Groß war die Erwartungshaltung wohl nicht nur beim Autor dieser Zeilen. Zur feierlichen Stadioneröffnung in Niederösterreichs Hauptstadt St. Pölten wurde mittels Freikarten, teils auch... Kommentar | Ein erster Besuch in der neuen „NV-Arena“ – Chance vertan?

Groß war die Erwartungshaltung wohl nicht nur beim Autor dieser Zeilen. Zur feierlichen Stadioneröffnung in Niederösterreichs Hauptstadt St. Pölten wurde mittels Freikarten, teils auch mittels Kartenverlosung geladen, ein Miniturnier mit den Gastgebern, dem tschechischen Spitzenklub Sparta Prag und dem SK Rapid lockte. Und die ersten Eindrücke waren auch durchwegs positiv: bei sonnig-heißem Wetter war der erste Blick auf die nach einem Sponsor benannte NV-Arena durchaus beeindruckend. Offen und familienfreundlich, so lautete das Motto, Begriffe wie nachhaltig und ökologisch hörte man im Lauf des Tages ebenfalls mehrfach. Hätte man es nur beim Abfotografieren der Außensicht belassen…

Vom Winde verweht

Die erste Erkenntnis beim Betreten der Arena war schon mal: „Komisch, dass man drei Stunden vor Anpfiff im Sektor eingesperrt ist. Warum kann man nicht innen einen Rundgang machen und die anderen Bereiche des Stadions, kennenlernen?“ In anderen Arenen wie Auf Schalke oder in München ist das sogar im echten Spielbetrieb möglich. Muss wohl am Ruf der Rapid-Fans liegen, dass man „wie üblich“ im Käfig eingesperrt wird. Wenigstens war keine Polizei im Schildkrötenpanzer zugegen.

Nächste Erkenntnis: „Da zieht’s wie in einem Vogelhäusel.“ Optisch ansprechend, wie gesagt offen und familienfreundlich, aber in einem Windloch wie St. Pölten leider an einem elementaren Bedürfnis der Fans ganz knapp vorbeigeplant. Da hatte ein Architekt sicher eine gutgemeinte Idee, gewinnt vielleicht sogar einen Design-Preis dafür, aber praktikabel für die 8.000 da drinnen ist es nicht. Bei 30 Grad noch erfrischend abwechselnd zur Bruthitze, bei 19 Grad am späteren Abend bereits empfindlich unangenehm, wenn einem der Wind ständig in Genick und Rücken bläst. Wie das im Dezember oder im Februar auszuhalten ist, mag man sich gar nicht ausmalen. Ein Sitznachbar formulierte es treffenderweise so: „Was ist der Unterschied zwischen der NV-Arena und der ersten Reihe im Kino? Keiner, nach zwei Stunden hast dort und da ein steifes Gnack.“ Den feinen Herren in der VIP-Lounge kann so etwas weder auffallen noch passieren, die sitzen je nach Wetterlage ja windgeschützt im Klimatisierten oder im Warmen. Der gemeine Fan hat es halt wie üblich auszubaden bzw. auszuhalten.

Chaos bei der Gastronomie

Wirklich heftig wird es aber erst, wenn wir uns der stadioneigenen Gastronomie widmen: was hier an Dilettantismus abgezogen wurde, ist mit negativen Superlativen gar nicht in Worte fassen. Der Euro wurde (wohl als Vorbote zur wirtschaftlichen Lage) als direktes Zahlungsmittel gleich mal abgeschafft – eine Prepaidkarte musste in einem mühsamen Prozess erworben werden. Dass zwei Euro Pfand vom Guthaben für den Karteneinsatz schon mal abgebucht werden, wurde nicht allen Fans erklärt – dazu später mehr. Das Wunschdenken der Veranstalter, dass damit die Speisen- und Getränkekäufe so schnell und effizient wie möglich abgewickelt werden, war von der Realität so weit entfernt wie eine österreichische Mannschaft vom Erreichen des CL-Finales. Endloses Anstellen für ein Bier, im Durchschnitt 30-45 Minuten, vereinzelt hörte man sogar von mehr als einer Stunde Anstellzeit. Das Personal war schon beim Zapfen von zwei Bieren gleichzeitig heillos überfordert, kannte sich anscheinend auch nicht 100%ig mit dem neuen EDV-System aus. Durch einen Systemabsturz waren manche Guthaben auf den Karten verschwunden, was zu großem Unmut, hitzigen Diskussionen und Schreiduellen führte. Andere wieder wurden vom Abbuchen des Kartenpfandes überrascht und konnten die gewünschte Bestellung nicht zur Gänze platzieren. Einem Fan fehlten satte 20 Cent, die er der Kassiererin in bar geben wollte: „Nein, ich darf kein Bargeld nehmen, sie müssen statt eines Krügerl ein kleines Bier nehmen.“ Wie zum Hohn stand beim Imbissstand eine Plastikbox, auf einem Pappendeckel im Inneren stand: „Unser Trinkgeld. Danke.“ Leider verirrte sich nicht mal eine 1-Cent-Münze hinein.

Prepaid-System funktioniert nicht

Den generell angemessenen Preisen standen leider weitere Enttäuschungen entgegen. Bei einer Sitznachbarin war ein Würstel heiß, das andere eiskalt (wie geht so etwas eigentlich, war doch beides in demselben Wasser), das Bier aus Unterradlberg war erstens zu warm und zweitens eine Beleidigung für den Gaumen, der Radler (wieder aus Unterradlberg) sowieso eine Zumutung. Ein etwaiges Prepaid-Guthaben durfte man nach dem Spiel bei den Kassen wieder in Bargeld umwandeln. In Summe hatte man für den Kauf eines einzelnen Bieres mit insgesamt sechs (!!!) verschiedenen Personen Kontakt, normal reicht einer und es dauert keine fünf Minuten. Draußen wieder elendslange Schlangen, nichts geht weiter. Einem Fan wurden zwei Euro zu wenig rausgeben, Diskussionen halfen nichts, „weil das System zeigt den Wert an, da können wir nichts machen.“ Dasselbe System, das bei anderen Leuten kein Guthaben angezeigt hat, obwohl sie 15 Minuten vorher mit 20 Euro aufgeladen haben. Da hatte wohl wieder jemand eine gutgemeinte Idee, viel wahrscheinlicher hat aber wohl jemand einfach nur einen Haufen Geld mit diesem Schwachsinn verdient, wäre in Österreich ja nicht das erste Mal gewesen und wird auch mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein.

Peinliches Vorprogramm

Kommen wir zu dem, was sich auf dem Rasen abgespielt hat. Die tanzenden Akrobatinnen mussten ihre schweren und unhandlichen Schaumstoffmatten selbst raus- und wieder hineintragen, dass hier ein paar starke Herren den jungen Mädchen nicht geholfen haben, war schon mal die erste Peinlichkeit. Die Fans von Sparta Prag wurden auf Deutsch gefragt, wo sie denn seien, für manche überraschend war kein Klatschen und kein Jubeln zu hören. Mit der Ankunft von DJ Ötzi korrelierte die Landung eines Bundesheerhubschraubers (hat der ihn gebracht?), der „Star“ legte eine Playback-Darbietung von drei Liedern hin und zog wieder von dannen, auf den Rängen hallten die ersten „Wir wollen Rapid sehen“-Sprechchöre. Die Intonation von Landes- und Bundeshymne durch eine junge niederösterreichische Sängerin war eine Beleidung für die Ohren, was bei US-amerikanischen Sportveranstaltungen erhaben-pathetisch klingt, war hier die nächste Peinlichkeit. Ein Sturm der Empörung samt Buhrufen und Pfiffen von großen Teilen des Stadions kam auf, als die Bundeshymne in der neuen, „gegenderten“ Version zum Schlechtesten gegeben wurde. Beim Auftritt von Politik und Kirche musste man Sätze wie „Dieses Stadion ist für Generationen gebaut“ (warum nicht gleich für die Ewigkeit) oder „Ich träum von einem Meistertitel und davon, dass der SKN St. Pölten gegen Barcelona in der Champions League spielt“ (na genau, träum weiter) über sich ergehen lassen. Wem nach dem Bier noch nicht schlecht wurde, jetzt war der richtige Zeitpunkt dafür. Es werden übrigens noch Wetten angenommen, wann die Arena in „Erwin-Pröll-Stadion“, bereits jetzt der inoffizielle Name, umgetauft wird.

Hofmann erzielt den ersten Treffer

Frenetischer Applaus kam erstmals auf, als Rapid-Legende Antonin Panenka auf den Rasen kam und in der Folge seinen legendären Elfer-Lupfer vom EM-Finale 1976, diesmal gegen Wolfgang Knaller, wiederholte. „Genau wie der Pirlo“, meinte ein 16jähriger, er konnte ja nicht wissen, dass der Erfinder des Lupfers auf dem Grün steht.

Zum Abschluss noch zum sportlichen Auftritt von Rapid, über den Rest soll der Mantel des Schweigens gehüllt werden: das erste Tor in der neuen Arena durfte Steffen Hofmann mit einem herrlich gezirkelten Freistoß erzielen. Sparta Prag gelang in der Folge noch der Ausgleich nach einer Unachtsamkeit in der Rapid-Abwehr. Die Grünen spielten hinten kompakt, aber teilweise zu langsam heraus und hatten auch in Laufduellen mit Sparta-Angreifern immer wieder das Nachsehen. Nach vorne wurde beherzt gespielt, aber ohne den nötigen Nachdruck. Boyd vergab eine 100%ige Chance, als er aus fünf Metern völlig freistehen den Sparta-Tormann anköpfte. Auf die Halbzeit gegen St. Pölten wurde dann wegen beginnender Erfrierungserscheinungen verzichtet.

Fazit

In Summe hätte man in der Landeshauptstadt nicht nur ein optisch Ansprechendes, sondern auch funktionales Stadion errichten können, in dem sich der Fan in jeder Hinsicht wohl fühlt und seine Mannschaft begeistert anfeuert. Diese Chance wurde leider vertan. Bei der Gastronomie ist ebenfalls noch gewaltiges Verbesserungspotential, um die Fans nicht dauerhaft zu vergraulen. Es wäre schade, wenn sich in diesem 26-Millionen-Euro-Bau im Schnitt nur 1.500 Leute verirren würden.

Provo Kant, abseits.at

Provo Kant

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