Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief erstmals an einen Schiedsrichter.
Lieber Mehdi Mokhtari!
Du hast am Freitag geschafft, was bisweilen als unmöglich galt: Kurz vor der Halbzeitpause hast du als Schiedsrichter der Zweitligapartie AS Nancy gegen FC Le Mans das Spiel unterbrochen, weil auf der Tribüne homophobe Schlachtgesänge gegrölt wurden. Erst nachdem Spieler von Nancy interveniert hatten, beruhigten sich jene Heimfans mit hohler Birne (sowie zahlreiche Lemminge) und das Match konnte fortgesetzt werden. Aufgrund dieser Aktion habe ich mich wieder ein bisserl in den Fußball verschaut. Dieser simple Pfiff ist einer jener Golfströme in der sonst kalten, kapitalistischen Fußballwelt. Er war mutig und beweist, dass es eben doch geht.
Bezüglich xenophober Ausschreitungen erklären FIFA, UEFA und Konsorten immer wie erfolgreich sie schon seit Jahrzehnten gegen dieselben ankämpfen. Zum Drüberstreuen garnieren sie ihre Plädoyers oft mit der inhaltsleeren Phrase: „Rassismus hat im Fußball nichts verloren“. Wo hat denn Rassismus etwas verloren, wenn man fragen darf? Geht es aber um Sexismus, erscheint das Bemühen diesen Hass in den Griff zu bekommen – trotz einiger Aktionen – immer als recht halbherzig. Mehr als einmal fielen arrivierte Spieler, Trainer oder Legenden durch sexistische Sager auf. Oft hörte man den Ratschlag, ein schwuler Profi solle sich besser niemals outen. Letztendlich machten viele die stimmungsmachenden Fans zur berühmt-berüchtigten Gretchenfrage. „Man hätte ihn in den Stadien geschmäht, er wäre Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Traurig, aber wahr.“, meinte zum Beispiel Herbert Prohaska, auf die Frage, warum sich Thomas Hitzlspergers erst nach dem Ende seiner Karriere zu seiner Homosexualität bekannt hat.
Die Angst vor den Fans – sie könnte jetzt wegen deiner praktisch angewandten Zivilcourage in den Hintergrund rücken. Die Unterbrechung des Spieles war keine Erpressung, sondern ein simpler Handel: Benehmt euch, dann spielen wir für euch. Gleichzeitig war sie eine Botschaft, ja, geradezu ein In-your-face an all diejenigen, die meinen, man könne gegen Homophobie nichts unternehmen. Schon klar: Gewalt, Rassismus, Schwulenfeindlichkeit, Frauenhass sind Probleme, die unsere Gesellschaft als Ganzes betreffen. Der Fußball ist sowohl Spiegel seiner Umwelt, als auch aufgrund seiner Wurzeln in der Arbeiterbewegung härter und rauer. Ganz in den Griff wird man diese Ausfälle nie bekommen können. Oder wie „Schneckerl“ sagt: „Den einen Deppen gibt es immer.“
Lieber Mehdi, du hast jedenfalls einen wichtigen Schritt gesetzt und dafür auch körbeweise positives Feedback erhalten. So hat dir zum Beispiel die französische Sportministerin Roxana Maracineanu via Twitter gratuliert. Sie meinte, du seist deiner Verantwortung nachgekommen. Da hat sie Recht. Wollen wir hoffen, dass sich durch dein Verhalten noch mehr ihrer Verantwortung bewusst werden. Und damit meine ich die Menschen auf und neben dem Platz.
In Dankbarkeit
Marie Samstag, abseits.at
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Marie Samstag
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