Pfosten der Woche (KW 41) – Herbert Prohaska
Pfosten der Woche 10.Oktober.2011 Daniel Mandl 0
Es geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder: der neue österreichische Teamtrainer heisst weder Andreas Herzog, noch Franco Foda oder gar Willi Kreuz. Die Wahl des ÖFB-Präsidiums fiel auf den Schweizer Marcel Koller, was die Helden von Cordoba und einige andere sich übergangen fühlende Granden offenbar tief getroffen hat.
Schon einige Stunden vor der offiziellen Vorstellung von Marcel Koller als Nationaltrainer eröffnete Ex-Teamchef und ORF-Experte Herbert Prohaska in seiner “Krone-”Kolumne das Feuer. Unter der markigen Überschrift “Solche Trainer haben wir bei uns genügend” ließ der Jahrhundertfußballer ordentlich Dampf ab und machte Stimmung gegen den Schweizer:
“Ohne Koller nahe treten zu wollen: Solche Trainer haben wir bei uns genügend. Ein Didi Kühbauer zeigt es gerade vor, ein Andreas Herzog ist sicher um nichts schlechter als Koller, hätte mindestens genauso gut den Teamchefjob gemacht. Der erste Schweizer Teamchef in Österreich wird sich an den Erfolgen der heimischen Trainer messen lassen müssen und wird es sehr schwer haben!”
Dass Prohaska eine österreichische Lösung bevorzugt hätte, ist kein Geheimnis – an welchen Erfolgen der heimischen Trainer sich der neue Teamchef allerdings messen lassen muss dafür ein echtes Rätsel. Möglicherweise spielt Prohaska auf die beeindruckenden ÖFB-Bilanzen von Dietmar Constantini, Hans Krankl oder der zweiten Ära Hickersberger an, die die Latte für Koller ja geradezu unmenschlich hoch legen. Darüberhinaus kann der Schweizer Kühbauers Meistertitel in der zweiten Liga eventuell noch mit seinen beiden Titelgewinnen in der eidgenössischen Super League aufwiegen, aber Herzogs Erfahrungen als EM-Botschafter 2008 und persönlicher Assistent des damaligen Teamchefs Hickersberger bleiben ebenso unerreichbar wie seine bahnbrechenden Erfolge mit der U21 seit Amtsantritt 2009. Nimmt man Schneckerls Ansage tatsächlich ernst, täte Koller gut daran, zeitgerecht für seinen Lebensabend in Österreich zu planen.
Prohaska, der übrigens nach dem 2:6 gegen Deutschland noch verkündet hatte, dass mangelnde Qualität der Spieler die Hauptursache für ausbleibende Erfolge sei und auch ein neuer Trainer keine Wunder bewirken könne, legte kurz darauf via ORF noch einmal nach:
“Koller wird sich bisher nicht groß mit dem österreichischen Fußball beschäftigt haben. Seine Aufgabe ist viel schwerer als für einen, der die anderen kennt. Das heißt, er fängt im Prinzip bei null an. […] Können wird er’s schon. Aber es ist auch sehr, sehr wichtig, was du für eine Rückendeckung hast. Er wird ganz wenig haben und keinen Bonus, den etwa Andreas Herzog mitbringt.“
Hier entlarvt Prohaska das eigentliche Problem des Nationalteams: der österreichische Teamchef sollte es sich mit den altgedienten Haudegen der hiesigen Szene gutstellen und den einen oder anderen von ihnen – ganz im Sinne der so oft geübten Freunderlwirtschaft – mit Posten und Pöstchen versorgen. Andernfalls wird es sehr schnell ungemütlich, wie das Beispiel von Karel Brückner zeigt, der von Prohaska selbst nach dem 3:1-Heimsieg gegen Frankreich vor einigen Jahren scharf angegriffen wurde. Dass der ÖFB mit der Bestellung Kollers diesbezüglich mangelndes Traditionsbewusstsein offenbart und vor allem Willi Ruttensteiner den Einflüsterungen der üblichen Verdächtigen kein Gehör geschenkt hat, fasst offenbar nicht nur der Ex-Teamchef als persönliche Beleidigung auf.
Die geifernde Meute hinter dem enttäuschten Leitwolf ließ jedenfalls nicht lange auf ihr Aufjaulen warten: Frankie Schinkels, Michael Streiter, Roland Kirchler, Andreas Herzog, Roland Hattenberger, und so weiter und so fort – allerorten wurden Vorurteile, Skepsis und Misstrauen gegenüber Koller verbreitet. Kurt Jara ließ in liebenswert dezenter Weise Enttäuschung über die Nichtberücksichtigung seines persönlichen Favoriten durchblicken (“Das Anforderungsprofil hätte auf mich sicher besser zugetroffen”), während TFV-Präsident Josef Geisler tiefempfundener Entrüstung darüber Ausdruck verlieh, dass der Vertrag seines Tiroler Landsmannes Constantini nicht verlängert worden war.
Die Krönung einer skurrilen Woche rund um das Nationalteam war dann die Diskussion einer “Expertenrunde” im Anschluss an den 4:1-Auswärtssieg gegen Aserbaidschan am Freitagabend. Was dort an Plattitüden, längst widerlegten Behauptungen und völlig sinnbefreiten Wortspenden insbesondere durch die Herren Prohaska, Schinkels, Polster und Gregoritsch abgesondert wurde, spottet jeder Beschreibung. Jenseitiger Höhepunkt war das öffentliche Empfehlungsschreiben Prohaskas für Andi Ogris, dem Ruttensteiner aus purer Bosheit einen freien Posten beim ÖFB verweigert hatte, obwohl Ogris Schneckerls Meinung nach schon morgen bei Real Madrid oder Barcelona anheuern könnte – lachhaft, denn wer hierzulande mit mäßigem Erfolg Vereine wie Simmering und den FAC trainiert und mit Prohaska befreundet ist, ist für die Primera Division eigentlich schon überqualifiziert. In Summe zeigte der ORF den fast dreistündigen und abgrundtief ekelhaften Beweis dafür, wie Seilschaften und Protektion in Österreich normalerweise funktionieren und lieferte eine Erklärung dafür, wieso Prohaska seit einigen Tagen aus allen Rohren auf den Neo-Teamchef, Ruttensteiner und den ÖFB feuert. Wie armselig.
Prohaska und seine Haberer – schmollende Legenden, die gemeinsam mit einigen Boulevardmedien Stimmung gegen den Neuen machen, der keiner der Ihren ist: eine beachtliche Hypothek für Koller. Ob er dem zu erwartenden Druck standhält und was er tatsächlich bewegen kann, wird die Zeit weisen; leicht wird die Aufgabe keinesfalls, denn wie bemerkte Lothar Matthäus einst so treffend: “Wir sind eine gut intrigierte Truppe.”
(Lichtgestalt)
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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