Trainingsübungen, spätestens in den 90ern wurde mit Johan Cruijff und Louis van Gaal ein ganzheitlicheres Bild entwickelt.
Auch wenn sich dies immer mehr durchsetzt, sind dennoch auch in diesen Trainingsphilosophien noch einzelne kritische Punkte aus taktischer und psychologischer Perspektive enthalten. So haben Guardiola und Mourinho Trainingsübungen entwickelt, die hauptsächlich für eine gute Stimmung im Training sorgen sollen – Teambuildungmaßnahmen wie Raftingausflüge oder Ähnliches sind damit passé. Aus taktischer Sicht wird bei vielen anderen Trainern, insbesondere im Amateurbereich, aber noch nicht genug darauf geachtet für eine hohe Intensität zu sorgen.
Vielfach wird einfach in unpassenden Spielformen „drauflos trainiert“, doch bestimmte taktische Punkte werden immer wieder übersehen. Ein wichtiger Punkt ist die mangelnde Berücksichtigung räumlicher Aspekte. Darum sollte bei Spielformen auf die Raumfülle geachtet werden.
Was sind „raumvolle Spielformen“?
Grundsätzlich gibt es in jedem Bewegungsschema und jeder Formation Räume, die offen sind und/oder geöffnet werden. Alle Mannschaften werden intuitiv in diese Räume spielen oder in diese geleitet werden, wo der Druck dann erst entsteht. Im Spiel werden solche Räume aber – zumindest auf hohem Niveau – sehr schnell und sehr aggressiv geschlossen, vielfach sind es auch bewusst geöffnete Räume, um hier enormen Druck zu erzeugen. Bei raumvollen Spielformen soll dieser Effekt vermieden werden und es soll durch die Wahl der Grundformationen überall auf dem Feld enormer Druck in jeder Situation herrschen. Doch nicht nur das: Es soll auch sehr schnell und einfach Druck herstellbar sein können.
So können Formationen gewählt werden, die keine nominell offenen Räume haben und jeweils das Gegenüber spiegeln. Beispiele dafür wären ein 5-5 gegen 5-5, ein 4-4 gegen 4-4 oder ein 3-3 gegen 3-3. Bei neun Spielern pro Spiel ist ein 3-3-3 am besten und durch die drei vertikalen Linien kann auch der Raumgewinn am besten trainiert werden.
Beim Spiel 3-3-3 gegen 3-3-3 gibt es sofort und in allen Situationen Druck, der weder mit langen Bällen noch mit einfachen Pässen in offenere Räume in der ersten Linie ausgebremst werden kann. Gleichzeitig soll trotzdem nicht manngedeckt, sondern ballorientiert verschoben werden. Das Ziel ist es, dass die verteidigende Mannschaft sofort Zugriff herstellen kann, sich aber nicht darauf ausruht und versucht maximale Präsenz in Ballnähe zu erzeugen. Der Gegner hat als angreifende beziehungsweise ballbesitzende Mannschaft aber keine Möglichkeit zu flüchten, muss Räume intelligent öffnen und sehr dynamisch spielen sowie angreifen.
Die Torhüter sollen als zusätzliche Spieler ebenso eingebunden werden wie die Abseitslinie, eine hohe Kompaktheit und das Gegenpressing als taktische Mittel. Die raumvollen Spielformen trainieren also nicht nur das richtige Doppeln, das Pressing, das Öffnen von Räumen und das Spiel unter Druck, sondern zwingen die Torhüter zu verstärkter und komplexerer Einbindung.
Man kann auch Zonen aufstellen, in denen bestimmte Regeln herrschen. In einem 6×3-Feld könnte zum Beispiel die offensive Mannschaft sämtliche Zonen frei besetzen, die defensive Mannschaft hingegen müsste positionsorientiert in einer bestimmten Bewegung und Zonenverteilung agieren.
Hier würden auch das Überladen und Unterladen von Räumen stärker in den Fokus treten, was Trainer wiederum gesondert als Spielzüge beeinflussen können. Auch die Verschiebeintensität, die horizontale Kompaktheit und das vertikale Herausrücken defensiver Spieler werden nochmal fokussierter in die Übung eingebaut.
Die Konsequenz davon
Generell sollten Trainer solche taktischen Punkte nicht nur beachten, sondern bewusst strukturieren, verändern und Trainingseffekte provozieren. Bestimmte Formationen, Spielerbesetzungen oder Überzahl-/Unterzahlverteilungen können wichtige Bausteine in Spielformen sein, um Spielerentwicklungen, taktische Verhaltensmuster und die generelle Entwicklung des Kollektivs zu steuern. Auch Aspekte der Periodisierung, die im ersten Teil erwähnt wurden, können damit noch beeinflusst werden.
Generell sollte neben einem ganzheitlichen Ansatz, wo möglichst viele Aspekte im Verbund miteinander trainiert werden, auch auf die genaue Umsetzung dieses Ansatzes in den Übungen und die Bedeutung der taktischen, psychologischen, physischen und technischen Punkte beachtet werden. Eine Analyse der Trainingsübungen sollte vor dem Training ebenso stattfinden wie die Analyse des Trainings selbst danach; auf höchstem Niveau in Form von ergänzenden Videoanalysen und auf niedrigerem Niveau durch Feedback der Spieler und Besprechungen innerhalb des Trainerteams.
Fazit
Diese Serie soll weder als Fundament für eine Trainingsphilosophie sorgen, noch als unverrückbare oder grundsätzlich geltende und hocheffektive Trainingsübungen. Das Ziel war ein Einblick in unterschiedliche Formen von Trainingsübungen sowie ein Blick in etwas andere, unübliche und unorthodoxe Aspekte. Das ist nämlich häufig das größte Problem vieler Trainer im Amateurfußball: Fast schon stur werden Trainingsübungen aus dem Internet kopiert. Eigener Einfallsreichtum und Kreativität bleiben ebenso auf der Strecke wie spezifische auf das eigene Team zugeschnittene Trainingsübungen. Die Folge davon sind unpassende Übungen, welche häufig ohne Gegnerdruck und ohne Bezug auf das Fußballspiel auskommen. Besonders Technikübungen ohne Zeitdruck oder Ausdauerübungen ohne Ball sind hier als negativ zu sehen; die Zeit wäre in andere Ideen, auch wenn diese skurril sein mögen und oftmals scheitern können, besser investiert.
Rene Maric, abseits.at
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Rene Maric
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