Das Feuer der Leidenschaft, es brennt auf beiden Seiten: So manche aktive Fanszene kann das Zündeln einfach nicht lassen. Im Gegenzug ereifert sich die... Warum ich der Meinung bin, dass die Pyrotechnikdebatte nicht zielführend ist

Hooligan PyroDas Feuer der Leidenschaft, es brennt auf beiden Seiten: So manche aktive Fanszene kann das Zündeln einfach nicht lassen. Im Gegenzug ereifert sich die Exekutive neuerdings sogar via Twitter mit der Vollziehung der Bundesgesetzgesetzgebung. Am 131. Bundesgesetz des Jahres 2010 – besser bekannt unter dem Namen Pyrotechnikgesetz – scheiden sich die Geister. Irgendwo sind das auch jene, die man nicht los wird.

Tatsächlich läuft alles falsch. Total falsch. Nicht nur die Debatte, die übrigens in dieser Ausgestaltung so nutzlos ist, wie die Fortpflanzungsorgane des Papstes. Die Diskussion selbst ist nur der Gipfel einer Never-Ending-Story von Aktion, Reaktion, Unverständnis und Generalisierung. Sie ist so verfahren, wie das Angst-vor-dem-Terror-Bürgerforum mit Strache, Ostermayer, Mikl-Leitner und Glawischnig: Die Fronten beschuldigen und beflegeln sich 90 Minuten (!) lang, nur um am Ende festzustellen, dass man seine Meinung über den anderen eh behalten hat und es für eine Lösung in der Hauptsache noch immer zappenduster ausschaut.

Manche wollen überhaupt nicht reden. „Was verboten ist, das diskutier‘ ich nicht.“, stellt Ried-Manager Stefan Reiter klar. Reine Zeitverschwendung für einen Verein, der die aktive Fanarbeit eingestellt hat. Neo-Rapid-Geschäftsführer Peschek entpuppt sich in diesen Stunden dagegen als diplomatischer Vermittler, der die Argumente von Fans, Verein und Liga fein säuberlich sortiert und zusammenfasst. Jedenfalls ein besserer Auftritt als Reiters pauschale Ablehnung.

Sich gesetzlichen Anordnungen zu widersetzen kann mitunter ganz vernünftig sein. Vor allem wenn ethischen oder moralischen Prinzipien der Rücken zugedreht wird, wird ziviler Ungehorsam zur Bürgerpflicht. Da es sich bei dem Verbot feuriger Stimmungsmacher jedoch nicht um essentielle Verstöße gegen die Menschlichkeit handelt, fällt dieser Verhaltensauftrag aber weg. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit jedoch Fälle, in denen der Gesetzgeber auf kriminelle Fanpraktiken eingegangen ist: Das Befestigen von Fahnen am Auto wurde mittels Sondernorm für die Euro 08 kurzfristig legalisiert. Ein Musterbeispiel fanorientierter Problemlösung, oder stecken in diesem Fall doch andere Interesse dahinter? Ein Schelm, wer böses denkt.

Vorgeblich wurde bei der Neufassung des Pyrotechnikgesetzes der Schutz Unbeteiligter in den Vordergrund gerückt. „Ich will, dass die Menschen in Österreich bei Sportveranstaltungen Sicherheit erleben. Ich will, dass es bei Sportveranstaltungen Platz für Familien gibt.“, erklärte die damalige Innenministerin Fekter. Die Interessen Schwächerer zu schützen ist nicht nobel, sondern selbstverständlich und die Aufgabe des Gesetzgebers. Doch geht es wirklich nur darum? Warum tauchen in der offiziellen Diskussion um die Gefährlichkeit von Bengalen nie jene auf, die beim Nightrace in Schladming umgeben von tausenden Plastik-Daunen-Jacken angezündet werden? Sind diese Fackeln nicht ebenfalls 2.000° heiß? Zwar kommt es auch anlässlich solcher Veranstaltungen immer wieder zu Abmahnungen für die illegalen Zündler: Öffentliche Resonanz? Nada. Fußball ist immer noch ein eigenes Kapitel.

Gehört der Fußball wirklich allen? Ja, er gehört allen. Aber: Dürfen alle auch das gleichgroße Stück vom Kuchen beanspruchen? Ich glaube nicht. Der Fußball lebt im emotionalen und wirtschaftlichen Sinn, direkt und indirekt von seinen Dauerkonsumenten. Wen interessieren Sponsor-Millionen, wenn Tribünen leer und Fernsehübertragungen ungesehen bleiben? Was ist Stadionatmosphäre ohne Atmosphäre? Leute, die den Verein durch ihre Unterstützung und ihr Engagement am Leben halten, denen gehört der Fußball nun mal zum Großteil. Deren Interessen sind zum Wohle aller zu berücksichtigen. Um es eindeutig klarzustellen: Das bedeutet natürlich nicht Narrenfreiheit für die sogenannten Hardcore-Fans. Das bedeutet natürlich nicht, dass man als Zuschauer um sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit fürchten muss. Das bedeutet natürlich nicht, dass Familien mit Kindern, Ältere und alle anderen, die nur ruhig ein Spiel sehen wollen, der Eintritt ins Stadion verwehrt bleibt oder sie sich den Regeln der Szene unterordnen müssen. Um diese Homogenität der Zuschauer zu wahren, gibt es ja seit ewigen Zeiten schon verschiedene Sitzplatzkategorien und Kartenkontingente. Da jedoch Allesfahrer und aktive Fans gerade in Österreich das Aushängeschild ihrer Vereine darstellen, schneidet man sich ins eigene Fleisch, wenn man diese Leute langsam aber sicher aus der Kurve drängt.

Im Dialog mit den wortführenden Anhängern haben einige noch immer nicht begriffen, dass der harte Kern längst zu einer Subkultur mit Hierarchie, Sprache und Symbolen gewachsen ist. Manchmal auch zu einer Szene mit fast heroischen Ansprüchen. So heißt es in einer Aussendung der Ultras Rapid: „Freie Entscheidungen zu treffen, kritisch zu sein und selbstbestimmt zu agieren gehören zu den Idealen der Hütteldorfer Fanszene und wir werden auch künftig ganz entschieden für diese Werte eintreten.“ Ist diese Selbstbestimmtheit ein Problem? Sie kann eines sein: Wer sich für wichtiger als den Verein hält, wird zur Plage. Selbstdarsteller und Konsorten sind in jeder Gruppierung ein Klotz am Bein. Die andere Seite der Medaille interpretiert diese Worte als einen autonomen Freiheitskampf im Sinne Stéphane Hessels, mag er sich auch nur in einer absoluten Nano-Nische abspielen und wenig bis gar keine gesellschaftliche Bedeutung haben.

Als Außenstehende bin ich mir noch immer nicht sicher, ob es Pyrotechnik für eine gute Atmosphäre tatsächlich braucht oder ob es sich nur um ein Kräftemessen der aktiven Szene mit dem Regulativ handelt. Ist es die letzte Bastion anarchischer Emotionalität oder nur ein Machtspielchen, das aber durchaus seine Berechtigung hat: Denn wo darf in unserer übernormierten Gesellschaft noch frei gefeiert werden? Tatsache ist, dass es für diesen Fall unbedeutend ist, welcher Wurzel das „Übel“ entspringt. Die Pyrotechnikdebatte kann in dieser Form nicht zielführend sein. Warum?

Weil das Verbot der Pyrotechnik von Volksvertretern ausgearbeitet wurde, die Stadien selbst nur vom jährlichen Länderspiel aus dem VIP-Klub kennen. Das allein wäre noch nicht dramatisch, die meisten Gesetze und Verordnungen werden schließlich von praxisfernen Repräsentanten gefällt. In diesem Fall dürften die verhandelten Parteien jedoch Opfer grobwidriger Kommunikationsmängel geworden sein: Wie ist es sonst denkbar, dass im März 2010 beim Spiel Rapid gegen Sturm beide Mannschaften in Pyrotechnik-ist-kein-Verbrechen-T-Shirts aufwärmen, als Bundesligamitglieder aber an die Regelvollziehung gebunden sind.

Stutzig macht auch, dass Innenministerin Fekter anno 2010 in aller Dringlichkeit auf die Schutzmaßnahmen hingewiesen hat. Die Schutzmaßnahmen für die Kärntner Hypo wurden nicht so präsent gemacht. Klar, ist es doch viel medienwirksamer ein paar Vermummte mit Fackeln und pfui-Wörtern durch sämtliche Nachrichten geistern zu lassen, als Weiße-Kragen-Kriminalität bis in die Regierungskreise aufzudecken. Wer hier denkt ich übertreibe, hat Recht. Und warum zum Teufel beteilige ich mich überhaupt an dieser Debatte? Ich stehe nicht in den Sektoren und habe auch kein kleines Kind, das ich auf der Familientribüne beschützen muss. Also könnte ich den Mund halten und mir das Totschlagargument beider Seiten zu Gemüte führen: „Habt’s ihr keine andern Sorgen?!“ Womit wir wieder bei den Selbstdarstellern wären.

In diese Kategorie fallen: Leuchtstifte, Böller, das Werfen mit Pyrotechnik, … Kurz und knapp: Alles was nicht der Emotionalisierung der Stimmung, sondern bloßer Aggression dient und Verletzungen anderer in Kauf nimmt. Unzumutbar, dass Unschuldige zum Handkuss kommen und mit bleibenden Narben bestraft werden. Zweifellos, beim Fußball war dies leider schon des Öfteren der Fall. Durch eine neue gesetzliche Regelung der Pyro-Frage wird dieses Problem aber wohl kaum entschärft werden: Genauso gut, kann ein Irrer neben mir im Burgtheater zu randalieren beginnen. Oder zwei Verrückte können in ein Büro stürmen und Zeichner erschießen.

Das ist des Pudels Kern: Fußballfans leben immer noch von ihrem Ruf als Krawallbrüder. Es wird ihnen nicht zugetraut, Bengalos unfallfrei zu verwenden. Die Dichtheit in den Sektoren, die leicht-entflammbaren Materialien und Gewaltprobleme, die immer wieder auftauchen, bieten Pyro-Befürwortern keine großen Gegenargumente. Sucht man aber nach Unfällen mit Pyrotechnik, findet man relativ wenig. Der fackelschwingende Fan gilt immer noch als Hoffmanns Das-Hölzchen-brennt-gar-hell-und-licht-Paulinchen, das Hand, Haar und das ganze Kind selbst sogar in Flammen setzt. Das hupende Auto mit den flatternden Fähnchen 2008 war dagegen ok. Ein Beispiel für Missverständnisse? Pyrotechnische Gegenstände werden hauptsächlich von autonomen Ultragruppierungen beansprucht. Gewalttätiger Einsatz mit oder ohne diesen findet sich tendenziell in anderen Schichten der Fanszene. Der Wiener-Derby-Einsatzleiter Lepuschitz im O-Ton: „Wenn der politische Wille dies so zeigt, wird es diese Ausnahmebestimmung nicht mehr geben und es wird ein absolutes Pyrotechnikverbot in den Stadien geben. Wenn wir feststellen, dass es Fans gibt, die unter dem Deckmantel des Sports Gewalt einsetzen – sei es gegenüber anderen Fans, sei es gegenüber Familien, die das Spiel sehen wollen, sei es gegenüber Polizisten – werden wir den gerichtlichen Weg weiter fortschreiten müssen.“ Fehler gefunden?

Diese vielzitierte Ausnahmeregelung wird von der Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ als diskriminierend zurückgewiesen. Auch hier bleibt für mich als Außenstehende nur ein Schulterzucken übrig. Es steht Aussage gegen Aussage. Eines weiß ich aber sicherlich: Der status quo der aktuellen Regelung ist katastrophal: Die Vereine müssen tief in die Tasche greifen, die Zündler bekommen Stadionverbot. Manche Hereingelassene solidarisieren sich mit den Ausgesperrten. Als Gegengewicht zerreißen Kollektivstrafen die Szene innerlich. Verein und Fans entfernen sich zusehends voneinander. Wo führt es hin? Die Stadien werden langsam leerer werden, wenn nicht eine Schnittstelle zwischen Sicherheit und Spontanität gefunden werden kann. „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird beides verlieren.“ sagt Benjamin Franklin. Franklin hat den Blitzableiter erfunden, einen solchen braucht es jetzt im Abwägen der Interessen aller Beteiligten.

Warum ich der Meinung bin, dass die Pyro-Gretchen-Frage vernünftig geführt werden kann? Weil sich die Parteien gleichwertig mit verständlichen Interessen (Schutz vs. Stimmung) auf Augenhöhe aufeinander zubewegen können. So wie es auch beim Bürgerforum möglich wäre, wenn man sich nicht vice versa als Hasspartei und Chlorophyl-Marxisten bezeichnen würde. Womit wir bei den Richtigen wären: Die gewählten Vertreter sind nun an der Reihe ihrem Auftrag nachzugehen. In welcher Regelung, dies auch immer geschehen mag. Danke!

Marie Samstag, www.abseits.at

Marie Samstag

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