Kommentar | Wieso Chile der Selecao heute alles abverlangen wird
WM 2014 | Kommentar 28.Juni.2014 Tobias Robl 0
Wenn das brasilianische Nationalteam heute im ersten Achtelfinale auf die Mannschaft aus Chile trifft, gibt es vielleicht mal wieder eine große Überraschung bei diesem Turnier. Auf jeden Fall dürfte Scolaris Brasilien deutlich mehr Probleme gegen die Mannschaft Sampaolis kriegen, als von der breiten Öffentlichkeit erwartet.
In diesem Artikel möchte ich auf die Eigenheiten des brasilianischen Spiels mit dem Ball und auf mögliche Probleme eingehen, die gegen das chilenische Defensivkonzept entstehen könnten. Dabei geht es jedoch nur um ein paar grundlegende theoretische Überlegungen, die für die Selecao gegen den Außenseiter eventuell relevant werden.
Brasiliens Aufbaumechanismen über die Halbräume gegen Chiles Fünferkette
Brasiliens Aufbaumechanismen werden vom tiefen, oftmals abgekippten Sechser Gustavo angestoßen und in der Regel über die Außenverteidiger nach vorne getragen. Der zweite Sechser agiert meist nach rechts versetzt im Halbraum und holt sich hier immer wieder Bälle ab, oder schiebt als Raumöffner und –blocker nach vorne.
Angriffe aus dem Halbraum spielt Brasilien über die linke Seite mit vielen Rochaden und Überladungen, während über den rechten Flügel Angriffe eher linear und direkt vorgetragen werden, was nicht selten in langen Bällen hinter die Abwehr endet.
Beide Varianten könnten gegen die Chilenen problematisch werden. Die 3-4-1-2-Formation der Mannschaft gegen den Ball sichert zentrale Räume gut ab und lässt auch Verlagerungen über die Mitte selten zu. Wenn Marcelo und Alves in Aufbausituationen den Ball erhalten, kann es passieren, dass sie vom Rest der Mannschaft isoliert werden und hier bereits erste unangenehme Situationen entstehen.
Diese Situationen im Aufbau löst die Selecao dann in der Regel auf der linken Seite über die angesprochenen Rochaden und auf rechts über vertikale Zuspiele von den Außenverteidigern hinter die Abwehr. Vor allem wenn Hulk vom rechten Flügel kommt, stößt er diese Spielweise immer wieder an, indem er durch sein weites Einrücken dabei hilft den linken Flügel zu überladen und den rechten für Tiefensprints von Neymar öffnet.
Chiles Dreierkette dürfte diese Tiefensprints aber durch die Halbverteidiger relativ gut abfangen können. Genauso gute Chancen dürften sie haben die Verbindungen der Brasilianer in die Mitte zu kappen. Hier wird entscheidend sein, wie gut Brasilien mit den Mannorientierungen der Chilenen umgeht und diese dann auch bespielt.
Hohe Außenverteidiger und Kontergefahr
Will Scolari das Zentrum stärker für den Angriffsvortrag nutzen, bleibt ihm vermutlich nichts anderes übrig, als die Außenverteidiger weiter nach vorne zu schieben, damit die Flügelspieler frei werden und in die Halbräume gehen können. Oscar und Neymar würden sich dann auch mehr am Spielaufbau beteiligen und dem chilenischen Pressing etwas die Intensität nehmen.
Scheitern könnte dieser Plan allerdings an einer ungenügenden Besetzung des Zwischenlinienraums, bzw. der Tatsache, dass in letzter Linie einfach zu wenig Präsenz vorhanden wäre. Die Außenverteidiger würden zudem ineffektiv bleiben, weil sie schlicht und einfach mannorientiert von den chilenischen Flügelläufern aufgenommen werden könnten. Außerdem würde man durch diese breite und offene Staffelung relativ anfällig für Schnellangriffe über die Halbräume oder den Flügel. Hier könnte dann Kapitän Thiago Silva eine entscheidende Rolle zukommen.
Fazit
Vor allem für Neymar und die beiden Außenverteidiger wird dieses Spiel vermutlich relativ unangenehm werden. Die hohe Intensität der chilenischen Spielweise wird Scolaris Mannschaft einiges abverlangen, die sich den ein oder anderen Plan gegen Sampaolis 3-4-1-2 zurechtlegen sollte, das perfekt auf die Brasilianer zugeschnitten scheint. Spielentscheidend wird vermutlich sein, inwieweit es Brasilien schafft das Zentrum zu nutzen und sich nicht am Flügel isolieren zu lassen. Eventuell entscheidet sich Scolari, ähnlich wie van Gaal, aber auch den Chilenen den Ball zu überlassen und selbst kurze und schnelle Angriffe spielen zu lassen.
Tobias Robl, abseits.at
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Tobias Robl
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