Obwohl sich die Viererkette im Spitzenfußball bei fast allen Topteams – außer einzelnen Vereinen und besonders in Italien – durchgesetzt hat, so ist im... Wieso der Libero im Amateurfußball noch genutzt wird (3)

Taktik, Theorie, TaktikboardObwohl sich die Viererkette im Spitzenfußball bei fast allen Topteams – außer einzelnen Vereinen und besonders in Italien – durchgesetzt hat, so ist im Breitenfußball nach wie vor eine andere Abwehrvariante vorherrschend. Dies ist zwar suboptimal, da der Libero einige gravierende Nachteile mitbringt, ist letztlich aber nur eine Konsequenz der Umstände und Begebenheiten im Amateurfußball. In dieser dreiteiligen Serie wollen wir darum die Ursachen kurz unter die Lupe nehmen und klären, wieso viele Trainer im Amateurfußball noch immer den Libero als unabdinglich sehen – und wieso sie teilweise damit auch richtig liegen.

Im dritten Teil konzentrieren wir uns auf Möglichkeiten der Umsetzung einer Alternativspielweise, der Klärung von möglichen Alternativen und schließen die Reihe mit einem Fazit.

Viererkette? Ja, aber …

Wie schon gesagt und allseits bekannt ist die Viererkette die Defensivformation im Spitzenfußball. Dies ist natürlich nicht ohne Grund so. Beim Spiel mit Libero hat man in gewisser Weise einen Mann weniger auf dem Platz; da alle manndecken und der Libero nicht, bleibt ein Spieler übrig. Dieser kann theoretisch einfach und beliebig auf dem Platz Überzahlen herstellen. Meistens ist dieser freie Spieler aber der gegnerische Libero, welcher aus Risikogründen bis auf einzelne Situationen relativ konservativ in puncto Aufrücken agiert und dieser taktische Nachteil sich nicht so stark auswirkt.

Auf höchstem Niveau hatte aber zum Beispiel Marcelo Bielsa enorme Probleme mit einer solchen Spielweise, da die gegnerischen Mannschaften mit der Zeit begannen sie durch Aufrücken der Verteidiger und dem Freiblocken anderer Spieler zu knacken. Dies war der Fall, obwohl Bielsa einen hochintensiven Fußball spielen ließ. Auf Amateurniveau könnte sich das Aufrücken ähnlich stark auswirken, insbesondere weil die Liberi meistens die technisch besten Akteure sind.

Darum und wegen Aspekten wie der Breitenstaffelung im ersten Band, der Flügelüberzahl im Aufbauspiel, der Möglichkeit zur einfachen und raumnutzenden Ballzirkulation ist die Viererkette eigentlich zu bevorzugen. Allerdings werden ihre Nachteile auf Amateurniveau nicht wirklich bespielt, während die Viererkette schwer umzusetzen ist, wie wir im letzten Artikel dieser Serie sahen. Der Nutzen gleicht sich an.

Die Viererkette sollte darum nur unter folgenden Gesichtspunkten praktiziert  werden:

a)      Habe ich die benötigten Spieler für diese Spielweise?

b)      Sind meine Spieler dazu im Stande diese Spielweise zu erlernen und sie auch zu akzeptieren?

c)       Kann ich meinen Spielern diese Spielweise zeitlich vermitteln?

d)      Bin ich zu einer Vermittlung der taktischen Inhalte überhaupt in der Lage?

Dazu sollte dann noch ein Konzept erstellt werden, wie genau die jeweiligen Gegner in dieser Liga strategisch bespielt werden. Es sollte beispielweise geklärt werden, wer in welcher Situation den Spieler übernimmt, wann er im Raum stehen gelassen wird oder auch wie genau sich das Aufbauspiel mit der Viererkette gestaltet. Dass dafür in den untersten Ligen die Möglichkeiten fehlen, versteht sich von selbst.

Spätestens ab der Landesliga sollte diese Defensivausrichtung allerdings zum Standard gehören. Auch in der Jugendausbildung sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass auch kleine Mannschaften ihre Spieler in Raumdeckung, ballorientiertem Verschieben und ohne Libero ausbilden. Die Änderung soll nicht von oben kommen und die Jungspieler werden dann in dieses System gezwungen (oder, noch schlimmer, können deswegen nicht in die Mannschaft rücken), sondern die Veränderung sollte langfristig von Vereinsseite über die Jugendarbeit geplant werden. Bis dahin darf man sich aber überlegen, wie man die Dreierkette mit Libero modernisieren könnte.

Moderne Liberovarianten?

Eine Möglichkeit wäre es zum Beispiel den Libero situativ zu einem Innenverteidiger zu machen. Hier würde der Libero sich in einigen Situationen nach vorne orientieren und auf einer Linie mit den beiden Halbverteidigern agieren. Dies hätte ein paar potenzielle Vorteile. Beispielsweise wäre in der Bezirksliga, wo spätestens auch die Linienrichter Verbandsschiedsrichter sein müssen, ein Spiel auf Abseits möglich, falls es als zweckdienlich und umsetzbar erachtet wird. Wichtiger ist jedoch, dass der Gegner keine Löcher für Diagonalpässe reißen kann.

Viele Mannschaften lassen einen der Stürmer (oder teilweise beide) einfach in die Mitte zum Libero schieben. Der Libero steht dann auf einem Haufen mit den zwei Manndeckern, kann nicht ordentlich absichern und es sind riesige Schnittstellen offen. Breitenstaffelung ist dann nicht gegeben, der Gegner kann relativ einfach lange Bälle auf die Flügel spielen und einfachen Raumgewinn durch die startenden Flügelverteidiger verbuchen.

Wenn der Libero sich nach vorne bewegt und den einrückenden Mittelstürmer übernimmt, kann einer der Halbverteidiger den freien Mann machen und auf seiner Position bleiben. Er blockiert dann den Passweg auf die Seite und öffnet die Schnittstellen nicht. Eine alternative Möglichkeit wäre eine verkappte Viererkette, wo der ballferne Flügelverteidiger sich immer fallen lässt, um ein ballorientiertes Verschieben zum Ball hin zu ermöglichen. Seitenwechsel wären dann weniger gefährlich und könnten abgefangen werden.

Auch formative Spielereien wie ein 1-3-3-3 oder ein 1-2-4-2-1 wären weitere Gedanken, die genutzt werden könnten, ohne den Libero aus der Mannschaft zu streichen.

Fazit

Wie in dieser Serie ausgeführt gibt es noch immer zahlreiche Gründe und Ursachen, wieso der Libero trotz theoretischer Unterlegenheit auf Amateurniveau überleben konnte und nach wie vor breitflächig genutzt wird. Noch immer hat er seine Daseinsberechtigung, auch wenn langfristig daran gearbeitet werden sollte, ein spielerisches Fundament zu schaffen in welchem der Libero nicht mehr benötigt, sondern eher als taktisches Mittel dient. Dies könnte aber problematisch werden. Es gibt kaum wirkliche Jugendkonzepte taktischer Natur bei kleinen Vereinen, desweiteren haben die Viererkette und auch die Raumdeckung einen taktischen Nachteil. Manndeckungen und Liberospiel sorgen dafür, dass man Gegentore oft einzelnen Spielern zuweisen kann.

Dadurch entwickeln sie einen Schutzmechanismus, der die beiden Konzepte davor bewahrt als Konzepte kritisiert zu werden. Bei Viererketten ist oft das Gegenteil der Fall. Hier wird zwar die Fehlpositionierung eines einzelnen Spielers oft als individueller Fehler ausgemacht, aber in der Retrospektive über eine Saison oder auch über einzelne Spiele hinweg werden die Gegentore in ihrer Gesamtheit oft auf „ja, weil wir mit Viererkette spielen und das nicht können“ reduziert. Darum ist die Viererkette im Amateurbereich leider (noch) zum Scheitern verurteilt.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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