Knapp daneben ist auch vorbei – Eine Meinung
Kommentar 13.Oktober.2013 Marie Samstag 5
Wieder einmal nicht dabei. Die vierte WM in Folge werden die österreichischen Nationalteamkicker vor dem Fernseher verbringen um ihren Berufskollegen auf die Beine zu schauen.Nach der 1:2-Niederlage gegen Schweden ist eine Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien nun unmöglich geworden. Alaba und Co. waren wie die österreichischen Fans maßlos enttäuscht. Ich ebenso.
Vorrausschickend muss ich zugeben, dass für mich das österreichische Nationalteam lange Zeit eigentlich eher unbedeutend war.
In meinen Jugendtagen…
Als Kind habe ich den ÖFB-Länderspielen noch vermehrt Beachtung geschenkt. In den 90ern freuten wir uns noch, wenn die ÖFB-Kicker die Amateure aus Liechtenstein mit einer „Schrauben“ ins Fürstentum zurückschickten. Wir „Naivlinge“ ahnten damals nicht das solche Siege eher einflusslos sind.
Meine restliche Kindheit und Jugend fiel in eine für das A-Team schlechte Zeit: Die WM in Frankreich 1998 erlebte ich nur am Rande, das 0:9 gegen Spanien blieb mir schon bewusster in Erinnerung. Danach erduldete ich den immer selben „Strudel“: Hoffnungsvolle Siege und mühsam errungene Unentschieden wechselten sich mit häufigen Niederlagen ab. Garniert wurde das ganze „Theater“ mit zuversichtlichen Sprüchen à la „Wir sind auf einem guten Weg.“ und dem All-Time-Klassiker „Es ist noch zu früh, man muss diesem Team Zeit geben.“
Dieser Satz war besonders beliebt, wenn wieder einmal die Qualifikation für ein Großereignis nicht geschafft wurde. In die EM 2008, bei welcher wir als Gastgeberland gnädig mitmachen durften, setzte ich keinerlei Hoffnungen.
Bei allem Respekt, ich wusste damals schon, dass mit Katzer, Standfest, Aufhauser, Kienast und Co. keine Spieler auf dem Platz standen, die Teams, die die Qualifikation wirklich überstanden hatten, das Fürchten lehren würden. Auf „Lucky punches“ hoffte ich trotzdem. In der Retrospektive muss man auch zugeben, dass sich die ÖFB-Jungs wirklich ins Zeug legten und sich tapfer gegen Niederlagen stemmten. Spielerisch konnte dieses Team aber einfach nicht mithalten. Es kam wie es kommen musste und das Ende der EM muss ich wohl nicht lang und breit thematisieren.
Wenn Realität die Satire übersteigt
Es gibt wenige Dinge, die mich wirklich zur Weißglut bringen. Die Strukturen innerhalb des ÖFB gehören aber definitiv dazu. Ich sollte besser sagen, das Fehlen irgendwelcher Strukturen ist ein Reizthema für mich. Man muss kein „Insider“ sein, um zu wissen, dass es im österreichischen Verband viel zu wenig Macher mit sportlichem Fachwissen gibt. Einen „Postenschacher“, der auf politischer Ebene sogar im „Kaisermühlen Blues“ hinreichend karikiert worden ist, gibt es selbst im österreichischen Sportwesen. Dazu fehlen international übliche professionelle Perspektiven, der ÖFB wirkt im weltweiten Vergleich wie ein Leiterwagen auf der Formel 1-Strecke.
Viele hohe Herren des ÖFB unter der Führung Willi Ruttensteiners scheinen von der Materie teilweise so viel Ahnung zu haben, wie ich von Kernphysik. Nachdem Hickersberger 2008 wieder einmal gescheitert war, wünschten sich besagte Funktionäre einen Trainer aus dem Ausland: Karel Brückner, der weiße Riese aus Tschechien, war für den Verband der richtige Mann.
Der End-Sechziger schien aber am nationalen Geschehen nicht so viel Interesse zu haben, sondern verlegte seine Spielvorbereitungen auf „DVD-Studien“ in Olmütz. (O-Ton Peter Pacult)
Wie der Herr, so des Gscher
Didi Constantini sprang als „Feuerwehrmann“ nach Brückners Intermezzo 2009 in die Bresche. Der Tiroler kannte den ÖFB-Verband und hatte sich an den dort herrschenden „usus“ schon angepasst: Persönliche Eitelkeiten dürfen ruhig gelebt werden.
Seine besondere „Beziehung“ zu einem in Mainz wiedererstarkten Andreas Ivanschitz war lange Thema in den Medien. Didi antwortete damals auf die Frage, warum er den Mittelfeldspieler nicht wieder ins Team einlade: „Mei Tochter hot g’sogt der „burnt“ net.“ Na, wenn das so ist, hoffe ich, dass Heinz Fischers Enkelin Julia nicht eines Tages Russland angreifen möchte …
Der Fisch fängt beim Kopf an zu stinken und diese Art von Rhetorik gegenüber den Medien macht den ÖFB zu einem Kabarettfilm à la Schlabarett. Ich erspare mir an dieser Stelle weiter „Schmankerln“. Man erinnere sich nur an den „Kaperl“-Sager eines Manfred Zsak.
ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner spie 2011 bei der Teamchef-Diskussion im ORF Feuer. Die Heftigkeit seiner Gefühle überspielte allerdings nicht den (Nicht)-Inhalt seiner Aussagen.
Und täglich grüßt das Murmeltier: „Das Spielerpotential bei uns wird immer besser […] natürlich ist die Erfolgsbilanz […] nicht gegeben.“
Die großartige Nachwuchsarbeit mit der sich der ÖFB immer rühmt, kann offensichtlich in der Schweiz (etwas weniger Einwohner als Österreich) besser gemacht werden. 1999 war Österreich noch 17. in der Weltrangliste, heute nennen wir Platz 68 unser Zuhause. Was ist passiert? Was wurde verabsäumt? Gustav Mahler sagte: „Wenn die Welt untergeht, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles 50 Jahre später.“
Gilt dies auch für den ÖFB, einen kopflosen Verband? Auch andere Sportler haben die Zustände in ihren jeweiligen Bereichen kritisiert: Thomas Muster beim Tennis, Dinko Jukic beim Schwimmen. Sie sprachen von Verbandsleuten an den Schalthebeln der Macht, denen „Sightseeing“ bei den entsprechenden Wettkampfstationen wichtiger war, als der Ehrgeiz sportlich etwas zu erreichen.
Besteht ein generelles Mentalitätsproblem? Wenn man betrachtet, wie viele österreichische Jungtalente auf dem Weg zum Profisportler scheitern, könnte man das fast meinen. Die österreichische Gemütlichkeit beim Arbeiten sei Faulheit, sagte Hermann Göring. Gut, den beinahe 100kg schweren Kriegsverbrecher wollen wir uns wirklich nicht als Vorbild herauspicken. Es stimmt aber, dass der Österreicher sich mit wenig zufrieden gibt.
Auch die Teamspieler schienen früher nicht wirklich unglücklich, wenn sie mal wieder ein Spiel in den Sand gesetzt hatten. Niemand schlug so richtig auf den Tisch, sogar die Medien schrieben gewisse Spiele schön. Immer wieder hörte man: „Wir sind besser als unser Ruf.“
Garics, Dragovic, Alaba, Junuzovic: Einige der gestern auf dem Platz stehenden Akteure kommen aus Immigrantenfamilien. Sind diese einfach bereiter zu kämpfen und sich zu quälen? Eine derartige Liste kann mit Korkmaz, Gorgon, Kavlak und vielen weiteren fortgeführt werden. Arnautovic, der immer noch zu wenig aus sich herausholt, lassen wir einmal außen vor.
Apropos Arnautovic: Gestern war der Floridsdorfer wahrlich der Unschuldige, als der er sich gerne darstellt: Das Foul an ihm war rüde und der darauffolgenden „Kopfstoß“, der übrigens von Elmander selbst ausging, fand eigentlich nicht statt. IKEA-Regale fallen eben manchmal auch ohne Zutun auseinander.
Videobeweis, wo bist du? Diese grobe Unsportlichkeit des Schweden müsste eigentlich posteriori vom Ethikreferat der FIFA bestraft werden.
Besser als je zuvor
„Schneckerl“ Prohaska hat Recht: Die gestrige erste Hälfte war sensationell gut. Leider schlich sich nach der Pause wieder der österreichische Schlendrian ins Team.
Das A-Team braucht keinen Mentalcoach sondern einen MENTALITÄTScoach: Die Nationalmannschaft muss konstant auf internationalem Niveau spielen und damit kann nur das Tempo und die Spielsicherheit von Hälfte eins gemeint sein.
Die individuelle Qualität der Spieler ist im Gegensatz zu vielen vorherigen Generationen auch endlich vorhanden: Vor Jahren wurde im Kurzsport noch berichtet, wenn Marcus Pürk bei 1860 München durchgespielt hat, heute fehlt dafür Gottseidank die Zeit. Denn es stehen so viele Österreicher wie noch nie außerhalb ihrer Heimat am Feld. Der Großteil der heutigen Spieler verdient sein Geld bei wirklichen Top-Klubs und aufstrebenden Vereinen, von denen man den Sprung in noch höhere Sphären schaffen kann: Schalke, Kiew, Nijmegen, Bremen, Beşiktaş, Aston Villa etc. Not to mention: Fußballmessias Alaba, der bei den Bayern aktiv ist.
Teamchef Koller passt in dieses Gefüge hinein. Der Schweizer ist ein wirklicher Fachmann und wirkt trotz allem menschlich. Er weiß, wie man mit jungen UND mit erfahrenen Spielern umgeht und ist nah am Geschehen. Gründlichkeit und Präzession hat er zumindest ansatzweise bereits ins Team gebracht, auch wenn es noch Arbeit gibt.
All diese Zutaten machten den Eintopf der gestrigen Niederlage noch bitterer: Die geplagten Nationalteam-Fans, die sonst sehr hart mit dem Team in die Kritik gehen, waren großteils einfach nur enttäuscht. Wer die User-Meinungen im Austrian Soccer Board liest, erkennt jedoch einen mehrheitsfähigen Grundkonsens: Schade, gute Leistung und Koller soll an Bord bleiben, heißt es.
Auch ich muss das tägliche Murmeltier noch einmal „durchschütteln“ und sage abschließend: Es war wirklich, wirklich knapp, aber diese Mannschaft gibt doch Hoffnung.
Marie Samstag, abseits.at
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