2:1 gegen England! Italien bereits mit einem Bein im WM-Achtelfinale
WM 2014 | Taktikanalyse 15.Juni.2014 Tobias Robl 0
Mit einem 2:1-Sieg gewinnt Prandellis Italien gegen Hodgsons Engländer und steht aufgrund der Auftaktniederlage Uruguays schon mit einem Bein im Achtelfinale.
Bei den Italienern musste Prandelli auf den verletzten Buffon im Tor verzichten, für den stattdessen Sirigu spielte. Mit Paletta vom FC Parma als linkem Innenverteidiger und Darmian vom FC Turin als rechtem Außenverteidiger gab es zwei weitere Spieler in der Startaufstellung, die hierzulande eher unbekannt sind. Auf links ersetzte Chiellini den verletzten De Sciglio.
So kam es, dass das 4-3-2-1 der Italiener in der Viererkette von Chiellini, Paletta, Barzagli und Darmian gebildet wurde. Auf der Sechs agierte De Rossi, unterstützt von Verratti und Pirlo auf den Halbpositionen, und im Sturm Balotelli. Dazu kamen mit Marchisio und Candreva zwei Akteure, die etwas komplexerer Rollen im Mittelfeld und Sturm innehatten.
Hodgson setzte hingegen auf eine Form des 4-2-3-1, wobei Baines, Cahill, Jagielka und Johnson die Viererkette bildeten. Die Offensive bestand dann, bis auf Wayne Rooney, der vom linken Flügel kam, und Danny Welbeck auf rechts, nur aus Akteuren von Vizemeister Liverpool. Die Doppelsechs bildeten wie im Verein Gerrard und Henderson, auf der Zehn startete Sterling und im Sturm wurde Sturridge aufgeboten.
Beide Teams mit tiefem Spielmacher im Aufbau und passivem Pressing
Bei den Engländern lief der Aufbau in der ersten Halbzeit vor allem über den tief agierenden Gerrard. Dieser kam aus dem Zentrum und spielte generell nahe bei den beiden Innenverteidigern. Dazu kam Henderson im rechten Halbraum und Sturridge auf der Zehn. Gerrard musste dabei nie wirklich tief abkippen, sondern konnte näher am eigenen Mittelfeld agieren als sonst beim FC Liverpool.
Italien konzentrierte sich mit einer 4-4-1-1/4-1-4-1-haften Defensivformation, die als Mittelfeldpressing und relativ passiv gespielt wurde, darauf, den Sechserraum und die Mitte zu verschließen, um einfache Pässe in den zentralen Zwischenlinienraum zu verhindern. Der Fokus lag dann darauf, das Spiel zur Seite zu lenken und dort Druck auf die englischen Außenverteidiger auszuüben.
Im Aufbau gab es mit De Rossi auch bei den Italienern einen tiefen Spielmacher, der meistens zwischen den Innenverteidigern spielte. Dazu kamen die beiden Achter Verratti und Pirlo, die versuchten, das Spiel aus den Halbräumen nach vorne zu verbinden. Das taten sie in der formativen Lücke der englischen Formation oder aus den Räumen, die hinter den im Aufbau bereits hohen Außenverteidigern Chiellini und Darmian entstanden. Vor allem Darmian auf rechts zog hier immer wieder Räume für Verratti frei.
Den Übergang ins mittlere bzw. vorderste Drittel versuchte Italien auf links über den zurückfallenden Stürmer Candreva herzustellen, der sich aus seiner Position in der Spitze immer wieder nach hinten und außen fallen ließ. So gab es mit dem aufrückenden Darmian auf rechts einige gute Strukturen, die vor allem in der Endphase der Angriffe immer wieder bedient wurden. Phasenweise gab Candreva aber auch einfach die Breite und spielte fast wie ein klassischer Flügelspieler.
Eine ähnliche Rolle hatte auf der anderen Seite Marchisio inne, der ebenfalls Anspiele aus Aufbausituationen im Halbraum behaupten sollte. Marchisio spielte dabei aber eher im Achterraum und wurde nur situativ von Chiellini unterstützt. Dieser hielt sich offensiv eher zurück und beteiligte sich lieber an der Zirkulation des Balles. So entstand eine deutliche Asymmetrie im Spiel der Italiener, deren Hauptangriffsseite die rechte war. Am linken Flügel besetzte man nicht einmal die Breite oder tat dies erst spät durch den nachrückenden Chiellini. Marchisio agierte hier eben eher vertikal, schob viel in die Spitze. Bei Kontern und Umschaltsituationen wich Mario Balotelli des Öfteren dorthin aus dem Sturmzentrum aus.
Fehlende Breite bei Italien und fehlende Durchschlagskraft bei England
Weil die Engländer mit ihrer 4-4-2-Defensivformation vor allem zu Beginn keine wirklich effektiven Mittel im Aufbau gegen die italienischen Halbraumspieler Pirlo und Verratti fanden, wies Hodgson seine Mannschaft an, die Staffelung etwas zu verändern. Weil die Stürmer dann leicht versetzt agierten und man so besser mit Deckungsschatten arbeiten konnte, wurde auch für die Italiener die Aufbauarbeit schwieriger. Pirlo hielt sich jetzt mehr im zentralen Sechserraum auf, wurde dort aber stets lose verfolgt, oder war durch einen fallenden Deckungsschatten nicht anspielbar.
Italien kam auch deshalb kaum zu Chancen während der ersten Halbzeit, weil den Angriffen stets die Breite fehlte und vor allem das Mittelfeldband der Engländer weit zur Mitte einrücken konnte, bzw. sich an direkten Gegenspielern orientieren konnte.
Die Sache mit der fehlenden Durchschlagskraft resultierte bei den Engländern vor allem daher, dass deren Topspieler Wayne Rooney weitestgehend keinen Einfluss auf das Spiel nahm. Er erhielt am linken Flügel viele Anspiele nur in tiefen Räumen und wurde von den Italienern dort gut isoliert, was aber auch daran lag, dass England ebenfalls vermehrt über die eigene rechte Seite nach vorne kommen wollte.
Die freie Rolle von Sterling, der viel umherschwirrte und diese Situationen mit Rooney zur Mitte zu verbinden oder Rochaden mit Baines anzustoßen versuchte, blieben weitestgehend wirkungslos. Die Angriffsstruktur der Engländer beschränkte sich vor allem in der ersten Halbzeit auf Weitschüsse oder Verlagerungen auf den rechten Flügelspieler Welbeck oder den nachrückenden Außenverteidiger Johnson. Welbeck orientierte sich nämlich immer wieder in das Sturmzentrum und öffnete so den Flügel.
Ab etwa der 20. Minute wurden dann auch auf links ein paar Versuche unternommen, um Wayne Rooney besser einzubinden, die aber alle etwas fruchtlos blieben. So wich einige Male auch Sturridge aus dem Sturmzentrum dorthin und agierte näher bei Rooney, der von außen in den Zehnerraum driftete.
So ergab sich in der ersten Halbzeit ein eher defensiv geprägtes Spiel, in dem die Italiener teilweise 70% Ballbesitz hatten und England sich auf das schnelle Umschalten nach vorne verlegte. Beide Mannschaften gingen wenig Risiko ein und so kam es, wie es kommen musste: Das 1:0 der Italiener durch Marchisio fiel nach einem Eckball, der Ausgleich der Engländer durch Sturridge nach einem Konter.
Englands Umstellungen zur zweiten Halbzeit und Prandellis Reaktion
Ab der 45. Minute interpretierte Gerrard seine Rolle ähnlich wie beim FC Liverpool und im Vergleich zur ersten Halbzeit deutlich tiefer, was zur Folge hatte, dass die Innenverteidiger deutlich breiter agieren konnten und die Außenverteidiger weiter nach vorne schoben.
In der Folge konnten die Flügelspieler mehr zur Mitte einrücken und das Spiel ins mittlere Drittel der Engländer wurde besser. Dazu bekam man vor allem in letzter Linie mehr Präsenz und war deutlich besser im Spiel. Einen großen Anteil daran hatte auch der Seitenwechsel von Welbeck und Rooney, der vor allem letzterem gut tat. Genau in diese Drangphase fiel dann allerdings der Führungstreffer der Italiener durch einen Kopfball von Mario Balotelli.
Prandelli reagierte auf die Anpassungen Englands mit der Einwechslung von Motta für Verratti, der seine Rolle etwas höher als der PSG-Akteur interpretierte und als Raumblocker im Aufbauspiel sowie als laufstarker Akteur gegen den Ball glänzte.
Um die 60. Minute wechselte Rooney dann im Zuge der Einwechslung von Barkley für Welbeck auf seine angestammte linke Seite zurück und Sterling ging auf den rechten Flügel. In der Folge agierte Sterling hier deutlich breiter und Johnson kam im Verlauf der Angriffe nicht mehr so weit nach vorne, sondern blieb mehr im Halbraum, wofür dann eben Baines auf der linken Seite höher schob und Rooney sich jetzt fast nur noch im Zentrum umhertrieb, um dort mehr Präsenz zu erzeugen.
Zum Ende der Partie hin gab es dann auch auf Seiten der Italiener noch den ein oder anderen Wechsel und Prandelli stellte in der Defensive auf ein 5-4-1 um, womit Italien den Vorsprung verteidigen konnte. Mit Immobile für Balotelli verlegte man sich die letzten Minuten schlussendlich nur noch aufs Kontern.
Fazit
Den Italienern gelingt ein wichtiger Sieg gegen die zweite starke Mannschaft aus Gruppe D. Dabei war dieser tatsächlich verdient, auch wenn England zu Beginn optisch überlegen war. Bis auf die ersten zwanzig Minuten nach der Halbzeit kontrollierten die Italiener das Spiel, erzeugten dabei aber zuweilen etwas wenig offensive Durchschlagskraft. In der Defensive stand man generell sehr sicher und Hodgsons kleine Anpassungen konterte Prandelli geschickt.
Tobias Robl
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