Trainingsrevolution? Wie der „LED-Court“ der Basketballer den Fußball verändern könnte
Taktik & Theorie 17.April.2016 Rene Maric 0
In der US-amerikanischen Basketballliga, der NBA, sorgt eine neue Idee für Furore. Sogenannte „LED-Courts“ sollen Trainern bei der Umsetzung ihrer Konzepte im Training helfen. 2014 gab es den ersten solcher LED-Courts, welche u.a. auch das Tracking erlauben und somit ein starkes Werkzeug darstellen. In diesem Video gibt es eine Demonstration davon:
Auch im Fußball wäre ein solcher LED-Court prinzipiell nutzbar; und könnte bei richtiger Einbindung das Fußballspiel revolutionieren.
Belastungssteuerung
Ein fundamentaler Punkt ist die Kontrolle über die Belastung der Spieler. Mithilfe des LED-Courts und des dazugehörigen Trackings kann gemessen werden, wie intensiv die Spieler bei bestimmten Trainingsformen belastet werden. Grundsätzlich ist es möglich für jeden einzelnen Spieler zu bestimmen, wie viele Meter er in welchem Tempo gemacht hat, wie oft er beschleunigt und abgebremst hat und wie viele Pausen er sich nahm. Dies ist insbesondere wichtig für die Planung einer Saison über mehrere Jahre hinweg.
Info: Tracking bezeichnet die Erhebung aller Aktionen bewegter Objekte, meist über GPS oder spezielle Videosysteme. Dies wird normalerweise live gemacht und das Trainerteam hat direkt Zugriff auf die Daten. Je qualitativ hochwertiger das Tracking ist, desto mehr Informationen können erhoben werden (z.B. auch die Ballposition).
Hier können über die dazugehörigen Verletzungs- und Leistungsdaten die Trainings verändert und verbessert werden. Die Optimierung des Trainings, um möglichst hohe Intensität und Entwicklung zu gewährleisten, dennoch die Spieler nicht ins Übertraining zu bringen und fit zu behalten, ist eine der wichtigsten Funktionen des LED-Courts. Dies ist auch für den Erfolg der Spieler und des Teams wichtig.
Eine Verletzung kostet beide Parteien enorm viel Geld, dazu kann sich der Spieler in dieser Zeit (und bei schweren Verletzungen auch oft danach) nicht ideal entwickeln und somit sein Potenzial nicht ausschöpfen. Nicht nur dies ist für den Verein wichtig, sondern auch die Nutzung der bestmöglichen Elf – fehlt ein Spieler, ist dies nicht möglich.
Im Zuge der Belastungssteuerung, Periodisierung und Verletzungsprävention mithilfe der erhobenen Trackingdaten können auch andere wichtige Daten gemessen werden.
Leistungsdiagnostik
Nicht nur die Belastung und akute Erschöpfung des Spielers im Training kann gemessen werden; auch seine genauen Leistungswerte sind zu erheben. So kann bei den Sprintintervallen sogar angesehen werden, mit wie viel Kraft sich der jeweilige Spieler abgestoßen hat und es gibt valide Rückschlüsse aus spezifischen Situationen zu seiner Schnellkraft.
Das Training kann dann langfristig ebenfalls evaluiert werden, indem gemessen wird, wie sich die Spieler in festgelegten Kategorien und Trainingsformen entwickelt haben. Waren die Spielformen im Stande die Schnellkraft zu erhöhen? Die Antrittsschnelligkeit? Sogar weniger objektive Konzepte wie Handlungsschnelligkeit und Antizipation wären mit einem solchen LED-Court zu erheben. Beispielsweise könnte die Reaktionsschnelligkeit und Erfolgsquote eines Spielers auf bestimmte Aktionen gemessen werden. Eine Möglichkeit wäre natürlich das Betrachten von abgefangenen Pässen – schaffen die Verteidiger mehr? Laufen sie früher los, wenn der Gegenspieler den Ball passt?
All diese Faktoren können damit gemessen werden, wenn das nötige Knowhow vorhanden ist. Ein guter Programmierer im Verbund mit einem ausgebildeten Statistiker, einem Sport- und Trainingswissenschaftler sowie einem Fußballexperten könnten relevante Algorithmen programmieren, automatisieren und auswerten, um dem Trainerteam optimale Beratung über diese Aspekte zu bieten. Doch hier hören die Möglichkeiten nicht auf.
Statistische Forschung
Ein großer und unterschätzter Punkt ist, welche Möglichkeit Trackingdaten bieten. Durch die Statistik und das sogenannte maschinelle Lernen ist es möglich Informationen über das Spiel als solches zu generieren, welche taktisch-strategische Vorteile bieten können. In diesem Artikel von Grantland wurde dies anhand der Toronto Raptors besprochen. Diese entwarfen optimierte Strategien für das Defensivspiel, programmierten „Ghost-Defender“ und fanden heraus, dass die Help-Defense nicht aggressiv genug gespielt wird. Mehr Intensität und mehr Rotation zur Kompensation wäre z.B. eine Möglichkeit, um dies (ansatzweise) umzusetzen.
Mithilfe solcher Algorithmen könnten die eigenen Spieler besser bewertet, die strategische Ausrichtung auf dem Feld verbessert und das Coaching präzisiert werden. Maschinelles Lernen, ob über Entscheidungsbäume, künstliche neuronale Netze (genutzt von der DSHS Köln), ermöglicht dies. Ein Beispiel wäre das Messen von Entscheidungsmöglichkeiten in gruppentaktischen Situationen im Fußball über die Trackingdaten und der Computer zeigt, welche Entscheidungen ideal gewesen wären.
Nicht nur in der Erforschung taktischer Vorteile wären die LED-Courts nützlich; auch in der Umsetzung sind sie hilfreich.
Taktische Schulung
Wie im eingangs präsentierten Video können auf dem LED-Court auf dem Boden Visualisierungen gezeigt werden. Diese können zum Beispiel zum Ansagen von Spielzügen auf dem Feld genutzt werden. Im Basketball können die Läufe bei festgelegten Spielzügen gezeigt werden, im Fußball ist dies wegen der anderen Felddimensionen natürlich schwieriger, aber in vereinfachten kleineren Spielformen ebenfalls möglich.
Ideal wäre eine Kopplung der relevanten Abläufe an die Ball- und Mitspielerposition. Erhält zum Beispiel der Torwart den Ball, leuchten die relevanten Positionen im Spielaufbau auf, falls sie (noch) nicht besetzt wurden. Die Spieler wissen dann, welche Distanzen sie im Spielaufbau einhalten müssen und haben eine direkte Orientierung im Stellungsspiel. So können bestimmte Aufbau-, aber auch Pressingmechanismen einstudiert werden. Im Verbund mit obiger statistischer Forschung ergäbe sich ein enorm starkes Werkzeug, welches viele Traineraufgaben übernehmen könnte.
Mögliche Probleme
Allerdings ist ein solches Werkzeug kein Allheilmittel, welches alles alleine macht. Ein großes Problem ist natürlich die Unterlage. Man könnte solche Dinge in einer Halle einstudieren, aber auf Rasen gibt es banale strukturelle Probleme. Wie kann man dies auf Rasen machen? Und speziell: Wie könnte man dies preiswert umsetzen?
Dazu würde sich die Programmierung und Forschung obiger Aspekte nicht nur kostspielig, sondern enorm komplex gestalten. Es würde sehr gute Arbeit über Jahre benötigen, um dies zu schaffen. Insofern liegt dieses Gedankenspiel für den Fußball noch in ferner Zukunft. Zahlreiche Jahre werden vergehen, bevor das Interesse, die nötige Kompetenz, die erforderliche Investition und die strukturelle Möglichkeit gegeben sind.
Allerdings sollte sich der Fußball im Klaren sein, wie in US-Sportarten agiert wird und wo noch Potenzial im Fußball brachliegt.
Rene Maric, abseits.at
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