Da war die Katze aus dem Sack. Zwölf europäische Vereinsmannschaften kündigten am 18.04. 2021 an, dass sie sich zu einem Wettbewerb namens „The Super... Kommentar: Gier frisst Hirn

Da war die Katze aus dem Sack. Zwölf europäische Vereinsmannschaften kündigten am 18.04. 2021 an, dass sie sich zu einem Wettbewerb namens „The Super League“ zusammenschließen werden. Gegen diese Pläne formierte sich ein breiter Widerstand und das Kartenhaus fiel nach und nach zusammen.

Champions of the world

Blicken wir zunächst zurück ins Jahr 1954. Der Wolverhampton Wanderers Football Club installierte als erster Verein im Jahr davor eine Flutlichtanlage und lud neben dem gewöhnlichen Meisterschaftsbetrieb einige Teams aus dem Ausland ein. Zu Gast waren neben Spartak Moskau (4:0) und Maccabi Tel Aviv (10:0) übrigens auch die Vienna, die gegen die Engländer ein beachtliches 0:0-Unentschieden erkämpfte. Am 13. Dezember 1954 war Honved Budapest zu Gast und die Wolves wollten die Ehre der Engländer wieder herstellen, nachdem die Nationalmannschaft im Vorjahr zuhause mit 3:6 gegen Ungarn verlor und in den Grundfesten erschüttert wurde. Dementsprechend wurde auch der 3:2-Sieg bejubelt und die Daily Mail ernannte die Wolves am darauffolgenden Tag zu den „Champions of the world“. Für die englischen Fußballfans stand nach dem Sieg fest, dass das Mutterland des Fußballs die Nummer 1 blieb und dass die 3:6-Niederlage ein einmaliger Ausrutscher war.

Zu dieser Zeit war Gabriel Hanot einer der angesehensten Journalisten in Europa. Zusammen mit seinem Arbeitgeber L´Equipe lud er 15 Vereine ein, um sie für einen europaweiten Wettstreit zu begeistern. Er stieß auf offene Ohren, da die Klubs ohnehin auf der Suche nach Einnahmequellen waren und so wie die Wolves unter der Woche Freundschaftsspiele organisierten. Nur wenig später wurde der Europapokal der Landesmeister ins Leben gerufen und die Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf.

Zugeständnisse und Reformen

Nach und nach wurden die europaweiten Wettbewerbe reformiert, wobei der Zweck der Reformen stets das Ziel verfolgte den Europapokal besser zu vermarkten und den teilnehmenden Teams und natürlich auch der UEFA mehr Geld in die Taschen zu spielen. Die Teilnehmerzahl wird laufend aufgestockt und Gruppenphasen sollten garantieren, dass die Vereine nicht nach nur einem einzigen K.o.-Duell wieder aus dem Rennen sind. Es wurden laufend Zugeständnisse an die Vereine der Top-Ligen gemacht, die in den vergangenen Jahren bereits immer wieder mit einem eigenen Konkurrenz-Wettbewerb drohten. Für die Meister von kleineren Fußballnationen wurde es trotz größerer Teilnehmeranzahl zunehmend schwerer in der Königsklasse aufzulaufen. Die Kluft zwischen arm und reich vergrößerte sich. Für viele Top-Klubs gingen die Reformen jedoch nicht weit genug.

Irgendwo wäre die Super League eine logische Weiterentwicklung des modernen Fußballs. Die Spitzenteams, die sich zu Spielbällen von Konzernen, Oligarchen und Scheichen entwickelten, sehnen sich nach einem geschlossenen System und fix kalkulierbaren Einnahmen. Es wurde an einem Plan im Hinterzimmer gebastelt. Federführend waren zwölf Vereine (Real Madrid, FC Barcelona, Atletico Madrid, Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester United, Manchester City, Tottenham, Juventus, AC Milan und Inter), die die ersten Gründungsmitglieder der Super League hätten werden sollen. Zu diesem (dreckigen) Dutzend sollten noch zumindest drei weitere Klubs als Gründungsmitglieder eingeladen werden. Kandidaten dafür waren wohl der FC Bayern München, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain. Dass die deutschen Bundesligisten absagten lag wohl einerseits an der gesunden Einschätzung der Situation und der 50+1 Regel, die an solchen Tagen ihren Wert ganz besonders zeigt. Paris Saint-Germain konnte es sich vermutlich im Hinblick auf die umstrittene Weltmeisterschaft 2022 in Katar nicht leisten die mächtigen Fußballverbände zu verärgern.

Breite Front gegen die Super League

Nachdem die Pläne bekanntwurden brach eine Welle der Empörung über die zwölf Klubs ein, mit der sie aus welchen Gründen auch immer nicht gerechnet hatten. Die UEFA drohte unterschiedliche Sanktionen an, etwa dass die Spieler nicht mehr für die Nationalteams auflaufen dürfen. Dass sich die UEFA nun als Retter des Fußballs präsentiert, ist natürlich schon ein wenig kurios und es gibt nur einen Grund weshalb der Verband so scharf gegen die Super League schießt: Die UEFA würde beim Konkurrenzprodukt nicht mitnaschen. Die Politik drohte den Vereinen mit dem Ausschluss aus den nationalen Ligen und die Fans machten den Klubs mehr als deutlich, dass sie diesen Weg nicht mitgehen werden. Dazu äußerten sich auch Trainer und Spieler der betroffenen Klubs negativ.

Empörung zeigt Wirkung

Die englischen Vereine wurden angesichts der negativen medialen Resonanz nervös und zogen ihre Teilnahme an der Super League zurück. Arsenal entschuldigte sich für den „Fehler“ und Chelsea ließ verlautbaren, dass man sich der Gruppe Ende letzter Woche anschloss und erst jetzt Zeit hatte sich eingehend mit der Thematik zu befassen. Guter Witz – aber wahrscheinlich besser spät als nie. Es rollten zudem auch einige Köpfe – Manchester-United-Vorstandschef Ed Woodward trat zurück und Juventus-Präsident Agnelli wurde zumindest einmal aus dem UEFA-Exekutivkomitee geworfen. Der FC Barcelona will seine Mitglieder über die Super League abstimmen lassen, wobei das Ergebnis hier schon im Vorhinein feststeht. Da auch Atletico Madrid und die beiden Mailänder Vereine wackeln, kann man das Projekt wohl schon als gescheitert betrachten.
Die Organisatoren der Super League wollen jedoch nicht aufgeben und kündigen eine Neustrukturierung des geplanten Wettbewerbs an.

2024 sind wir tot 🙁

Real-Präsident Florentino Perez verteidigt weiterhin die Super League. Der neue Bewerb soll den Fußball retten, der sich in einer kritischen Situation befinde. Der 74-Jährige stellte fest, dass die CL-Reform erst im Jahr 2024 kommen wird und sein Verein bis dorthin tot sei. Selbst schuld – alleine im Sommer 2019 gaben die Königlichen 115 Millionen für Eden Hazard und 63 Millionen für Luka Jovic aus. In dieser Transferperiode nahm das weiße Ballett 325 Millionen Euro zu den Verhandlungstischen mit. Gareth Bale kassierte ein Wochengehalt von 755.000 Euro. Wenn sich ein Champions-League-Gewinner trotz immenser Einnahmen nicht am Leben halten kann, sollte sich das Mitleid der Fans in Grenzen halten. Die Corona-Pandemie ist sicherlich für alle Klubs eine Herausforderung, aber keineswegs der Hauptschuldige an der finanziellen Misere.

50+1

Vielleicht hat die gescheiterte Revolution jedoch auch eine gute Seite. Angesichts des Putschversuchs werden die Vorteile der 50+1-Regel offensichtlich und die britische Regierung soll Überlegungen anstellen, dass das Modell auch in der Premier League angewandt wird. Da sich die Klubs allerdings allesamt verkauft und mit Haut und Haaren an die Investoren ausgeliefert haben, wäre eine Transformation aktuell kaum zu bewerkstelligen. Im Nachhinein wird es nur schwer möglich sein die Klub-Eigentümer zu enteignen – diese Einsicht kommt demnach reichlich spät.

Immerhin zeigten die vergangenen Tage, dass die Fans nicht vollkommen machtlos sind. Die Klubs können von Glück sprechen, dass aufgrund der Corona-Pandemie keine Zuschauer in den Stadien sind, da sich die massiven Proteste auf den Rängen fortsetzen würden. Viele Anhänger befürworten nun sogar Strafen wie Punkteabzüge und Transfersperren für ihre eigenen Vereine, in der Hoffnung, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und sich „etwas“ ändert. Die vergangenen Tage zeigten allerdings auch wie es um unseren geliebten Fußball steht und dass die Vereinseigentümer ohne Rücksichtnahme auf den Sport auch den letzten Euro herausquetschen wollen. Das ist nichts Neues, allerdings wurde es in der Vergangenheit selten so offen zur Schau gestellt.

Übrig bleibt letztendlich ein verheerender Imageschaden für die zwölf Gründungsmitglieder der geplatzten Super League und ein großes Fragezeichen, wohin sich der Fußball in den kommenden Jahren entwickeln wird. Und auch ein wenig das Erstaunen, dass die Inkompetenz der handelnden Personen so groß war, dass sie dachten, dass dieser Putsch Erfolgschancen haben würde. Ist die Abgehobenheit der Klub-Eigentümer so groß, dass sie vielleicht sogar dachten, die Fans würden sich über das neue Format freuen? Ich schließe mit den Worten des weisen Wiener Rappes Monobrother: „Nehmts eich, nehmts eich, oft und vü – nur i fleh eich au: lossts ma mei Spü.“

Stefan Karger