WM 2002: Ronaldo erledigt Deutschland und sichert Brasilien den fünften WM-Titel
WM 2014 | Geschichte der WM 10.Juni.2014 Leonard Dung 0
Heute blicken wir auf das Weltmeisterschaftsfinale 2002 in Yokohama, das Brasilien 2:0 gewann. Das Spiel wurde durch einen Schnitzer Oliver Kahns, des wohl besten Turnierspielers, entschieden.
Der Weg ins Finale
Deutschland hatte im Turnierverlauf, bis auf das 8:0 gegen Saudi-Arabien, bloß biedere Vorstellungen abgeliefert. Die ganze Mannschaft trat sehr destruktiv auf, zumal mit Scholl einer der wenigen Kreativspieler fehlte. Dass sie trotz ihrer Inspirationslosigkeit das Finale erreicht hatten, lag an mehreren Gründen. Zum einen hatte sich Deutschland nur mit verhältnismäßig kleinen Kalibern auseinandersetzen müssen. Zum anderen stellte Deutschland eine stabile Defensive, die bis zum Finale nur ein Gegentor kassiert hatte. Gepaart mit etwas Glück und der individuellen Qualität von Ballack und Kahn hatte das dazu geführt, dass sie Paraguay, USA und Südkorea jeweils mit 1:0 bezwangen. Allerdings mussten sie auf Ballack im Finale ob einer Gelbsperre verzichten.
Auch Brasilien hatte sich, in einem von Sicherheit geprägten Turnier, nicht durchgehend überzeugend präsentiert. Dennoch versprühten sie mehr kreatives Esprit als ihr Finalgegner, weswegen sie als Favoriten galten. Sie erzielten die meisten Tore, allein Ronaldo hatte die Kugel bis dato sechsmal im Kasten versenkt. Gegen Belgien hatten sie 2:0 gesiegt. England war trotz des Platzverweises für Ronaldinho 2:1 geschlagen worden und im Halbfinale hatte dann die Türkei mit 0:1 die Segel gestrichen.
Die Aufstellungen
Brasilien formierte sich in einem 3-4-2-1-System. Sie setzten auf den zuverlässigen Marcos im Tor. Die Dreierkette bildeten Lucio, Edmilson und Roque Junior. Während Cafu rechts und Roberto Carlos links die Außenbahnen beackerten, räumte Gilberto Silva vor der Abwehr ab. Im zentralen Mittelfeld erfüllte Kleberson eine variable Rolle, vor ihm agierten Ronaldinho und Rivaldo. Natürlich besetzte Ronaldo, Brasiliens Topstar, die Sturmspitze. Luiz Felipe Scolari war der Trainer.
Rudi Völler hatte sich ebenfalls für eine Dreierkette entschieden, jedoch lief Deutschland mit einem offensiven Mittelfeldspieler und zwei Stürmern auf. Kahn, der ihnen schon einige Siege gerettet hatte, hütete das Tor. Davor durften sich Linke, Ramelow, der sich überraschend pressingresistent präsentierte, und Metzelder beweisen. Das defensive Mittelfeld bestand aus Hamann und Jeremies, Frings bespielte den rechten Flügel und Bode spielte links. Schneider fungierte im offensiven Zentrum als Kreativspieler, der Neuville und Klose einsetzen sollte.
Deutschland übernimmt das Steuer
Der Außenseiter erwischte den besseren Start. Die DFB-Auswahl spielte schnell in die Spitze, dabei suchten sie vor allem den Weg über die Flügel. Nach knapp zehn Minuten kreierten sie die erste passable Torchance. Nachdem sie über den rechten Flügel durchgebrochen waren, konnte Brasilien die anschließende Flanke noch gerade so klären. Sie überwanden die Manndeckungen der Brasilianer mit recht einfachen Mitteln. Ein Spieler bot sich kurz an, zog damit den Innenverteidiger mit aus der Abwehrkette und versuchte nach anschließender Ballabgabe, seinen Kontrahenten zu überlaufen.
Obwohl Deutschland anfangs den Ton angab, geriet Brasilien nicht in eminente Bedrängnis. Das lag zum einen daran, dass Deutschlands Offensivspieler nicht ausreichend von ihren Hintermännern unterstützt wurden. Da Hamann und Jeremies sich ihre Daseinsberechtigung primär in der Defensive verdienten, war das deutsche Offensivtrio immer einer Unterzahlsituation ausgesetzt.
Dazu kommt, dass Bode und Frings auf den Flügeln allgemein keine herausragenden Techniker waren, wobei Letzterer ein gutes Spiel ablieferte, so dass viele Flügelangriffe keine große Gefahr ausstrahlten. Hingegen misslangen Bode viele einfache Aktionen wegen technischer Unzulänglichkeiten. Zum anderen hatten es die Stürmer schwer, sich in der Luft gegen die brasilianischen Verteidiger durchzusetzen. Diesbezüglich mangelte es an der Kopfballstärke Ballacks.
Brasilien wird stärker
Im zweiten Abschnitt der ersten Halbzeit diktierte die Seleção zunehmend das Tempo, obwohl sie, mit einer Ausnahme, keine guten Torchancen kreierten. Brasilien war im Offensivspiel variabler, weil sich ihre Offensivspieler freier bewegten. Sie profitierten davon, dass sie mit Ronaldo nur einen Stürmer hatten, zumal dieser sich immer wieder in den linken Halbraum absetzte. Ronaldinho und Rivaldo hielten nicht starr ihre Positionen, sondern tauschten sie immer wieder miteinander. Manchmal ballten sie sich auch beide in einem Halbraum. Obgleich ihre Bewegungen nicht perfekt aufeinander abgestimmt waren, stifteten sie zumindest Verwirrung.
Ronaldinho zeigt eine sehr ansprechende Leistung. Er bewegte sich gut und spielte präzise Pässe, um das Spiel zu verlagern. Damit verband er die Mannschaftsteile besonders horizontal untereinander, was Kombinationsmöglichkeiten eröffnete. Anders als in späteren Jahren versuchte er keine extravaganten Aktionen, sondern glänzte durch Einfachheit und Effektivität. Er brachte auch Cafu mit seinen Pässen ins Spiel, der sich nach unauffälliger Anfangsphase besserte. Des Weiteren spielte Ronaldinho in der 19. Minute den Traumpass auf Ronaldo, der die erste Großchance der Seleção einleitete. Der Stürmer spitzelte den Ball allerdings am Gehäuse vorbei.
Deutschland im Glück
Gegen Ende der ersten Halbzeit brach die DFB-Elf ein. Brasilien schuf in vier Minuten drei große Torgelegenheiten. Jedoch scheiterte Ronaldo am exzellent parierenden Kahn, Kleberson traf mit einem fantastischen Fernschuss nur die Latte. Kleberson war überhaupt der Spieler, den Deutschland vermisste. Während bei Deutschland die vorderen drei Akteure häufig von ihren Mitspielern isoliert waren, stieß Kleberson immer wieder vor, um eine vertikale Verbindung herzustellen. Er frequentierte dabei neben der Zentrale verstärkt den rechten Flügel. Durch seine Dynamik und Kreativität aus tiefen Zonen gelang es Brasilien endgültig, Mittel zu finden, um Deutschlands Manndeckungen zu überwinden.
Das kluge Öffnen von Räumen, das Brasilien vorweisen konnte, fehlte Deutschland ebenfalls. Die Offensivspieler ließen sich immer wieder etwas fallen, um ihren Gegenspieler aus der Verteidigung herauszulocken, so dass ein Mitspieler den Freiraum nutzen konnte. In einer anderen Szene in der 42. Minute driftete Ronaldinho auf die rechte Seite, womit er den linken defensiven Mittelfeldspieler mit auf den Flügel zog. Dieser öffnete somit den Passweg durch die Schnittstelle zwischen Metzelder und Ramelow, wodurch ein Steilpass auf den heranstürmenden Kleberson ermöglicht wurde. Auf diese Weise provozierte Brasilien Stellungsfehler.
Indes hatte sich die Seleção besser auf Deutschlands Spielaufbau eingestellt. Deutschland forcierte vor allem direkte Pässe aus der Innenverteidigung auf die Stürmer, die von Brasiliens Innenverteidigern nun konsequent bei der Ballannahme gestört wurden. Wenn Klose oder Neuville den Ball behaupten konnten, mangelte es an den Passverbindungen, um den Angriff auszuspielen. Schneider erbrachte eine gute Leistung, dennoch war die Bürde als einziger deutscher Kreativspieler zu schwer. Technische Fehler trugen ihr Übriges dazu bei, dass Brasilien spielerischer, ruhiger und reifer wirkte.
Brasilien erringt den Titel
Dennoch gingen die ersten Torchancen nah der Halbzeitpause auf Deutschlands Konto. Jeremies‘ Kopfball nach einer Ecke blockte Edmilson ab, anschließend lenkte Marcos Neuvilles Freistoß mit einer Glanzparade an den Pfosten. Deutschland stabilisierte sich nun wieder, doch an der taktischen und individuellen Dominanz ihres Gegners änderte das nichts. In der 67. Minute geschah es dann: Hamann verlor den Ball 20 Meter vor dem eigenen Tor. Rivaldo ließ sich nicht zweimal bitten und schoß, woraufhin Kahn den Ball abklatschen ließ, weshalb Ronaldo abstaubte. Zu Kahns Ehrenrettung sollte man aber hinzufügen, dass er sich in der 52. Minute am Finger verletzt hatte.
Vor dem 2:0 überquerte Kleberson ungestört fast das halbe Feld, ehe er querlegte. Rivaldo ließ den Ball passieren, Ronaldo vollstreckte erneut. Weil es Völler misslang, von der Bank frische Impulse zu setzen, konnte Deutschland nicht mehr zurückschlagen. Er verfügte über keine hochkarätige Auswahl, dennoch wäre wohl etwas mehr möglich gewesen. Er hätte Ricken einwechseln können, um die Kreativität zu erhöhen, oder Jancker für einen Defensivspieler, um sich über die Brechstange ins Spiel zurückzukämpfen. Stattdessen behielt er die eher defensive Grundordnung bei.
Obwohl die deutsche Mannschaft ihre womöglich beste Turnierleistung zeigte, konnten sie ihre generelle Unterlegenheit nicht kompensieren. Brasilien hatte bessere Verbindungen in der Offensive und handhabte die gegnerischen Manndeckungen raffinierter. Deutschland produzierte zwar einige Torschüsse, diese stammten jedoch meistens aus größerer Entfernung. Brasilien spielte seine Angriffe konsequenter aus. Zudem erwischten seine Stars den besseren Tag. Kleberson spielte überragend und Ronaldo schoss nach guter Leistung die entscheidenden Tore. Indes verschuldeten die Schwarzweißen das 0:1 durch zwei kapitale individuelle Fehler. Da Brasilien diese beiden Faktoren, ihre spielerische und ihre individuelle Stärke, gut einsetzte, gewannen sie folglich verdient in einem unterhaltsamen und spannenden WM-Finale.
Leonard Dung, abseits.at
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