Altstars vorne, Probleme hinten: Das ist die Mannschaft der Elfenbeinküste
WM 2014 | Mannschaftsanalyse 10.Juni.2014 Tobias Robl 0
Unter Trainer Sabri Lamouchi, der seit 2012 im Amt ist, spielt die Elfenbeinküste formativ eine Mischform aus 4-3-3 und 4-2-3-1. Charakteristisch für die Elfenbeinküste sind viele lange Bälle im Spielaufbau und weiträumige Pässe auf die schnellen Außen, die viel in Eins-gegen-Eins-Situationen gehen.
Sind die langen Bälle zum einen ein Stilmittel und werden bewusst gespielt, stehen sie trotzdem sinnbildlich für die Probleme im Spiel der Ivorer: wirklich gut ausgeführte gruppentaktische Bewegungen im Mittelfeld, um einen flachen Aufbau vom ersten ins zweite Drittel zu ermöglichen, sind Mangelware. Meistens fehlt es am richtigen Timing und der sauberen Ausführung, sodass gegnerische Teams immer wieder relativ leicht die Verbindungen nach vorne kappen können.
Den Posten im Tor der Elfenbeinküste wird der 34 Jahre alte Boubacar Barry bekleiden. Barry, der in Belgien beim KSC Lokeren spielt, gilt als guter Torwart auf der Linie, hat aber Probleme im Mitspielen. Er nimmt weder fußballerisch groß am Spiel teil, noch zeigt er sich allzu aktiv beim Ablaufen langer Bälle. Die Ersatzleute sind mit Sylvain Gbohouo von Séwé Sport und Sayouba Mandé von Stabaek zwei komplett unerfahrene Torhüter.
Mit Sol Bamba und Didier Zokora spielen in der Innenverteidigung zwei Akteure von Trabzonspor. Dass beide Woche für Woche nebeneinander verteidigten, ist vermutlich auch der Grund, warum sich Lamouchi gegen Kolo Toure, der allerdings auch bei Liverpool kein Stammspieler ist, und für Bamba sowie Zokora entschieden hat. „VerteidigTen“ deshalb, weil Didier Zokora Trabzon gegen Ende der vergangenen Saison verließ und sich nach der WM auf Vereinssuche begeben wird.
Beide verkörpern jedoch gerade in der Spieleröffnung kein internationales Format. Diese Aufgaben übernehmen in der Regel Mittelfeldspieler. Nur für lange Bälle werden die Innenverteidiger konsequent als Spieleröffner genutzt. Oftmals fällt auch einer der beiden Sechser zwischen die Innenverteidiger.
Dass beide körperlich robust und stark im direkten Zweikampf sind, wirkt sich auch auf ihre Spielweise aus: Beide halten eher die Mitte des Spielfeldes und rutschen selten zum Flügel durch, um in Räumen zu agieren, in denen sie ihre Stärken nutzen können.
Neben Kolo Touré kann auch der körperlich robuste Ousmane Viera von Caykur Rizespor in der Innenverteidigung der Ivorer spielen.
Neben Arthur Boka vom VfB Stuttgart auf der linken Seite, spielt mit Serge Aurier ein Mann vom FC Toulouse auf der rechten Außenverteidigerposition.
Das Spiel der Elfenbeinküste sieht in der Aufbauphase viel tiefen Ballbesitz vor, weshalb sich die Außenverteidiger im Spielaufbau auch erst einmal zurück halten und nicht nach vorne schieben, sondern sich an der Zirkulation des Balles beteiligen.
Während Boka diese tiefe und zirkulationsfördernde Position beibehält und erst im späteren Angriffsverlauf situativ lange Sprints nach vorne zeigt, wird Aurier anders eingebunden.
Durch gegenläufige Bewegungen diverser Spieler mit Aurier schafft die Elfenbeinküste es immer wieder gut, den erst 21-Jährigen am Flügel freizuspielen. So kippt zum Beispiel Gervinho immer wieder vom Flügel zur Mitte oder Toure lässt sich aus höheren Zonen zurückfallen, um das Zentrum zu überladen und als Konsequenz ein Einrücken der umliegenden Mittelfeldspieler zu provozieren. Im entstehenden freien Raum wird dann Aurier angespielt.
Ersatzleute für die Außenverteidigerpositionen sind der bundesligaerprobte Constant Djakpa, sowie der flexible Jean-Daniel Akpa Akpro.
Der tiefe Spielaufbau läuft in der Regel über Cheick Tiote, der eine der beiden Sechser-Positionen einnimmt. Er übernimmt die Aufbauarbeit vom rechten, tiefen Halbraum aus und versucht von dort immer wieder diagonal nach vorne in die gegnerische Formation zu spielen oder das Spiel über einen zentralen Spieler auf die andere Seite zu verlagern. Bei seinen Pässen zeigt er immer wieder leichte strategische Schwächen und erzeugt somit immer wieder mal die ein oder andere enge Situation im Aufbau, auch weil er sich oft nicht ideal positioniert und zu weit weg von seinen Mitspielern agiert.
Gegen den Ball ist er extrem laufstark und aggressiv, agiert zuweilen etwas ungestüm und muss öfter zu taktischen Fouls greifen. Neben Tiote ist Serey Die vom FC Basel wohl die zweite Alternative. Er ist ähnlich aggressiv und bissig wie Tiote, ihm kommt im Aufbau aber keine so tragende Rolle zu, wenn er nicht zwischen die Innenverteidiger abgekippt spielt.
Yaya Toure von Manchester City komplettiert das Mittelfeld schließlich. Er kommt im Nationalteam etwas offensiver zum Einsatz als bei City und zeichnet sich durch eine hohe Vertikalität in seinem Spiel aus. In der aktuellen Form dürfte er wohl der beste Spieler des Teams sein.
Eine Option fürs defensive Mittelfeld ist Ismael Diomandé von Saint-Étienne.
Auf dem Flügel ist die Elfenbeinküste im internationalen Vergleich durchaus respektabel besetzt. Mit Kalou und Gervinho hat man zwei schnelle, recht lineare und dennoch etwas unterschiedliche Spielertypen auf dem Platz.
Gervinho, der Mann vom AS Rom, agiert mehr ins Zentrum gezogen, rückt oftmals ein und hilft die Mitte zu überladen. Die Wechselwirkung mit Aurier (oben beschrieben) in Verbindung mit Anspielen von Tiote aus dem tiefen Halbraum in den Zwischenlinienraum sind ein Aufbauschema, das die Elfenbeinküste immer wieder zu nutzen versucht, welches aber oftmals wegen gruppentaktischer Unsauberkeit nicht funktioniert. Dazu kommt, dass Gervinho diese Spielweise im Engenspiel auch nicht zu hundert Prozent liegt.
Agiert er hingegen nicht auf der rechten Seite, sondern kommt vom linken Flügel, kann er seine Aktionen näher an der gegnerischen Abwehr aus einer breiteren Position starten und wirkt dabei dynamischer.
Diese Spielweise ähnelt dann fast schon ein bisschen der von Kalou, der auf der linken Seite zuhause ist. Er agiert ungefähr aus den selben Räumen wie Gervinho, geht aus diesen allerdings linearer Richtung Tor und läuft Schnittstellen der gegnerischen Viererkette an, um den Ball nach Steilpässen dahinter zu erhalten.
Alternativen für die Flügel hat Coach Sabri Lamouchi zur Genüge: Mathis Bolly von Fortuna Düsseldorf, Max Gradel von Saint-Étienne oder auch den flexiblen Didier Ya Konan von Hannover 96.
Im Angriff ist Kapitän Didier Drogba gesetzt. Dieser ist kein klassischer Strafraumstürmer, sondern bindet sich häufig in das hohe Kombinationsspiel der Elfenbeinküste rund um den Sechzehnmeterraum ein. Er dient als Anspielstation im Zwischenlinienraum, legt viele Bälle ab und öffnet durch kurze und intelligente Bewegungen im Spiel gegen die Innenverteidiger des Gegners Passwege und kleine Räume.
Seine körperlich robuste Art und sein starkes Kopfballspiel machen ihn zudem zum Zielspieler der Ivorer, der immer wieder das Ziel der langen Bälle aus dem Spielaufbau ist. Dabei agiert er bei diesen Zuspielen nicht direkt gegen die Innenverteidiger, sondern erhält diese eher zwischen den Sechsern und der Innenverteidigung und legt die Zuspiele entweder nach hinten oder zur Seite ab, leitet sie meistens jedoch einfach auf die einrückenden Flügelspieler oder den aufrückenden Yaya Toure zu weiter.
Die Optionen zusätzlich zu Drogba sind Giovanni Sio vom FC Basel und der immer stärker werdende Wilfried Bony von Swansea City, der vor einem Jahr die Torjägerkanone in den Niederlanden gewann.
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Tobias Robl
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