Der Heimvorteil als größte Waffe: So stark ist Brasilien!
WM 2014 | Taktikanalyse 11.Juni.2014 Tobias Robl 0
Seit Scolari wieder Trainer des Teams ist, hat sich dieses sowohl taktisch, als auch mannschaftlich weiterentwickelt. Man verfügt jetzt über eine klare, dem Ballbesitzfußball verschriebene Spielweise, bei der es mit Ball saubere und gut einstudierte Abläufe gibt, die alle Spieler auf dem Platz, entsprechend ihrer Stärken und ihres Fähigkeitsprofils einbindet. Trotzdem gibt es immer wieder – typisch brasilianisch- Freiräume für einzelne Akteure.
Im Pressing wird eine Mischform aus 4-2-3-1 und 4-4-1-1 gespielt. Dabei gibt es in der Mitte klare Zuordnungen zu den jeweiligen Gegenspielern und die Anlaufarbeit wird von den Flügelspielern übernommen. Hin und wieder wirkt das Pressing etwas zweigeteilt und bewusst chaotisch, es funktioniert aber relativ solide und ohne größere Probleme. Wird es überspielt, zieht sich Brasilien in ein enges 4-4-2 zurück, bei dem der Druck auf den Ball in zentralen Räumen eher gering ist. Man versucht die Gegner dann auf den Flügeln zu isolieren, Verlagerungen lässt man zu und sichert stattdessen lieber den Strafraum ab.
Was die defensive Stabilität angeht steht man grundsätzlich stabil und hat keine großen Probleme in der Verteidigung des eigenen Tores aus dem Spiel heraus. Dabei gibt es gewissermaßen eine Zweiteilung der Mannschaft, was die Bewältigung der Defensivaufgaben angeht. Die vier offensiven Akteure bleiben höher als der Rest und positionieren sich in erster Linie schon für das Umschaltspielt. Der Rest der Mannschaft agiert dann in mehr oder weniger klaren Zuordnung zu den direkten Gegenspielern, wobei sich vor allem David Luiz hier ziemlich stark gegnerorientiert verhält. In der Regel funktioniert diese Defensivstrategie auch relativ gut, gefährlich wird es, wenn der Gegner bewusst die Defensivmechanismen nutzt und z.B. Räume hinter David Luiz anvisiert. Hier setzt Scolari dann auf die Dynamik und Athletik von Thiago Silva, die gegen spielstarke Gegner u.U. aber nicht immer ausreichen könnte. Vor allem Halbraumkombinationen nach Spielverlagerungen könnten für die Brasilianer gefährlich werden.
Über das gesamte Turnier hinweg wird Brasilien wohl weniger über klare Systemwechsel auf Gegner reagieren, sondern dies über den Austausch einzelner Spieler oder die Anpassung diverser gruppentaktischer Abläufe tun. Hierfür sind die Möglichkeiten relativ passabel. Man verfügt sowohl in der Verteidigung als auch im Mittelfeld über unterschiedliche Spielertypen, von denen viele variabel einsetzbar sind. Ein alternatives System mit dem man auf Probleme reagieren könnte wäre ein 4-3-3, mit Ramires und Paulinho auf der Acht.
Eine der großen Vorteile der brasilianischen Mannschaft, der sie u.a. zu einem der heißesten Titel-Anwärter macht, ist der Heimvorteil, den das Team genießt. Hier ist der Vorteil wohl noch höher zu bewerten, als der von z.B. Deutschland beim „Sommermärchen“ 2006, als der Underdog, trainiert von Jürgen Klinsmann, erst im Halbfinale an Italien scheiterte. Wenn eine Mannschaft bei dieser WM maximal motiviert agieren wird, dann ist es Brasilien.
Insgesamt sollten die Brasilianer bei dieser Weltmeisterschaft eine gute Rolle spielen. Sie zählen zum engeren Favoritenkreis, weil es zur individuellen Qualität der einzelnen Spieler, auf dem Platz auch gute und zu den Akteuren passende Strukturen gibt, die sauber ausgeführt sind und zwischen denen relativ variabel gewechselt werden kann. Zum Problem kann eventuell die Besetzung des Sturmzentrums werden, wenn Fred nicht fit wird oder nicht in Form kommt. Gespannt darf man auch sein, wie gut Brasilien mit sehr tief stehenden Mannschaften klar kommt, und ob hier nicht Probleme auftreten.
Dass die WM im eigenen Land stattfindet, ist sicherlich auch noch ein entscheidender Faktor, der dem Team auf dem Weg zum Titel in die Karten spielen wird.
Mögliche Aufstellung
Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit wird Brasilien mit diesen elf Feldspielern in das Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft gehen. Sollte keiner derAkteure in ein Formtief fallen wird Scolari während des Turniers auch wenig wechseln. Mit dieser Elf stehen nämlich die individuell Besten des Kaders bereits auf dem Platz und die Spielweise ist stark auf das Spielermaterial ausgelegt. Das heißt natürlich nicht, dass nicht einmal der ein oder andere Spieler aus dem 23-Kader von Beginn an zum Einsatz kommen kann. Eventuell könnte noch Ramires vermehrt Einsatzeiten bekommen, wenn Scolari sich gegen manche Gegner entscheidet die Mittelfeldordnung umzuwerfen und mit zwei Achtern und einem Sechser agieren zu lassen. Die Alternativformation wäre dann ein 4-1-4-1.
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Tobias Robl
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