Die WM und ich – Halbfinale: Deutschland gegen Brasilien
WM 2014 | Kommentar 11.Juli.2014 Marie Samstag 0
„Bum, heit‘ hamma a Schraub’n kriegt.“, hätte Luis Felipe Scolari gesagt, wenn er Rapid-Legende Franz „Bimbo“ Binder wäre. Gut, das war jetzt ein ebenso förderlicher Einstieg in den drittletzten Teil meiner WM-Kolumne, wie die Erkenntnis dass „Mama“ „Bier“ heißt, wenn man vier Buchstaben ändert. Die 1:7-Schlappe macht mich und die gesamte Fußballwelt ganz konfus. Rücksichtlos brachten die schwarz-roten Deutschen kleine Kinder zum Heulen und begruben so den brasilianischen Traum vom WM-Titel. Jetzt kann die Selecao Red Bull Salzburgs Gefühle an einem gewissen Ostersonntag nachvollziehen, im Gegensatz zur österreichischen Elf schafften die Samba-Kicker aber immerhin noch den Ehrentreffer.
Die DFB-Elf hat sich dienstags in einen richtigen Rausch gespielt: Massendynamik lässt grüßen. Die Offensivspieler mit dem Adler auf der Brust zauberten ein attraktives Kurzpassspiel gegen eine schwache brasilianische Elf auf den Rasen. Ein absolut verdienter Sieg einer effizienten Truppe. Auf Seiten des Gastgebers fehlte jegliches „jogo bonito“, dafür hat man bei den Deutschen einen „Jogi Bonito“ auf der Bank und darf auf den vierten WM-Titel hoffen. Die Statistik spricht schon die ganze Zeit für die Deutschen: Brasilien wurde 1970 Weltmeister und holte auch 24 Jahre später wieder den Pokal. Italien krönte sich 1982 zum Fußballkönig und war auch 2006 in Berlin Endspielsieger. Die Deutschen „sackelten“ den Weltmeisterpokal zuletzt 1990 ein – 2014: Bald werden wir‘s wissen!
Tu-,Turn-,TURNIERMANNSCHAFT
Philipp Lahm meinte bereits vorab, dass dieses Team die beste Nationalmannschaft sei, in der er je gespielt habe. Deutschlands Erfolgsgeheimnis: Vor Beginn der Endrunde waren alle skeptisch: Hohe Temperaturen, Löws Taktik, Verletzungssorgen, zu viel Harmonie, etc. Die Mannschaft ließ sich von diesen medialen Prognosen nicht beirren, man scheint wirklich ein Team wie im Bilderbuch zu sein: Mit Sportsgeist, Kameradschaftssinn und Siegeswillen. Der Unorthodoxe (Müller), der Block (Boateng), der Polier (Kroos), der verlässliche Oldie (Klose), der Mutige (Neuer), die Stütze (Hummels), der Gescholtene (auch den muss es geben; Özil) machen eine gefährlich-bunte Mannschaft aus. Ihrem Ruf gerecht steigerten sich die Deutschen nach einem ordentlichen Auftakt (gegen Portugal) und dem üblichen schweren Spiel (Algerien) wieder tüchtig. Verwunderlich ist nur, dass man auch gegen Ghana und die USA (noch) nicht ganz überzeugend agierte, doch das ist jetzt Schnee von gestern.
Das einzige, das den Deutschen jetzt noch gefährlich werden könnte, ist die Siegesgewissheit. Viele die mit unserem nördlichen Nachbarland generell Arroganz und Überheblichkeit assoziieren, müssen ihr Weltbild wohl neu zimmern. Die deutschen Kicker waren fast schon „grauslich“ sympathisch, so erzählte Mats Hummels über den Schlachtplan in der Pause des Spieles: „Man muss dem Gegner Respekt erweisen. Wir haben uns vorgenommen, jetzt nicht zu zaubern, sondern die Sache gut über die Runden zu bringen.“ Wer’s glaubt, wird sich mit „blindem“ DFB-Hass in Zukunft schwer tun. Auch im Hinblick auf das Finale übt man sich schon wieder in Demut: „Wir haben noch nicht das erreicht, was wir erreichen wollen.“, sagt Oliver Bierhoff.
Nicht nur vor dem Beginn dieser Endrunde, sondern auch vor dem Halbfinale „wussten“ Experten und Medienfachleute: Die Deutschen seien saft- und kraftlos. Der Siegeswille würde fehlen. Fünf „Bummerl“ in 29 Minuten zeugen von einem anderen Bild. Brasilien mutierte zur, von Per Mertesacker erwähnten, Karnevalstruppe. Dieser Überraschungseffekt ist für die Deutschen jedoch nun endgültig gestorben, jeder rechnet fix mit einem Sieg im Finale, schließlich spielten die Argentinier mehr als mittelprächtig, erwiesen sich lediglich taktisch als hochinteressante Mannschaft. Die WM-Tore der „Albiceleste“ erledigte zudem zur Hälfte Messi; Rojo, Di Maria und Higuain steuerten die restlichen Treffer bei. Auch ein gegnerischer Kicker „erbarmte“ sich und verhalf Argentinien zum Weiterkommen. Reichlich wenig Material für einen Weltmeistertitel, vor allem, wenn man sich die Spielverläufe ansieht. Zwar hat ein Finale eigene Gesetze, die Südamerikaner können sich aber glücklich schätzen, den Papst auf ihrer Seite zu haben. Den werden sie brauchen, obwohl dieser zu Beginn der WM gelobt hatte, aus Respekt vor Brasilien, bei seinem „Chef“ nicht um göttlichen Beistand für die „Seleccion“ anzusuchen.
Mit Schweinsteiger, Podolski, Klose und Lahm stehen Spieler im DFB-Kader, die seit 2006 gierig nach einem Titel mit der Nationalmannschaft hungern. Apropos Podolski: Er war der Hoffnungsträger beim „Sommermärchen“ 2006, der linksfüßige Erbprinz des deutschen Fußballs und „Stürmer Sorglos“ mit rheinländischer Seele. Mittlerweile ist es um „Poldi“ ruhiger geworden.
Ein Prinz ohne Königreich?
Gegen die USA spielte er eine lauwarme erste Hälfte, gegen Portugal wird er beim Stand von 4:0 in Minute 82 eingewechselt. Die DFB-Elf funktioniert auch ohne den Arsenal-Legionär (am Platz – ist man geneigt hinzuzufügen). Denn obwohl der Deutsch-Pole selbstbewusst vor dem ersten Gruppenspiel meinte: „Meine Rolle ist hier bestimmt nicht, den Spaßvogel zu machen. Ich lasse mich nicht darauf reduzieren, nur hier dabei zu sein, weil ich gute Stimmung reinbringe. Ich bin dabei, weil ich die Qualität habe, hier dabei zu sein.“, ist der Instinktfußballer Podolski als Stimmungsheber und „Trainingsbrennpaste“ für die Mannschaft unendlich wichtig. Kumpel Schweinsteiger dagegen hat es leichter: Seine Position ist der ausschlaggebende Faktor. Der Oberaudorfer blieb seinem Jugendverein Bayern treu und wechselte dort von der Seite in die Mitte. Schweinsteiger avancierte zum defensiven Rückgrat der „Roten“ und der Nationalmannschaft – „ein richtiger Führungsspieler“, muss auch Podolski zugeben. Auch wegen „Schweinis“ Verletzung begruben viele Deutsche vorausschauend den vierten WM-Titel, der fast 30-Jährige steht aber tüchtig seinen Mann und spielt. Im Gegensatz zu Podolski, dessen schrittweiser Rückzug aus der Nationalmannschaft seit 2009 beschlossene Sache scheint. Rückzug ist etwas hart gesagt, doch den Stammplatz haben ihn die neuen Jungen schon gekostet. „Der Lukas“ gehöre aber trotzdem zur Mannschaft, betont Löw immer wieder gebetsmühlenartig. So benimmt er sich auch: „Pod“ ist da, wenn man ihn braucht. Doch er hat das Nationalteam noch zu keinem Titel geschossen – vielleicht wird dies (de facto) am Sonntag anders.
Marie Samstag, abseits.at
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