Weltmeisterschaft 2006: Satiremagazin Titanic holt die WM nach Deutschland
WM 2014 | Geschichte der WM 11.Juni.2014 Stefan Karger 0
Eigentlich hätte die 18. Fußballweltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden sollen, denn schon zehn Jahre vor dem Turnier erklärte FIFA-Präsident João Havelange, dass nach der Weltmeisterschaft in Asien nun definitiv Afrika an der Reihe sei. Dass es dann anders kam ist einerseits der exzellenten Bewerbungskampagne des deutschen Fußballbunds zu verdanken, andererseits einem Scherz des Satiremagazins Titanic. Während die Deutschen als perfekt organisierter Gastgeber überzeugen konnten, wurde es aus sportlicher Sicht nichts aus dem Sommermärchen.
Franz Beckenbauer machte einen hervorragenden Job als WM-Botschafter und holte nach und nach den Rückstand auf Südafrika auf. Der Neuseeländer Charles Dempsey erwies sich dabei als das Zünglein an der Waage, denn der FIFA-Funktionär favorisierte zunächst England und konnte mit seiner Stimme, nachdem die Engländer aus dem Rennen waren, den Ausgang der Wahl entscheiden. Deutschland führte mit 12:11 Stimmen, doch wenn sich Dempsey für Südafrika entschied, wovon die meisten seiner Kollegen ausgingen, dann sollten die Afrikaner den Zuschlag erhalten, da Blatters Stimme bei Gleichstand doppelt gezählt hätte und dieser das Turnier an eine afrikanische Nation vergeben wollte.
This final fax broke my neck
Martin Sonneborn, der damalige Chefredakteur der Titanic, faxte als Scherz zwei Bestechungsbriefe ins Hotel der Delegation von Dempsey, die die Rezeptionistin unter die Tür des Neuseeländers schob. Sonneborn versprach dem Neuseeländer eine Kuckucksuhr und einen Geschenkkorb mit echtem Schwarzwälder Schinken. Der Neuseeländer fühlte sich schon davor stark unter Druck gesetzt und es gingen Gerüchte um, dass er sich von Südafrika bestechen lassen würde. Er enthielt sich schließlich der Stimme, sodass Deutschland das Turnier mit 12 zu 11 Stimmen zugesprochen bekam. Gegenüber CNN äußerte er: „This final fax broke my neck“.
Klageandrohung und Bild-Leser
Der DFB fand die Aktion des Satiremagazins weniger lustig und drohte mit Schadenersatzforderungen von 600 Millionen Mark, da sie befürchteten, dass das Ergebnis aufgrund des Faxes nun anfechtbar sei. Sonneborn unterschrieb eine Unterlassungserklärung, in der er versprach, dass er zeit seines Lebens nicht mehr Einfluss auf FIFA- und UEFA-Delegierte nehmen würde. Die 600 Millionen Mark würden laut seinen Aussagen nämlich das Jahresgehalt eines Titanic-Redakteurs übersteigen. Die BILD-Zeitung empörte sich über die Aktion der Titanic und rief ihre Leser dazu auf beim Satiremagazin anzurufen und der dortigen Redaktion ihre Meinung zu sagen. Da sie auch gleich die Telefonnummer veröffentlichten bekam die Titanic jede Menge Anrufe, die sie aufnahmen und schließlich als CD mit dem Titel „Bild-Leser beschimpfen Titanic-Redakteure“ auf den Markt brachten. Diesen Spaß wollen wir euch nicht vorenthalten:
Österreich verpasst die WM im Nachbarland deutlich
Das österreichische Nationalteam landete mit 15 Punkten deutlich hinter den zweitplatzierten Polen (24) und den Engländern (25) und ließ nur Nordirland, Wales und Aserbaidschan hinter sich. Legendär war hier Krankls Interview nach dem 3:3-Unentschieden in Nordirland:
Europäische Teams dominieren
Nachdem 2002 etliche Underdogs wie Südkorea, die Türkei, Senegal und die USA überraschen konnten, setzten sich 2006 in erster Linie die Favoriten durch. Im Semifinale waren mit Deutschland, Italien, Frankreich und Portugal nur Mannschaften aus Europa vertreten, Argentinien scheiterte im Viertelfinale erst im Elfmeterschießen an Deutschland, Brasilien verlor gegen die Franzosen mit 1:0 – Thierry Henry erzielte den einzigen Treffer der Partie. Auch die Engländer mussten sich wieder einmal nach einem Elfmeterschießen verabschieden, denn mit Lampard, Gerrard und Carragher scheiterten gegen Portugal gleich drei Akteure vom Punkt. Im Semifinale setzte sich Italien in der Nachspielzeit gegen Deutschland mit 2:0 durch, zwei späte Tore von Fabio Grosso (119.) und Alessandro Del Piero (120.) ersparten der Squadra Azzurra ein Elfmeterschießen. Frankreich setzte sich mit 1:0 gegen Portugal durch, wobei Zinedine Zidane aus einem Elfmeter den einzigen Treffer erzielte. Deutschland gewann das Spiel um Platz 3 gegen Portugal, Italien setzte sich im Finale gegen Frankreich im Elfmeterschießen durch. Alle italienischen Spieler verwandelten ihre Strafstöße, bei den Franzosen vergab David Trezeguet.
Kartenspiele
Miroslav Klose reichten fünf Treffer zum Torschützenkönig, ansonsten kam kein Spieler über drei Tore hinaus. Nie zuvor wurden bei einer Weltmeisterschaft so viele Karten verteilt, die Schiedsrichter zückten 345 Mal gelb und 28 Mal rot. Besonders eifrig war der russische Unparteiische Valentin Ivanov, der im Achtelfinalspiel zwischen Portugal und den Niederlanden 16 gelbe und vier rote Karten austeilte. Der englische Referee Graham Poll stellte dafür den Kroaten Josip Šimunić im Spiel gegen Australien erst nach seiner dritten gelben Karte vom Platz.
Stefan Karger, abseits.at
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