Kommentar | Der SV Mattersburg am Scheideweg
Kommentar 25.Oktober.2013 Benjamin Doppler 4
Vor gut einem Jahr stellten wir uns die Frage, „Quo vadis, SV Mattersburg“ – also „wohin gehst du?“ – und nun wäre es Zeit zu bilanzieren.
Status quo
In dem einen Jahr änderte sich kaum viel. Lediglich die Liga ist neu, zwischenzeitlich ließ man sich sogar auf einen neuen Trainer ein. Punkto Medien, Fanarbeit und Spielweise änderte sich nichts – unter Tatar war man jedoch auf einen guten Weg, diese Dinge zu ändern. Doch alles der Reihe nach:
In Sachen Kommunikation über die Medien konnte man marginale Änderungen erkennen. Es werden nämlich die Fans relativ zeitnah von Verletzungen informiert, etwa im Falle von Bürger und Seidl. Dies ist wichtig, damit der Fan auch weiß, was los ist und warum er dann diese verletzten Spieler nicht auf dem Platz sehen kann. Ein medialer Notstand herrscht aber weiterhin in den sozialen Medien im Internet. Der benachbarte Verein SC Wr. Neustadt rief unlängst zu einer medialen Offensive aus und bietet einen tollen Fan-Service als kleinerer Verein. Genau das krasse Gegenteil ist in Mattersburg zu finden. Man ist weder auf den sozialen Medien unterwegs, noch verteilt man regelmäßige Zuckerl, wie etwa Gewinnspiel-Aktionen, an die Fans. So ist auch der massive Zuschauer-Rückgang erklärbar. Bis auf die eingeladenen Kinder der Volkschulaktion, findet man kaum Fans der jüngeren Generationen. Lediglich die betagten Fans pilgern wie gewohnt weiterhin ins Stadion, aber nur wegen der Gesellschaft, da sie dort ihre Freunde und Bekannte bei Stadionsathmosphäre treffen können. Bei gelungenen Aktionen wird kaum geklatscht, man hat das Gefühl, den Fans ist die Partie egal.
Man hat es ganz klar verabsäumt weiterhin für einen Fanzulauf zu sorgen, nun zeichnet sich gähnende Leere ab und die Fans haben mittlerweile keinerlei Interesse mehr am ehemaligen burgenländischen Vorzeigeverein. Die Missernte der nicht vorhandenen Fanarbeit wird aber noch schlechter ausfallen, wenn dann selbst die treusten Fans den Verein den Rücken kehren. In diesem Punkt hat man ganz klar die Hausaufgaben nicht gemacht und nicht mal das Mindeste gemacht.
Kuriose Personalentscheidungen
Nach der hoffnungsvollen Trainer-Bestellung von Alfred Tatar, setzte man der Mannschaft unverständlicherweise wieder den Abstiegstrainer vor. Die Mannschaft selbst war über die Entlassung von Trainer Tatar bestürzt, da sie wussten, dass er kaum Mitschuld an der Misere trug, doch als man Franz Lederer – wenn auch angeblich nur zwischenzeitlich – wieder zum Cheftrainer beorderte, konnte man Missgunst aus Spielerkreisen erfahren. Ein Trainer, der von der Mannschaft kaum akzeptiert wird, hat auch keine Chance auf Erflog. Es wäre daher besser gewesen, Lederer den Posten des Sportdirektors ausüben zu lassen und stattdessen eine andere Person interimistisch zu installieren. Zu erwähnen wäre da allemal der Name Heinz Griesmayer, der seit Jahren hervorragende bei den Amateuren vollrichtet und auch einen guten Draht zu den Spielern hat. Es wäre daher ein weitaus bessere Entscheidung gewesen, ihm wenigstens die Chance zu geben, anstatt den nicht-akzeptierten Lederer abermals zum Trainer zu beordern.
Doch man hört aus dem Vereinsumfeld, dass sowieso Trainer Lederer kaum Mitspracherecht in vielen Dingen, etwa in der Aufstellung hat. Diese Dinge bestimmt so laut übereinstimmenden Meldungen Vereinsboss Pucher. Daher wird auch klar, wie es Ilco Naumoski zu so vielen Einsätzen trotz Anti-Leistungen brachte. Spätestens als Naumoski in einem Interview mit sport10.at sich regelrecht Pucher vor die Füße warf und ihm sogar versprach, ihm als Chauffeur bereitstehen zu würden.
Leistungsunabhängige Personalentscheidungen
Dass solche Dinge inakzeptabel sind, dürfte wohl klar sein, doch man sollte sich auch die Frage stellen, wer noch aller zu den Lieblingen des Herrn Pucher zählt und sich in die Aufstellung schummelt. Weiters üben sich solche Freunderlwirtschaften massivst auf die anderen Spieler aus, deren Vision des Leistungsprinzips dadurch völlig zerstört wird. Dass dann diese Spieler nicht mehr hundert Prozent für den Verein geben, sei daher auch verständlich. Mit solchen kuriosen Machtverhältnissen lässt sich kein Verein erfolgreich führen.
Fernab von leistungsunabhängigen Personalentscheidungen, präsentiert sich die Mannschaft auch nach dem Tatar-Abgang in einem desolaten Zustand. Die Spieler sind psychisch merklich am Ende, ihnen unterlaufen haarsträubende Fehler und sie zeigen auch kaum einen Willen, unbedingt was an ihrer Situation zu ändern. Unter Tatar hat man dies stets gesehen – die Spieler kamen oft in einer Partie zurück und fighteten bis zum Schluss und ließen auch nach 3 schnellen Gegentreffern kaum nach. Unter Lederer wirken die Spieler wie wandelnde Geister, da halfen auch die vielen harten Standpauken des Herrn Pucher nichts, sie dürften wohl eine drastische Verschlechterung der Psyche verursacht haben. Es sollte aber auch die Aufgabe eines Trainers sein, eine Mannschaft – mit sanften oder gegebenfalls auch harten Tönen – wieder aufzurichten. Das sollte auch der Sinn einer Trainerentlassung sein. Man versucht einen neuen Impuls zu setzen und einen neunen Trainer, der unbedarft und unvoreingenommen zur Mannschaft stößt, zu holen. Dann spricht man vom sogenannten Trainereffekt, der unter Lederer aber in keinster Weise eintritt – im Gegenteil, seit Tatars-Abgang hat sich die Situation in zwei Spielen stark verändert. Allein das Heimspiel gegen Nachzügler Horn offenbarte brutale taktische Defizite und psychische Missstände.
Hoch, höher, am Höchsten, SV Mattersburg
Man fiel in ebenjener Partie in das äußerst erfolglose Spielmuster wie früher. Mit hohen Bällen versuchte man Tore einzuleiten. Doch daran scheiterte man kläglich, da der Gegner sich darauf schnell einzustellen wusste und zum anderen weil einfach keine Flanke präzise genug an den Mann gebracht werden konnte. Auffallend sind aber die zahllosen hohen Bälle, die von der Abwehr nach vorne gedroschen werden. Kurze Pässe oder geschweige denn organisierter Spielaufbau sind nicht vorhanden. Dieses Spielkonzept hat man schon seit Jahren erfolglos praktiziert, mit ihr stieg man sogar letzten Endes auch ab und nun versucht man mit ihr wieder Erfolg zu haben. Ein Widerspruch.
Es wäre daher wichtig, einen Trainer zu bestellen, der scheinbar auch eine Ahnung von Taktik hat und ihm auch die nötige Zeit gibt, eine Mannschaft zu formen. Eine derart eingespielte Truppe wie die des SV Mattersburg ändert man nicht von heute auf morgen und bringt ihr nebenbei eine erfolgreiche und moderne Spielweise bei. Dies ist ein langer Prozess, der nun mal viel Geduld und Zeit braucht. Alfred Tatar wurde keine Zeit und Geduld entgegengebracht – im Vergleich dazu durfte Franz Lederer Niederlage um Niederlage einfahren, ohne auch nur den geringsten Druck von Pucher zu bekommen. Aber gut, glaubt man den vielen einstimmigen Insider-Meldungen, war es ja auch nicht Lederer, der die Mannschaft auf den Platz schickte.
Es bleibt nun also zu hoffen, dass der SV Mattersburg – in der Person von Vereinsboss Martin Pucher – einen fähigen Trainer holt, der genug Zeit bekommt, die Mannschaft wieder zurückzuführen – ehe ein Regionalligist eine sündteure und hochmoderne Akademie besitzt.
Benjamin Doppler, abseits.at
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