Endlich war es wieder soweit: Nach einer knapp zweimonatigen Pause kehrte der heimische Fußball zurück aus dem Winterschlaf! Der Startschuss fiel dabei traditionell im... Analyse: Wie die Austria im Cup-Viertelfinale Sturm knacken konnte

Endlich war es wieder soweit: Nach einer knapp zweimonatigen Pause kehrte der heimische Fußball zurück aus dem Winterschlaf! Der Startschuss fiel dabei traditionell im Cup, wo das Viertelfinale zwischen den acht verbliebenen Mannschaften ausgespielt wurde. Die Auslosung meinte es dabei gut mit den Fußballfans, empfing doch Tabellenführer Sturm Graz den Tabellenzweiten Austria Wien zum Duell der beiden besten Teams des Herbstes. Die Steirer gingen dabei mit einem kleinen Vorteil in diese Partie, absolvierte man doch bereits zwei Pflichtspiele in der Champions League und holte dabei unter anderem wenige Tage zuvor einen bemerkenswerten 1:0-Sieg über RB Leipzig. Mit diesem Schwung wollten die Grazer auch das Cup-Viertelfinale überstehen und in die nächste Runde einziehen.

Sturm-Trainer Jürgen Säumel verzichtete darauf, seine Mannschaft umfassend zu verändern und man lief wie bereits gegen Leipzig in einem 4-2-3-1 System auf, bei der hinter Solospitze Jatta die Dreierreihe Yalcouyé, Kiteishvili und Böving durch die gegnerischen Reihen wirbeln sollte.

Hier machte sich auch der Abgang von Torjäger Biereth bemerkbar, lief man doch im Herbst bis auf einige wenige Ausnahmen immer mit einer klaren Doppelspitze auf. Andererseits war es aber auch die „risikoärmere“ Variante mit mehr Kontrolle durch die klare Doppelsechs. Im ersten Bild erkennt man recht deutlich die Anordnung von Sturm:

Die 4-2-3-1 Formation von Sturm

Was war der Ansatz der Austria gegen das Sturm-System? Auch bei den Violetten gab es keine Überraschungen. Einen bitteren Ausfall musste die Mannschaft von Trainer Stephan Helm jedoch verkraften. Mit Wiesinger fiel einer der Schlüsselspieler aus dem Herbst angeschlagen aus und musste ersetzt werden. Das konnten die Violetten jedoch auffangen, indem stattdessen Handl die Rolle von Wiesinger einnahm. Ansonsten setzte man auf das gewohnte 5-3-2/3-4-1-2 System, das man bereits im Herbst zumeist praktizierte.

In der Anfangsphase versuchten die Wiener dabei direkt eine Duftmarke zu setzen und zu demonstrieren, dass man sich beim Double-Sieger nicht verstecken wollte, ganz im Gegenteil. Gegen den Ball wurde der Spielaufbau der Grazer recht früh hoch angelaufen und man versuchte den Meister schnell unter Druck zu setzen.

Austria beteiligt sich an „Pressingschlacht“ und setzt Sturm unter Druck

Die drei Offensivspieler Fitz, Malone und Prelec hatten dabei als erste Pressinglinie den Auftrag, sich zwischen der Innenverteidigung und den beiden Sechsern des Gegners zu positionieren, um quasi das zentrale Mittelfeld vom Spielaufbau zu isolieren. Die Steirer sollten damit vereinfacht gesagt aus dem Zentrum weg in Richtung Außenbahn geleitet werden. Wenn dann der Pass auf einen Außenverteidiger der Grazer kam, rückten die beiden Flügelverteidiger Ranftl oder Pérez Vinlöf aggressiv auf und attackierten diese im Vollsprint. Die Verhaltensweise der ersten Pressinglinie kann man am folgenden Bild erkennen:

 

Sturm im Spielaufbau, die Austria versucht mit der ersten Pressinglinie (gelber Strich) den „Sechserraum“ (roter Strich) abzudecken. Damit sollten die Innenverteidiger gezwungen werden, in die Breite zu spielen. Wenn dann der Ball wie hier in Richtung Linksverteidiger Lavalee gespielt wird, ist dies folglich das Signal für Flügelverteidiger Ranftl nach vorne zu attackieren und den Gegner zu stellen.

Dieser Plan ging gut auf und dadurch war der amtierende Meister oftmals gezwungen, das Spiel über die Außenverteidiger aufzubauen und in weiterer Folge lange Bälle nach vorne zu schlagen. Das war gegen die kopfballstarke Verteidigung der Austrianer klarerweise kein probates Mittel, wodurch sich in der Anfangsphase ein offenes Spiel entwickelte und beide Teams sich mit einer hohen Intensität geradezu „bekämpften“.

Die Austria erarbeitete sich hier kleine Vorteile und nutze auch eiskalt eine der ersten guten Situationen im Spiel zum frühen Führungstreffer. Auslöser war dabei eine starke Gegenpressingsequenz nach einem Ballverlust, mit der man sich den Ball zurückholte und Plavotic im Getümmel die Ruhe bewahrte und den freien Fitz fand, der anschließend mit einem tollen Steilpass Prelec auf die Reise schickte. Die Entstehung kann man am nächsten Bild gut erkennen:

 

Die Austria setzt nach Ballverlust aggressiv auf der linken Seite nach, Pérez Vinlöf, Fischer und Malone holen sich im Gegenpressing den Ball zurück und spielen zu Halbverteidiger Plavotic zurück, der die Übersicht behält und mit einem klugen Vertikalpass Fitz einsetzt, der anschließend seine Klasse demonstriert und mit einem tollen Schnittstellenpass Prelec auf die Reise schickt. Mit nur zwei Pässen reißen hier die Violetten den Defensivverbund der Grazer auf.

In weiterer Folge scheitert Prelec zwar zunächst am Torhüter, den Abpraller spielt der Angreifer jedoch mustergültig in den Rückraum auf den mitgelaufenen Ranftl, der mit einem abgebrühten Abschluss das 1:0 für die Austria besorgte. Ein Start nach Maß für die Violetten und ein toll herausgespielter Treffer.

Violette „herauskippende“ Innenverteidiger im Spielaufbau

Doch nicht nur gegen den Ball überlegten sich die Wiener etwas Spezielles, auch bei eigenem Ballbesitz wollte man mit einem taktischen Kniff die Steirer am falschen Fuß erwischen. Man antizipierte hier, dass sich Sturm gezielt auf eine Dreierkette im Spielaufbau einstellen würde. Das war auch der Fall und eines der Vorteile des 4-2-3-1 der Grazer ist es, dass die beiden Flügelstürmer aufrücken können und dadurch auch ein 4-3-3 entsteht, womit man eine Gleichzahl mit den drei violetten Innenverteidigern generiert.

Die Austrianer wollten also dieses „nummerische Gleichgewicht“ durcheinanderbringen und schoben daher einen Innenverteidiger in den Sechserraum neben Fischer, während man in der ersten Aufbaulinie unter Einbindung von Torhüter Kos stattdessen eine Dreierkette bildete. Diese Verhaltensweise kann man bei den nächsten beiden Bildern gut erkennen:

 

Die Austria im Spielaufbau, Handl rückt aus der Innenverteidigung heraus in den Sechserraum (gelber Strich), während Abwehrchef Dragovic (roter Strich) stattdessen in die Breite schiebt und gemeinsam mit Torhüter Kos und Plavotic eine Dreierkette bildet.

 

Die gleiche Variante, jedoch mit einer personellen Rochade. Diesmal rückt Abwehrchef Dragovic (roter Strich) in den Sechserraum, während Handl (gelber Strich) in der Innenverteidigung verbleibt.

Aus strategischer Perspektive eine sehr interessante Variante, hat die Austria dadurch nicht nur eine bessere Raumaufteilung, sondern in diesem Fall (inkl. Torhüter) eine 5-gegen-4-Überzahlsituation zu eigenen Gunsten gegen die Grazer, die für einen anpressenden Gegner zu Zugriffsproblemen führen kann.

Man muss jedoch konstatieren, dass sich Sturm von dieser Rochade überhaupt nicht beeinflussen ließ. Im Gegenteil: Man behielt nahezu nonchalant die Ruhe. Durch das raumorientierte Deckungsverhalten blickte man gar nicht auf die Bewegung der Gegenspieler, sondern blieb einfach im zugewiesenen Raum stehen und demonstrierte eindrucksvoll wie gut man defensivtaktisch geschult und trainiert wird.

Die Austrianer hätte dieses Defensivverhalten durch eine Vielzahl an kurzen Pässen bzw. einer längeren und ruhigeren Ballzirkulation herausfordern müssen, jedoch merkte man, dass dieses Muster bei den Violetten noch nicht automatisiert ist und die Pass- und Bewegungsabläufe nicht perfekt abgestimmt sind. So gelang es Sturm mit den vier Offensivspielern und damit wie erwähnt in Unterzahl, den Spielaufbau der Austrianer dennoch relativ einfach auf den Flügel zu lenken und unter Druck zu setzen.

Der Idealfall und vermutlich der Plan aus Sicht der Austria wäre es gewesen, dass Sturm im Pressing einen der beiden eigenen Sechser nach vorne beordert hätte, um eine 5-gegen-5-Gleichzahl herzustellen. Das hätte wiederum zur Folge gehabt, dass Fitz und Barry eine Überzahl gegen den einzig verbliebenen Sechser generiert hätten – mit erheblichem Gefahrenpotenzial für die Gastgeber. Der Doublesieger tat den Favoritnern diesen Gefallen aber nicht und so waren auch die Schlüsselspieler im Übergangsspiel nach vorne gedeckt. Das soll nur ein kleiner Ausflug in den modernen Fußball sein, wo das Positionsspiel die dominierende Kraft ist und in weiterer Folge auch die Frage, wo und wie man auf dem Spielfeld Überzahlsituationen kreieren möchte.

Sturm schlägt zurück und demonstriert die eigene Pressingqualität

Nichtsdestotrotz demonstriert dieser Ansatz, dass die Austria mutig auftreten und Sturm auch taktisch und strategisch herausfordern wollte. Das spricht zweifellos für das gewonnene Selbstvertrauen und Selbstverständnis, was das Team von Trainer Helm über die letzten Monate entwickeln konnte. Dieser Mut und dieses Selbstvertrauen sollte für die Violetten in weiterer Folge jedoch zum Ritt auf der Rasierklinge werden.

Nach etwa 15 bis 20 Minuten begann das Spiel immer mehr in die Richtung von Sturm zu kippen und die Austrianer gerieten in die Bredouille. Das lag nicht daran, dass man defensiv anfälliger wurde und hier vermehrt Stellungsfehler beging, sondern in erster Linie an den leichtsinnigen Ballverlusten im eigenen Ballbesitz.

Beide „Sechser“ der Violetten leisteten sich einige Fehler im Ballbesitzspiel, wobei Barry hier den Löwenanteil hatte und mit einigen leichtfertigen Ballverlusten mehrmals die eigene Defensive arg unter Bedrängnis brachte. In Folge dieser Ballgewinne, konnte Sturm ein ums andere Mal im höchsten Tempo auf die „entblößte“ Abwehrreihe der Austria zulaufen und für gefährliche Momente und Torchancen sorgen. Nachfolgend zeigen wir unterschiedliche Szenen aus dem ersten Durchgang, die alle den gleichen Ursprung hatten – nämlich einfache Ballverluste im Zentrum:

 

 

 

Wenn man etwas gegen Sturm vermeiden sollte, dann in erster Linie ihre hohen Ballgewinne und, dass die Grazer mit Yalcouye, Kiteishvili und Böving schnell umschalten und direkt aufs Tor zulaufen können. Die Violetten tappten ein ums andere Mal in diese Falle und stellte die eigene Abwehrreihe damit auf eine enorme Belastungsprobe.

Hier muss man speziell den drei Innenverteidigern der Austrianer Handl, Dragovic und Plavotic ein Kompliment aussprechen, denn ihrer Verhaltensweise und defensiven Qualität ist es zu verdanken, dass es meist gelang, Schadensbegrenzung zu betreiben oder die gegnerischen Angreifer zumindest in ungünstige Abschlusssituationen zu drängen.

Allerdings war natürlich auch zu sehen, dass Sturm die Qualitäten von Mika Biereth abgehen und man aktuell keinen ebenbürtigen Ersatz in den eigenen Reihen hat. Mit einem echten Torjäger hätte man womöglich aus diesen aussichtsreichen Situationen mehr Zählbares kreieren können.

So oder so gelang es den Gastgebern zumindest, die Kontrolle über dieses Spiel zu übernehmen und die Austria immer mehr in die eigene Hälfte zu drängen. Dadurch konnte man sich den Gegner immer mehr zurechtlegen und versuchte vor allem, die Überzahl im Mittelfeld auszuspielen und den Spielmacher Kiteishvili im Zwischenlinienraum freizuspielen. Auch im Aufbau kippte ein Sechser zunehmend in die Innenverteidigung ab und brachte damit das Anlaufverhalten der Gäste zusätzlich durcheinander.

Die Wiener verzichteten nach den vielen Ballverlusten im eigenen Ballbesitz auch darauf, den Abstoß kurz auszuspielen und schlugen bereits hier die Bälle hoch nach vorne. Dadurch gab es klarerweise kaum längere Ballbesitzphasen, was in Kombination mit dem tiefstehenden Block dazu führte, dass man kaum nennenswerte Entlastung zustandebrachte. Bis auf eine starke Einzelaktion von Malone, blieb man in der Offensive weitgehend abgemeldet. Allerdings rettete man sich irgendwie mit der knappen Führung in die Halbzeitpause, wo man sich neu sammeln konnte.

Austria stellt Ballverluste ab und stabilisiert sich

Beide Teams entschieden sich keine personellen Veränderungen zur Pause vorzunehmen und schickten die gleichen Spieler aufs Feld. Bei der Austria war das etwas überraschender, geriet man doch im zweiten Abschnitt des ersten Durchgangs ordentlich ins Schwimmen. Man versuchte augenscheinlich, durch einige Anpassungen dieses Problem im bestehenden Kollektiv zu lösen.

Nach dem Wiederanpfiff versuchten die Violetten auch direkt wieder dort anzuknüpfen, wo man unmittelbar nach der Anfangsphase aufgehört hatte – nämlich mit einer aktiven Spielweise. Das klappte zu Beginn auch recht gut und man gestaltete die ersten Minuten wieder offener. Jedoch flachte dieser kurze Aufschwung recht schnell wieder ab und Sturm übernahm erneut das Kommando.

Die Gastgeber wurden ebenfalls noch etwas aktiver und begannen, die Außenverteidiger zum Teil weiter nach vorne zu schieben, was vor allem an der Positionierung von Lavalee zu beobachten war. Ansonsten machte man dort weiter, wo man vor der Halbzeit aufhörte und versuchte speziell den Zwischenlinienraum zu überladen und hier möglichst zahlreiche Aktionen zu initiieren. Die Austrianer passten sich hier aber etwas an und schärften nochmal das Herausrücken der Innenverteidiger nach, damit diese nicht passiv in der Abwehrkette verblieben.

Die größte Anpassung der Violetten war jedoch recht einfach und simpel – man stellte schlicht die leichtsinnigen Ballverluste im Zentrum ab und lud den Gegner nicht mehr zum Kontern ein. Dadurch musste sich Sturm nun kontinuierlich durch die engmaschigen Reihen der Wiener kombinieren, was speziell gegen die starke Abwehrreihe nicht gerade leicht war. Zwar schaffte es Sturm immer wieder ins letzte Drittel einzudringen, jedoch kam der letzte Pass praktisch nie an oder es war ein Abwehrspieler der Austria dazwischen.

Aus Sicht der Grazer war daher klar, dass man nachlegen wird müssen und es mehr Durchschlagskraft benötigte. Betrachtete man nämlich das Personal der Gastgeber, spielten die Steirer mit vier nominellen Innenverteidigern in der Abwehr und zwei Sechsern davor, womit man in Wirklichkeit nur vier echte Offensivspieler auf dem Feld hatte und die Balance gegen einen tiefstehenden Gegner nicht wirklich passte – speziell da man ja auch einem Rückstand hinterherlief.

Doch überraschenderweise sah Sturm-Trainer Säumel dies offensichtlich nicht als Problem an, sondern wechselte zunächst nur positionsgetreu. Noch überraschender: Er nahm mit Böving einen Aktivposten vom Feld und beorderte stattdessen Horvat auf den Flügel, der mehr ins Zentrum tendiert und kein klassischer Flügelspieler ist. Dadurch fehlte es dem Spiel an Breite und es verstärkte sich der Rechtsfokus auf Yalcouye, was auf Kosten der Balance ging.

Im Anschluss an diesen Doppelwechsel flachte das Offensivspiel aufgrund der Balanceprobleme beim Doublesieger deutlich ab und man tat sich schwer, gefährlich zu werden und klare Torchancen zu erarbeiten. In Enddefekt konnte man im gesamten zweiten Durchgang keinen einzigen (!) gefährlichen Abschluss kreieren. Das ist für die Ansprüche von Sturm deutlich zu wenig. Die Austria auf der anderen Seite wurde mit Fortdauer immer stabiler und leistete sich keine Fehler mehr. Speziell die Einwechslung von Potzmann für den schwachen Barry stabilisierte das Zentrum nochmal und so bekam man die Angriffe der Grazer gut verteidigt.

In der Schlussphase boten sich dann auch mit dem erhöhten Risiko der Steirer mehr und mehr Räume zum Kontern, was man kurz vor Schluss dann auch ausnutzen sollte. Der überragende Ranftl zog in der 89.Minute nochmal einen Sprint über das gesamte Feld an und bediente mustergültig den eingewechselten Raguz, der im Stile eines echten Strafraumstürmers vollendete und so nicht nur seinen ersten Pflichtspieltreffer nach einer jahrelangen Leidenszeit erzielte, sondern damit auch den Einzug ins ÖFB-Cup-Halbfinale für die erneut enorm effiziente Austria besiegelte.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic