Über die Auswärtstorregel in den 180 Minuten eines Hin- und Rückspiels kann man geteilter Meinung sein. Doch dass diese Bestimmung auch noch in der... Kommentar: Schafft die Auswärtstorregel in der Verlängerung ab!

Über die Auswärtstorregel in den 180 Minuten eines Hin- und Rückspiels kann man geteilter Meinung sein. Doch dass diese Bestimmung auch noch in der 30-minütigen Verlängerung zur Anwendung kommt, sorgt häufig für hitzige Diskussionen. So wirklich glücklich sind nur die Wenigsten: Weder die beteiligten Mannschaften, noch der Gerechtigkeitsfanatiker und schon gar nicht der neutrale Fan. Deshalb bin ich der Meinung: Schafft die Auswärtstorregel in der Verlängerung ab! Treffen nämlich beide Teams in der Verlängerung eines Europacupspiels, wäre das Heimteam draußen. Ist es wirklich im Sinne des Fußballs, wenn zwei sich über 180-Minuten neutralisierende Teams aufgrund dieser Regel einen Aufsteiger zugesprochen bekommen? Und nicht weil die eine Mannschaft den Gegner tatsächlich geschlagen hat? So gesehen hat die Auswärtstorregel an sich schon seine Tücken, ganz besonders aber in der Verlängerung.

Gute Gründe für die Beibehaltung

Am ersten Blick ist diese Regel durchaus fair und hat – oder besser gesagt hatte wie man später noch erfährt – seine Berechtigung: Die Auswärtsmannschaft hat eine halbe Stunde mehr Zeit um Tore zu erzielen und der Gastgeber dagegen länger den Heimvorteil. Mit einem frenetischem Publikum in einem „Do-or-Die-Game“ – meist – unter Flutlicht sicherlich ein Plus. Emotionales Doping für schwere Beine zu diesem späten Zeitpunkt, in einer auf Messerschneide stehenden Partie, kann man nicht klein reden oder unterschätzen. Alles gute Gründe, die durchaus für die Beibehaltung der Auswärtstorregel in der Verlängerung sprechen würden.

Warum wird überhaupt diskutiert

Doch einige Argumente sprechen heutzutage klar dagegen. Denn im Endeffekt ist ein Auswärtstor in der Verlängerung de facto ein „Golden-Goal“ – das aus guten Gründen wieder eingestampft wurde. Dass Gegentore in der Verlängerung gleich doppelt bestraft werden, ist dann doch des Guten oder – besser gesagt des Schlechten – zu viel. Der Gastgeber hat zwar den um 30 Minuten längeren Heimvorteil, doch wird dies mit einer schlussendlich meist spielentscheidenden Auswärtstorregel überkompensiert. Ich stelle sogar die Behauptung auf, dass eine Mehrheit der Teams in einer solchen Verlängerung lieber die Auswärtsmannschaft ist, weil deren Vorteile überwiegen.

Das Relikt „Heimvorteil“

Der Heimvorteil der in früheren Zeiten noch deutlich ausgeprägter war, hat sich mit der fortgeschrittenen Normierung und Angleichung des Spiels im Profigeschäft abgeschwächt. Dies beweist auch die Wissenschaft. Nach einer Studie der „University of Liverpool Management School“ gewannen bis 1981 etwa 65 Prozent der Heimteams ihre Europapokal-Hinspiele. Zwischen 1997 und 2013 waren es schon deutlich weniger, nur mehr 46 Prozent.

Was 1965 bei der Einführung der Regel seine legitime Berechtigung hatte, ist heutzutage einfach nicht mehr zeitgemäß. Vieles ist mittlerweile bei der Mehrheit der internationalen Spiele ziemlich gleich oder zumindest ähnlich. Sei es der im Bewerb verwendete Ball, die Größe des Spielfelds oder der auf diesem Niveau meist auch der gut bespielbare Untergrund. Dazu sind die langen und beschwerlichen Europacup-Anreisen ein Relikt aus dem vorigen Jahrhundert. Auch Schiedsrichter die sich von der Heimatmosphäre beeinflussen ließen, gehören der Vergangenheit an. Aber auch die Profis selber sind auf die Stimmung bei den Auswärtsmatches ungleich besser vorbereitet und auf Auftritte in großen, fremden Stadien geeicht. So gesehen hat der gewährte Bonus „Auswärtstor“ für die Gästemannschaft heutzutage keine so große Berechtigung mehr, wie zu deren Einführung in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts. Vor allem aber nicht in der entscheidenden Verlängerung, wenn sich zuvor beide Mannschaften ergebnistechnisch in den 180 Minuten neutralisierten.

Agieren und Offensive fördern

Offensives Spiel bleibt in einer Verlängerung immer riskant, mit der Auswärtstorregel ganz besonders für die Heimmannschaft. Risiko kann schnell mit dem „Ausscheiden“ bestraft werden, während Defensivverhalten mit vorsichtigem Reagieren eher belohnt wird! Ohne diese Regel würde die Attraktivität der Partien steigen, das Vermeiden des alles entscheidenden Fehlers würde etwas abgeschwächt werden. Heim-Mannschaften würden vielleicht öfter ihr Heil in der Entscheidung am Platz suchen, denn sich auf die Lotterie Elfmeterschießen einzulassen. Ein etwaiges Gegentor könnte dann in der verbleibenden Zeit nämlich noch egalisiert werden. Jetzt bedeutet aber ein Gegentreffer für die Heimmannschaft quasi das fast sichere Out, ähnlich dem „Golden-Goal“. Man hat nur mehr bestenfalls eine halbe Stunde Zeit, um dem einen Gegentor mit den benötigten zwei (Heim)Treffern zu antworten. Statisch erwiesen ist auch, dass Verlängerungen bei Welt- und Europameisterschaften chancenreicher und damit offensiver sind, als bei Europacupspielen mit der Auswärtstorregel im Hinterkopf.

Der subjektive Fairnessgedanke

Am Ende der 180 Minuten steht also ergebnistechnisch ein Gleichstand da und die Extra-Spielzeit sollte meiner Meinung nach separat gewertet werden! Ein Entscheidungsspiel oder eine Verlängerung auf neutralem Platz wäre natürlich die fairste aller Lösungen. Doch dies ist zu Recht weder umsetzbar noch praktikabel. So sollte zumindest eine Variante her, die dem Fairnessgedanken – unter Berücksichtigung der heutigen Gegebenheiten – am Nächsten kommt und in der Praxis auch umsetzbar ist. Ein sofortiges Elfmeterschießen, wie es in Diskussionen immer wieder vorgeschlagen wird, finde ich als vorgezogene Glückslotterie ebenso nicht zielführend. Doch eine auswärtstorregel-befreite Extraspielzeit, wo jedes Tor gleich viel zählt, würde meiner Meinung nach dem Fairness-Gedanken am Nächsten kommen. Gleichzeitig würde dadurch auch der Anreiz auf ein aktives Offensivspiel in der Verlängerung erhöht werden.

Gerne könnt ihr in den Kommentaren eure Meinung dazu posten, sei es kontrovers oder zustimmend.

Werner Sonnleitner, abseits.at

Werner Sonnleitner

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