An den Anblick spanischer Fußballprofis, die auf dem Spielfeld in ausufernde Handgemenge verwickelt sind, hat man sich in den letzten Monaten bereits gewöhnt. Dass... Pfosten der Woche (KW 36) – "Marca"

An den Anblick spanischer Fußballprofis, die auf dem Spielfeld in ausufernde Handgemenge verwickelt sind, hat man sich in den letzten Monaten bereits gewöhnt. Dass Szenen wie jene im Freundschaftsspiel der Seleccion gegen Chile am vergangenen Freitag im schweizerischen St.Gallen in der spanischen Presse freudig bejubelt werden, ist hingegen neu.

Die Elf des amtierenden Weltmeisters hatte die Partie gegen die Südamerikaner in allerletzter Minute gedreht und einen 0:2-Rückstand dank eines Elfmetergeschenks von Schiedsrichter Laperriere noch in ein 3:2 verwandelt. Was dann folgte, wäre eines Clasico durchaus würdig gewesen: eine herbe Attacke an Iniesta und dessen provokante Reaktion darauf führte zu Rudelbildung und heftigen Rangeleien, an der sich auch die Ersatzspieler und einige Offizielle der beiden Teams beteiligten; es wurde von beiden Seiten nach Herzenslust zugelangt, mitten ins Chaos hinein erfolgte Minuten später notgedrungen der Abpfiff.

Unter normalen Umständen würde man erwarten, dass derartige Szenen in einem freundschaftlichen Kräftemessen, das noch dazu am “Fair Play”-Tag der FIFA stattfindet, selbst in der diesbezüglich wohl schon einigermaßen abgehärteten spanischen Presse zu reisserischen Schlagzeilen wie “Wild-West in St.Gallen” oder dergleichen führen – doch weit gefehlt. Die Medien, allen voran die Sportzeitung “Marca”, bejubelten einhellig und erleichtert, dass die Erzrivalen von Barcelona und Real sich diesmal nicht gegenseitig an die Gurgel gegangen waren, sondern die Chilenen als gemeinsamen Feind erkannt und bekämpft hatten:

“Am Ende war auf dem Spielfeld Krieg, aber zwischen den Nationalspielern von Barcelona und Real Madrid wurde Frieden ausgerufen. Sie haben alle zusammengehalten, sie verteidigten einander mit Händen und Füssen. Der Frieden in der Seleccion ist wieder eingekehrt.”

Einer der gefeierten Helden des Abends war Barcelonas Sergio Busquets, der Real-Verteidiger Alvaro Arbeloa im Zuge der Handgreiflichkeiten zu Hilfe geeilt war. Chile sei Dank sind damit also, wenn man Marca glauben darf, sämtliche Vermutungen vom Tisch, dass die Nationalspieler der beiden großen spanischen Clubs verfeindet wären. Andres Iniesta, am Ausbruch der Feindseligkeiten nicht ganz unbeteiligt, sieht das ebenso und erklärte nach dem Spiel: “Wir kämpfen für dieselbe Sache”.

All dies sollte sich die österreichische Presse zu Herzen nehmen, wenn die hiesige Auswahl am Dienstag ihr fußballerisches Glück gegen die Türkei versucht und sportlichen Schiffbruch erleiden sollte. Die raunzaffinen Journalisten könnten selbst im Falle eines schlimmen Debakels immer noch das Positive herausstreichen und ihrer vorbehaltosen Begeisterung darüber Ausdruck verleihen, dass sich die heimischen Kicker seit dem Kabinenzweikampf zwischen Stefan Maierhofer und Marko Arnautovic im März keine teaminternen Prügeleien mehr geliefert haben und laut Paul Scharner 24 Freunde im Kader stehen. Keine Weiterentwicklung im Nationalteam unter Constantini? Von wegen. In Sachen Teamgeist sind wir längst mit dem Weltmeister auf Augenhöhe.

(Lichtgestalt)

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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