Kamerun, Ghana, die Elfenbeinküste, Nigeria und Algerien schickten sich bei der WM in Brasilien an, nach den Sternen zu greifen. Nicht nur, um ihr... Afrika: Ein (Fußball)-Kontinent steht sich selbst im Weg (2) – Elfenbeinküste

Elfenbeinküste - FlaggeKamerun, Ghana, die Elfenbeinküste, Nigeria und Algerien schickten sich bei der WM in Brasilien an, nach den Sternen zu greifen. Nicht nur, um ihr Land, nein gewissermaßen um einen gesamten Kontinent in Ekstase zu versetzen. Gewissermaßen fühlt man sich jedoch an die Komödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ erinnert. Vor jeder WM wird afrikanischen Teams das Potenzial zugesprochen, den ganz großen Coup zu landen, stattdessen folgt beinahe wie das Amen im Gebet die unsanfte Landung am Boden der Realität.

Elfenbeinküste: Die Mission der goldenen Generation schlägt fehl

Es fällt wirklich schwer zu glauben, das Aus in der Vorrunde in Brasilien scheint es allerdings zu besiegeln: Didier Drogba wird wohl ohne Titel aus der Nationalelf der Ivorer abtreten. Natürlich, für den Durchbruch bei einer WM bedarf es einer Vielzahl an Faktoren, wenn nicht ein Rädchen ins andere greift, wird ein Triumph nur äußerst schwer zu erringen sein. Doch auch bei diversen Afrikameisterschaften, dem Afrika-Cup war den „Elefanten“ trotz großem Potenzial nie der ganz große Wurf vergönnt. 2012 scheiterte man, das Ziel vor Augen und zum Greifen nahe, vom Elfmeterpunkt am Sensationsteam aus Sambia. Die Tatsache, dass man in allen bestrittenen Begegnungen keinen einzigen Gegentreffer kassierte, ist als durchaus bemerkenswert anzusehen. Schließlich galt und gilt die Defensive nie als Prunkstück der goldenen Generation.

Im Vorjahr wurde man vom späteren Champion, Nigeria, bereits im Viertelfinale in die Knie gezwungen. Bereits durch diesen Misserfolg geriet der französische Coach Sabri Lamouchi in die Bredouille und in Erklärungsnot. Zumal Lamouchi im Vorfeld des Wettbewerbs anmerkte, dass ein mögliches Abtreten der goldenen Generation rund um Drogba, Kolo und Yaya Touré ohne jeden Titel mit einer herben Enttäuschung gleichzusetzen wäre und einer „Verschwendung“ gleichkäme. Mittlerweile zog dieser die Konsequenzen und nahm nach dem verpassten Achtelfinaleinzug den Hut. Damals wie heute wird/wurde darüber spekuliert, Trainer-Zampano und Altmeister Giovanni Trapattoni könnte ihm nachfolgen.

Dieser Schritt würde allerdings einem radikalen Umbruch in Sachen Spielphilosophie gleichkommen. Der ergebnisorientierte Fußball, den „Trap“ praktizieren lässt ist wohl nur schwer mit den Stärken und Vorzügen des ivorischen Spiels in Einklang zu bringen. Edeltechniker wie Touré, Gervinho, Kalou und Vollblutstürmer Drogba, für den ein Titelgewinn mit der Nationalelf die Krönung einer ansonsten perfekten, nahezu makellosen Karriere gewesen wäre, verkörpern Offensivfußball. Zumal die Elfenbeinküste in punkto Offensivabteilung alle Attribute in sich vereint, um mit schönem, temporeichen Kombinationsfußball überzeugen zu können. Doch wie bei so vielen afrikanischen Teams vermag die Qualität des Defensivverbundes mit jener der Offensive nicht wirklich Schritt zu halten.

Die ivorische Verteidigung erweckte einen alles andere als sicheren Eindruck, vor allem die Kolumbianer zeigten eindrucksvoll auf, wie verwundbar die Hintermannschaft der „Elefanten“ ist. Es glückte nicht wirklich, den Angriffsbemühungen der Pekerman-Truppe ein probates Mittel entgegenzusetzen, das Mittelfeld sah sich mit erheblichen Problemen konfrontiert die Vorstöße einzudämmen, Angriffe frühzeitig zu entschärfen und somit die Viererkette entsprechend zu entlasten. Auch schnell vorgetragene Angriffe über die Flügel brachten die Außenverteidiger in immer größere Verlegenheit, der zwischenzeitliche 0:2-Rückstand eine logische Folge dieser Entwicklung. Leitete beim Auftakterfolg gegen Japan Heilsbringer Drogba die Wende ein, verpufften die meisten seiner Aktionen. Generell trat im hochgelobten Offensivverbund eine doch große Abhängigkeit von „Genieblitzen“ und Einzelaktionen zum Vorschein. Ideen- und Taktgeber Yaya Touré wirkte angeschlagen, quälte sich ab Mitte der zweiten Hälfte förmlich über den Platz. Seine Spritzigkeit und Impulse fehlten an allen Ecken und Enden, einzig Gervinho konnte das Spiel an sich reißen und strahlte immer wieder Gefahr aus. Eine seiner Energieleistungen führte schließlich auch zum 1:2 – letztlich nicht mehr als Ergebniskosmetik. Der Elfenbeinküste gelang es in keiner Phase des Turniers, wie auch schon 2006 und vor allem 2010 ihr wahres Potenzial abzurufen und durch die richtige Balance im Spiel, sowie einer klaren Spielidee die Defizite in der Defensive auszumerzen.

Die abschließende, aufgrund eines Elfmeters in der 93. Spielminute höchst unglückliche Niederlage gegen wacker kämpfende Griechen hat man sich zu einem Gutteil selbst zuzuschreiben. Rein vom Standpunkt der Spielkultur aus betrachtet sind die Hellenen den „Elefanten“ deutlich unterlegen, die griechische Führung kurz vor dem Pausentee legte die teils eklatanten Defensivschwächen der Ivorer aber schonungslos offen. Tiote verlor im Spielaufbau leichtfertig das Leder, Samaras setzte Samaris ein und der Youngster sagte artig „Danke“. Diese Führung durch spielte Griechenlands gnadenlosem, perfektioniertem Defensivkonzept natürlich in die Hände. Den einzigen echten Lichtblick in der Defensive der Elfenbeinküste stellt Serge Aurier, Rechtsverteidiger in Diensten des FC Toulouse, dar. Der 21-jährige Jungspund konnte sich immer wieder aufs Neue in Szene setzen und sorgte auf seiner Seite für offensive Akzente, war Wegbereiter beider Tore gegen Japan. Gegen Griechenland ließ er zwar etwas von dieser Stärke vermissen, um sich in den Notizblock von Arsene Weger zu spielen, reichte es allerdings allemal.

Den Ivorern und vor allem Lamouchi ist anzulasten, dass nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Bony, der den erstmaligen Einzug in ein Achtelfinale bedeutet hätte, kaum Konterangriffe praktiziert wurden, die Entscheidung nicht mit entsprechendem Nachdruck angestrebt wurde. Mit Diomandé einen defensiven Mittelfeldakteur für Drogba zu bringen ist, angesichts des Ziels ein Ergebnis über die Zeit zu retten, kein verwerflicher Schritt, lässt aber auch ein wenig an Mut vermissen. Allzu oft hat sich eben gezeigt, dass diese Taktik ins Auge gehen kann – es sollte sich auch diesmal wieder bewahrheiten.

Durch ein unnötiges Foul eröffnete sich Samaras die Möglichkeit, die Griechen, die nach drei Aluminiumtreffern bereits mit dem Fußballgott haderten, doch noch ins Achtelfinale zu hieven. Bekanntlich ließ er sich nicht zweimal bitten und stürzte die Ivorer ins Tal der Tränen.

Drogba steht wohl vor seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft, auch das Brüderpaar Touré steht altersbedingt bei einem neuerlichen Angriff in Russland 2018 definitiv nicht mehr zur Verfügung. Ein Umbruch wird zweifelsohne von statten gehen müssen, dank Spielern wie Aurier, Diomandé, Akpa, Bony und Gervinho scheint eine gute Basis gelegt. Doch die goldene Generation war nun einmal die goldene Generation. Nur zu gut ist man sich dessen bewusst, dass die wohl letzte Chance ihr zu einem Titel zu verhelfen leichtfertig verspielt und verschenkt wurde.

So gesehen sind die Tränen wohl bis heute nicht getrocknet. Die goldene Generation wird für immer unvergoldet bleiben.

David Kühhas, abseit.at

David Kühhas

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