Die Innenverteidigung als Achillesferse: Das darf man von der Schweiz erwarten!
WM 2014 | Mannschaftsanalyse 1.Juni.2014 Alexander Semeliker 0
Die Schweiz gehört zu den Vorbildern, wenn es darum geht, aus beschränkten Möglichkeiten das Maximum herauszuholen. Im Nachwuchsbereich fuhren die Eidgenossen in den letzten Jahren einige tolle Erfolge ein und ernten nun die Früchte. Im Kader tummelt sich der eine oder andere Nachwuchs-Europa- oder -vizeeuropameister.
Die Nummer eins im Kasten der Schweizer ist Diego Benaglio. Der 30-Jährige spielt seit sechs Jahren für den VfL Wolfsburg und gehört in der Bundesliga, die ohnehin einen hohen Tormann-Standard hat, zu den besten und verlässlichsten Schlussmännern. Auch die Torhüter Nummer zwei und drei werden ab der kommenden Saison in der Bundesliga spielen. Yann Sommer, der unter anderem gegen Red Bull Salzburg außerordentlich gut hielt und fußballerisch stärker als Benaglio ist, wechselt zu Borussia Mönchengladbach und Roman Bürki vom Grasshopper Club Zürich zum SC Freiburg. Die Dichte ist also hoch.
Als Duo in der Innenverteidigung fungierten während der Qualifikation Steve von Bergen und Johan Djourou, zwei eher unscheinbare Abwehrspieler. Djourou spielte beim HSV keineswegs eine überzeugende Saison, ist an guten Tagen aber jemand, der in brenzligen Situationen den Überblick bewahrt, und traut sich mit dem Ball einiges zu. Von Bergen ist konstanter, aber auf etwas niedrigerem Niveau. Mit Fabian Schär haben die Schweizer außerdem einen starken Youngster in der Hinterhand. Der 22-jährige Basler ist ein robuster Innenverteidiger moderner Prägung, musste in der letzten Saison aber einige Verletzungen wegstecken. Der vierte Innenverteidiger ist mit Philippe Senderos ein ehemals hoch angesehenes Talent. Der heute 29-Jährige konnte sein Potenzial aber nie völlig ausschöpfen.
Die Positionen auf den defensiven Außenbahnen sind fest einzementiert. Rechts spielt mit Juves Stephan Lichtsteiner einer der besten Außenverteidiger der Serie A. Die Leistungskurve des 30-Jährigen neigt sich zwar langsam aber sicher nach unten, aber vor allem offensiv ist auf ihn weiterhin Verlass. Hinter ihm lauert mit Martin Lang ein konservativer ausgerichteter Spieler. Auf der linken Seite findet man in Ricardo Rodriguez einen der Aufsteiger der abgelaufenen Bundesliga-Saison. Der Wolfsburg-Legionär ist dynamisch und legt sein Spiel extrem balanciert an. Der 21-Jährige steht vor einer großen Zukunft. Sein Ersatz ist mit Reto Ziegler ein Routinier, der in seiner Karriere schon viel herumgekommen ist und ebenfalls nach vorne drängt.
Im zentralen Mittelfeld dominiert vor allem ein Trio, das bei der SCC Napoli unter Vertrag steht. Angeführt wird es von Kapitän Gökhan Inler: ein Allrounder, der sich in die Offensive einschalten kann, über ein sicheres Passspiel verfügt und defensiv strategisch gut agiert, viele Bälle erobert. Neben dem unscheinbaren Spielgestalter agiert Valon Behrami, der vertikal ebenfalls viel pendelt, allerdings in der Balleroberung direkter zur Sache geht. Der offensivste in diesem Trio ist Blerim Dzemaili, dessen Passspiel positiv herauszustreichen ist.
Daneben gibt es noch ein Duo aus der Bundesliga: Gladbachs Granit Xhaka und Freiburgs Gelson Fernandes. Xhaka, der im Nationalteam als Zehner fungiert, verfügt trotz seiner 21 Jahre über beachtliche Routine, ist in seiner Entwicklung aber etwas stehen geblieben. Grundsätzlich ist er nämlich sowohl von den physischen als auch taktischen Anlagen ein extrem kompletter Spieler. Fernandes besticht durch seine Zuverlässigkeit und Vielseitigkeit, ist aber niemand, der das Ruder für sein Team rumreißen kann.
Der Spieler, der beim renommiertesten Klub spielt, ist Xherdan Shaqiri. Der Bayern-Angreifer ist zwar nur 1,69m groß, aber ein regelrechtes Kraftpaket. Er ist flexibel, nur sehr schwer vom Ball zu trennen, ein guter Kombinationsspieler und fackelt beim Abschluss nicht lange. Obwohl er in München nur unregelmäßig zu Einsätzen kommt, trägt er das Schweizer Offensivspiel – und das mit einer Selbstverständlichkeit, die für einen 22-Jährigen nicht alltäglich ist.
Als Backup für Shaqiri ist mit Tranquillo Barnetta ebenfalls ein Bundesliga-Spieler eingeplant. Der 29-Jährige spielte schon für Leverkusen, Hannover und Schalke, ehe er in der vergangenen Saison bei Eintracht Frankfurt landete. Er ist flexibel einsetzbar, hat aber seine stärkste Zeit wohl hinter sich. Die linke Seite bespielt Valentin Stocker, der nach der WM für Hertha BSC auflaufen wird. Der 25-Jährige ist ein dynamischer Dribbler, der sowohl von innen nach außen, als auch außen nach innen spielen kann.
Für den Angriff nominierte Ottmar Hitzfeld vier Spieler, obwohl er im Allgemeinen auf eine 4-2-3-1-Grundordnung setzt. Der Grund liegt in der Vielseitigkeit der Spieler. So kann etwa auch das neue Sturmjuwel der Schweizer, Josip Drmic, am Flügel agieren. Der 21-Jährige erzielte in der abgelaufenen Saison für Nürnberg 17 Tore und unterschrieb bereits in Leverkusen. Die auffallendsten Eigenschaften von Drmic sind seine Dynamik und sein eiskalter Abschluss. Ebenfalls am Flügel einsetzbar ist Admir Mehmedi, dessen Stern auch 2013/14 aufging. Der Freiburger, der auf zwölf Saisontore kam, ist ein guter Dribbler, der eine Abwehr 90 Minuten lang beschäftigen kann.
In der Qualifikation stürmte hauptsächlich Haris Seferovic von Real Sociedad, was aber daran lag, dass Drmic und Mehmedi erst im Frühjahr aufkamen. In Spanien sitzt Seferovic nämlich hauptsächlich auf der Bank und erzielte nur zwei Saisontore. Abschließend gibt es mit Mario Gavranovic einen weiteren Spieler, dem man vor Jahren enormes Potenzial attestierte. Er konnte sich allerdings weder auf Schalke noch in Mainz durchsetzen und kickt nun für den FC Zürich, wo er aber eine ansprechende Bilanz aufweisen kann. Das große Manko im Angriff ist jedenfalls die Routine: keiner der vier Angreifer, die allesamt 24 Jahre oder jünger sind, hat mindestens 20 Länderspiele in den Beinen.
Alexander Semeliker
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