Gijon lässt grüßen: Das große Problem mit den Dreiergruppen
Kommentar 12.Januar.2017 Stefan Karger 0
Am Ende war es dann keine große Überraschung mehr: Ab der Weltmeisterschaft 2026 wird die Teilnehmeranzahl von 32 auf 48 Teams aufgestockt werden. Viele Fans und Kritiker der FIFA fürchten eine Verwässerung, die zugunsten von Mehreinnahmen in Kauf genommen wird. In einigen Punkten lassen sich sicherlich Argumente für beide Seiten finden, doch die Dreiergruppen sind in jedem Fall ein Schritt in die falsche Richtung.
Den meisten österreichischen Fußballfans wird der unrühmliche Nichtangriffspakt von Gijón ein Begriff sein. Bei der WM 1982 stellten Österreich und Deutschland das Spielen ein, nachdem Hrubesch in der zehnten Minute nach einer Vorarbeit von Littbarski die 1:0-Führung erzielte. Dieses Resultat reichte beiden Teams zum Aufstieg und die Algerier, die zuvor sensationell Deutschland und Chile besiegten, sahen letztendlich durch die Finger. Die stillschweigende Absprache zwischen Österreich und Deutschland war in erster Linie möglich, da die Partie zwischen Algerien und Chile bereits über die Bühne ging und somit das Ergebnis zu Beginn des Parallelspiels feststand.
Richtigerweise war die Konsequenz nach diesem Turnier, dass bereits zwei Jahre später bei der darauffolgenden Europameisterschaft die letzten Gruppenspiele gleichzeitig angepfiffen wurden.
Seitdem gab es zwar bei Großereignissen immer wieder unglückliche Konstellationen, wie etwa bei der Weltmeisterschaft 2014, wo ein Unentschieden im Spiel zwischen Deutschland und den USA beiden Mannschaften den Aufstieg garantiert hätte. Deutschland reichte jedoch ein „Gijon“ und bezwang das Team des damaligen Trainers Jürgen Klinsmann mit 1:0. Durch die gleichzeitige Austragung der letzten Gruppenspiele reduzieren sich aber diese Fälle, da inoffizielle Absprachen meistens ineffizient sind, solange das Ergebnis vom Parallelspiel nicht feststeht.
In Dreiergruppen kann es naturgemäß keine Parallelspiele geben, die beiden Teams, die zum Schluss gegeneinander spielen haben den Vorteil, dass sie genau wissen mit welchen Ergebnissen sie aufsteigen. Da hilft auch die von der FIFA neu eingeführte Regel nur bedingt, die besagt, dass es bei Unentschieden in der Gruppenphase ein Elfmeterschießen geben soll, um Absprachen schwieriger zu gestalten. Diese Regel führt eher dazu, dass die am Papier unterlegenen Mannschaften noch defensiver eingestellt auf den Platz kommen, da die Verlockung auf eine Entscheidung im Elfmeterschießen in jedem Fall groß ist.
Gijon 2.0: Ein Rechenbeispiel
Nehmen wir als Beispiel eine fiktive Gruppe bestehend aus Kolumbien, Österreich und Ägypten an.
Österreich gewinnt im ersten Gruppenspiel mit 1:0 gegen Ägypten
Österreich verliert im zweiten Gruppenspiel äußerst unglücklich mit 2:0 gegen Kolumbien
Nach dem zweiten Spieltag sieht die Tabelle wie folgt aus:
Mannschaft | Punkte | Tordifferenz |
Kolumbien | 3 | +2 |
Österreich | 3 | -1 |
Ägypten | 0 | 0 |
Nun würde im dritten Gruppenspiel ein 1:0-Sieg von Ägypten gegen Kolumbien sicherstellen, dass Österreich auf dem dritten Tabellenplatz landet und als einziges Team in der Gruppe die Heimreise antreten muss.
Mannschaft | Punkte | Tordifferenz |
Kolumbien | 3 | +1 |
Ägypten | 3 | 0 |
Österreich | 3 | -1 |
Niemand sagt, dass Kolumbien absichtlich mit 1:0 verlieren wird, sollten die beiden Teams allerdings mit diesem Spielstand in die Pause gehen, dann wird man sich auf eher langweilige 45 Minuten einstellen können. Wer das nicht glaubt, der möge sich in solchen Fällen die Live-Quoten der Wettanbieter ansehen, dass kein weiteres Tor mehr fällt. Reich wird man mit dieser Wette nämlich nicht.
Wie oben bereits erwähnt besteht auch bei Vierergruppen die Möglichkeit, dass es aufgrund unglücklicher Konstellationen zu Nichtangriffspakten kommen kann. In Dreiergruppen wird man jedoch wesentlich häufiger auf diese ungewünschten Szenarien stoßen. Dass 48 statt 32 Teams antreten werden, wird dem Fußballsport vermutlich nicht wirklich schaden – dass es aber durch diesen Modus zwangsläufig zu stillschweigenden Absprachen beziehungsweise Nichtangriffspakten kommen wird, kann für das weltweite Image unseres Lieblingssports nicht förderlich sein.
Stefan Karger, abseits.at
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Stefan Karger
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