Weltmeisterschaft 2010: Der Europameister kürt sich zum Weltmeister
WM 2014 | Geschichte der WM 11.Juni.2014 Stefan Karger 0
Nachdem 2006 Deutschland den Südafrikanern die Weltmeisterschaft im letzten Moment wegschnappte, machte die FIFA unmissverständlich klar, dass diesmal wirklich ein afrikanischer Staat an der Reihe sei. Südafrika bekam den Zuschlag, der amtierende Europameister aus Spanien setzte sich im Finale gegen die Niederlande durch und kürte sich somit zum ersten europäischen Weltmeister, der das Turnier auf einem der anderen Kontinent für sich entschied.
Nach dem Chaos rund um die WM-Vergabe 2006 führte die FIFA ein Rotatitionsprinzip ein und bestimmte, dass die nächste WM in Afrika und die übernächste in Südamerika stattfinden soll. Südafrika musste sich also nur gegen Konkurrenten vom eigenen Kontinent durchsetzen, wobei sich Marokko als hartnäckigster Gegner herauskristallisieren sollte. Tunesien wollte gemeinsam mit Libyen das Turnier veranstalten, doch die FIFA machte klar, dass sie die WM nur an ein einzelnes Land vergeben würde, sodass Libyen alleine kandidierte. Muammar al-Gaddafi versprach opulente Stadien, kündigte aber an keine israelischen Sportler einreisen zu lassen, womit seine Bewerbung aussichtslos war. Nigeria hatte ebenfalls Interesse, es fehlte aber die politische Unterstützung aus dem eigenen Land. Ägypten schickte den Schauspieler Omar Sharif als Repräsentant ins Rennen, bekam im entscheidenden Wahlkampf jedoch keine einzige Stimme. Südafrika setzte sich mit 14 zu 10 Stimmen gegen Marokko durch, das sich somit zum vierten Mal ohne Erfolg für eine Weltmeisterschaft bewarb.
Schöne Stadien doch noch rechtzeitig fertig
Am Anfang sah es nicht danach aus, dass alle Spielstätten rechtzeitig fertiggestellt werden. Es gab zu Beginn Komplikationen mit den Baugenehmigungen und zahlreiche Streiks sorgten dafür, dass der Zeitplan nicht eingehalten wurde. Als im Juni 2009 der Konföderations-Cup über die Bühne ging, stand das dafür vorgesehene Mandala Bay Stadium nicht zur Verfügung und die Organisatoren mussten auf andere Stadien ausweichen. Schlussendlich waren zu Beginn der Weltmeisterschaft die Bauarbeiten bei allen Arenen abgeschlossen und Südafrika präsentierte tolle Stadien, die nach dem Turnier zum Teil jedoch keine Verwendung fanden. Insgesamt zehn Arenen standen bereit, wobei sechs Spielstätten der Rugby-WM (1995) adaptiert wurden und vier Stadien komplett neu errichtet wurden. Die anvisierten Baukosten von 700 Millionen Euro verdoppelten sich allerdings auf 1,4 Milliarden.
Österreich scheitert an Serbien und Frankreich
Für Österreich begann die WM-Qualifikation äußerst vielversprechend, denn Favorit Frankreich wurde im ersten Spiel daheim mit 3:1 besiegt. Janko (8.), Aufhauser (41.) und Ivanschitz (72.) erzielten die Treffer fürs ÖFB Team, während sich bei den Franzosen nur Govou (61.) in die Schützenliste eintrug. Der erste Sieg gegen die Franzosen nach 38 Jahren entfachte eine Euphorie, die jedoch schnell einen Dämpfer erhalten sollte. Das österreichische Team verlor nämlich das Auswärtsspiel in Litauen mit 2:0 und kam im dritten Gruppenspiel auf den Färöer-Inseln nicht über ein 1:1-Unentschieden hinaus. Am Ende reichte es nur für den dritten Gruppenplatz hinter den Serben, die beide Spiele gegen die ÖFB-Auswahl gewannen, und Frankreich.
Gastgeber scheidet nach Vorrunde aus
In der Gruppe A blamierten sich die Franzosen, die nach internen Streitereien während der Weltmeisterschaft nur ein Unentschieden gegen Uruguay erreichten und die Spiele gegen Südafrika und Mexiko verloren. Mit Südafrika scheiterte zudem das erste Mal überhaupt der Gastgeber einer WM in der Vorrunde. In der Gruppe F landeten überraschend die Italiener auf dem letzten Platz, obwohl die Gruppe mit Paraguay, der Slowakei und Neuseeland durchaus machbar gewesen wäre. Die Neuseeländer spielten übrigens dreimal unentschieden und landeten hinter Paraguay und der Slowakei am dritten Platz.
Erwähnt seien hier zudem die Vuvuzelas, die bei Spielern und Fans vor den TV-Geräten gar nicht gut ankamen. Lautstärken von 130 Dezibel waren keine Seltenheit, in Deutschland untersagten zahlreiche Vereine nach der Weltmeisterschaft die Mitnahme dieses Musikinstruments in die Stadien.
Der weitere Turnierverlauf
Mit Uruguay, Argentinien, Brasilien und Paraguay stiegen alle vier südamerikanischen Mannschaften ins Viertelfinale auf, wobei Paraguay erst im Elfmeterschießen Japan aus dem Turnier warf. Ansonsten setzte sich Ghana nach Verlängerung gegen die USA durch, Deutschland warf England mit 4:1 aus dem Turnier, wobei ein reguläres Tor von Frank Lampard nicht gegeben wurde. Die Niederlande setzten sich mit 2:1 gegen die Slowakei durch, Argentinien gewann gegen Mexiko mit 3:1 und Spanien, das in der Vorrunde das Auftaktspiel gegen die Schweiz überraschend verlor, gewann gegen Portugal mit 1:0.
Im Viertelfinale war dann jedoch für drei der vier Südamerikaner das Turnier vorbei. Deutschland setzte sich eindrucksvoll gegen Argentinien mit 4:0 durch, wobei Trainer Diego Maradona unter Beweis stellte, dass er ein weit besserer Spieler als Coach ist. Die Niederlande gewannen gegen Brasilien (2:1) und Spanien besiegte Paraguay mit 1:0. Lediglich Uruguay konnte die südamerikanische Ehre hochhalten und gewann nach einem intensiven Spiel gegen Ghana im Elfmeterschießen.
Puyol erzielte im Semifinalspiel gegen Deutschland den einzigen Treffer der Partie, während im Spiel zwischen den Niederlanden und Uruguay gleich fünf Tore fielen. Die Niederländer setzten sich letztendlich mit 3:2 durch und trafen im Finale auf die Spanier, die in der K.o.-Phase alle Partien mit 1:0 für sich entschieden. In der regulären Spielzeit fiel kein Treffer, obwohl Arjen Robben in der 60. Minute eine riesige Chance vorfand, letztendlich jedoch an Schlussmann Casillas knapp scheiterte. Iniesta erlöste die Spanier in der 116. Minute, als er den einzigen Treffer der Partie erzielte und den Pokal nach Spanien holte.
Thomas Müller holt goldenen Schuh
Mit Thomas Müller, David Villa, Wesley Sneijder und Diego Forlan erzielten gleich vier Spieler fünf Treffer. Da Müller mit drei Vorlagen die meisten Assists beisteuerte, bekam der deutsche Nationalspieler den “Goldenen Schuh“ verliehen. Diego Forlán wurde zum besten Spieler des Turniers gewählt, Iker Casillas zum besten Torhüter. Spanien sicherte sich nicht nur den Weltmeistertitel, sondern bekam zudem auch die Fairplay-Trophäe verliehen.
Außer Spesen nichts gewesen?
Solidar Suisse veröffentlichte eine Studie über die sozioökonomischen Auswirkungen der Weltmeisterschaft. Die FIFA machte einen satten Gewinn und auch die meist ausländischen Bauunternehmen profitierten extrem von den zahlreichen Aufträgen, da nicht nur die Stadien, sondern auch beispielsweise Flughäfen und ein neues Eisenbahnsystem errichtet wurden. Einheimische Händler mussten eine Gebühr von umgerechnet 6.200€ bezahlen, um Essen in einem Umkreis von 1,5 Kilometern bei den Stadien verkaufen zu dürfen. Eine Summe, die für die meisten Ein-Personen-Unternehmen astronomisch hoch und unbezahlbar war. Während sich also die FIFA über einen Gewinn von zwei Milliarden Euro freute, schaute der Großteil der heimischen Händler erwartungsgemäß durch die Finger. So wie 2014 in Brasilien kam es beim Bau der neuen Stadien auch in Südafrika zu zahlreichen Zwangsräumungen von Wohnungen, die die ärmsten Schichten der Bevölkerung trafen.
Stefan Karger, www.abseits.at
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