Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (1): Lieber Marko!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballpersönlichkeiten aus allen Ligen. 

Den Anfang machen Geburtstagsglückwünsche an Marko Arnautovic:

Lieber Marko!

Du weißt es nicht – eigentlich weiß es außer dem Chefredakteur und mir niemand – aber meinen ersten Artikel habe ich einst über dich geschrieben. Veröffentlicht ist dieser allerdings nie worden. Es hieß: Blattlinie! Wir schreiben nur über Arnies sportliche Karriere und nicht über seine Eskapaden abseits des Platzes. Ich habe mich damals über deine unleidlich arrogante Art, deine mangelnde Einstellung und deine blöden Sager ausgekotzt. Es war jene Zeit, als du in Bremen suspendiert wurdest und mir klingt heute noch in den Ohren, wie Andi Herzog meinte, wenn du es in Bremen nicht schaffst, wirst du es nirgendwo mehr schaffen.

Doch Herzog und ich haben uns geirrt: Du hast es geschafft und spielst nicht als versponnener Ex-Zauberlehrling in Osteuropa, sondern als „Hammer“ in der Premier League. Am Freitag bist du 30 Jahre alt geworden und das ist für einen Fußballer ein Alter, in dem man (erste) Bilanz ziehen muss. Und, Marko, was sagst du? Es wird dir wahrscheinlich egal sein, was ich sage, ich verrate es dir trotzdem. Gleich vorneweg: Enttäuscht bin ich nicht. Du – als Fußballer und öffentliche Person (!) – bist mir persönlich schon lange gleichgültig.

Deine Karriere ist ohne Frage außergewöhnlich: Du spielst bei Kultklubs, verdienst viel und bist im Nationalteam immer gesetzt. Das ist mehr als ich je erreichen werde. Aber ich bin nicht du – das ist empirisch erwiesen. Christian Fuchs oder Stefan Maierhofer sind auch nicht du. Und eben deshalb werden sie einmal ein Gefühl empfinden, das du wohl nicht kennenlernen wirst: Das Gefühl, wie es so ist, aus seinen Möglichkeiten alles (und noch mehr) gemacht zu haben. Fuchs, Maierhofer oder Stranzl und Scharner sind im Vergleich zu dir Holzfüße, trotzdem haben sie erreicht, wovon sie einst träumten. Wenn sie Bilanz ziehen, dann können sie in den Spiegel schauen und sind stolz auf Arbeit, Qual, Eigeninitiative. Und, glaube mir, dieser Moment ist einer der  befriedigendsten Augenblicke, den es geben kann.

Ich hoffe, du fragst dich in ein paar Jahren nicht, ob mit minimalem Aufwand mehr gegangen wäre. Vielleicht horchst du irgendwann in dich hinein und überlegst, wie weit du es gebracht hättest, wenn du mehr an dir gearbeitet, mehr auf Menschen, die es gut mit dir meinten, gehört hättest.

Ich spreche nicht von deinen unüberlegten Äußerungen und Jugendtorheiten. Keine Frage, Fehler machen wir alle. Jeder ist jung und dumm. Es ist grundsätzlich das Recht jeder Generation zu provozieren, in Frage zu stellen, was die Alten gemacht haben. Das habe ich auch gemacht. Dafür hab ich verdienterweise manchmal ein paar hinter die Löffel bekommen. Ich habe darausgelernt. Manchmal. Auch du hast dich weiterentwickelt, schon lange gab es kein „Arnautl-Gate“ über Schnellfahren oder Pöbeleien in der Presse.

Trotzdem habe ich immer noch das Gefühl, es wäre bei dir mehr gegangen, wenn du deinen Beruf etwas ernster genommen hättest. Du würdest heute bei Bayern, Chelsea oder Barcelona spielen. Das glaube ich fest. Zumal dir weder Körper noch Geist einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Wie sehr hat mir Mehmet Scholl damals aus der Seele gesprochen, als er zusammengefasst gesagt hat: Du seist zwar genial, aber es gäbe an deiner Fitness zunächst so viel zu tun, ehe deine Qualität zu tragen käme. Das und deine Körpersprache haben mich oft genervt.

Denn den inneren Schweinehund zu überwinden ist zweifelsohne hart, schaffen kann das aber jeder, der will: Fuchs, Maierhofer, Scharner oder Stranzl, zum Beispiel. Deine fußballerischen Qualitäten dagegen waren ein Geschenk, das niemand bekommt, der es „nur“ haben will. Jetzt bist DU, der mit diesen besonderen Qualitäten, 30 Jahre alt und spielst bei West Ham United. Das heißt, es gibt immer noch Luft nach oben.

In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag und viel Glück für deine Zukunft wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag

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