Die Anti-Turniermannschaft: Wie stark ist England bei der WM 2014?
WM 2014 | Taktikanalyse 6.Juni.2014 Marcel Ludwig 0
Vom klassischen 4-4-2 hat man sich bei den Three Lions zwar verabschiedet, doch sind es wohl gerade neu erlernte Tugenden die für die WM wieder vergessen werden könnten.
Vom System ist zu erwarten, dass die Engländer mit einem breiten 4-2-3-1 mit zwei klassischen Flügelspielern oder einem gestaffelten 4-3-2-1 und zwei hängenden Spitzen agieren werden. Vor allem gegen stärkere Gegner könnte jedoch einer der drei Angreifer einem zweiten Sechser weichen müssen.
Aufgrund der starken Gruppengegner werden die Engländer wohl – nicht wie aus der WM-Quali gewohnt – den Fokus nur auf die eigenen Offensivbemühungen richten können, sondern sich gegen Italien und Uruguay auch stärker auf den Gegner einstellen müssen. Die tropischen Temperaturen in Brasilien dürften dem Offensivspiel der Three Lions einen neuen Anstrich verleihen. Das gewohnt schnelle Umschaltspiel und hohe Pressing dürfte nach Angaben des Trainers einer reiferen, abwartenderen Taktik zum Opfer fallen. Somit ist hier für die Engländer ungewöhnlich langer Ballbesitz im Zentrum und ein damit verbundener strukturierterer Spielaufbau zu erwarten. Im richtigen Moment den Schalter umlegen und dann eiskalt zuschlagen, kündigte Hodgson als Credo für die WM an. Überhaupt müsse man im Vergleich zu Spielen in Europa viel besser mit seinen Kräften haushalten. Mit Rooney und Sturridge verfügt man über Spieler, die jederzeit für einen Treffer gut sind.
Dort wird es vor allem Mittelfeld darauf ankommen, wie gut Gerrard/Henderson die Zentrale schließen können und die Außenspieler in der Defensiv aushelfen werden. Auf rechts spricht dadurch wohl einiges für die Kombination Sterling/Johnson zumal die beiden bereits die ganze Saison über ein Tandem bilden. Die kompromisslose Innenverteidigung wird sich dagegen weniger am Spielaufbau beteiligen und ihre Konzentration auf das Defensivspiel legen. Vor allem gegen schnelle Gegenspieler muss darauf hingearbeitet werden, bereits den letzten Pass zu verhindern, um nicht in unnötige Laufduelle, gefährliche Zweikämpfe an der Strafraumgrenze verwickelt zu werden.
Vor allem im Mittelfeld bietet sich Coach Roy Hodgson die Qual der Wahl. Aufgrund der Positions-Tiefe dürfte man sich sowohl vor als auch während des Spiels flexibel auf den Gegner und / oder neue Spielsituationen einstellen können. Einzig ein Ausfall von Skipper Steven Gerrard wäre wohl nur sehr schwer zu kompensieren. Vor allem an vorderster Front hat der Coach erstmals nach Jahren wieder wirkliche Alternativen, die auch von der Mitte auf die Seite und umgekehrt ausweichen können. In der Abwehr scheinen solch vielfältige Alternativen jedoch Mangelware. Lediglich ein, dazu noch unroutinierter Außenverteidiger steht im Kader und die Innenverteidiger ähneln einander von der Spielanlage allesamt.
Wenn die Deutschen der Inbegriff einer Turniermannschaft sind, dann sind die Engländer – vor allem in den letzten Jahren – wohl das genaue Gegenteil davon. Zwar wurde die Quali ohne Niederlage überstanden, doch was zählt das schon wenn es wieder in ein Elferschießen gehen sollte? Den historisch guten Vorzeichen steht der stets überbordende Druck der britischen Öffentlichkeit gegenüber, die bei jedem Turnier aufs Neue nichts Geringeres als den WM-Titel fordert. Nichts desto trotz dürften die Three Lions fokussiert, aber guter Dinge an den Amazonas zum ersten Gruppenspiel reisen. Ob das Team jedoch erneut von zehntausenden mitgereisten Fans unterstützt werden kann, darf ob der Distanz zur Heimat jedoch angezweifelt werden.
Die Gruppe überstehen. Primäres Ziel der Hodgson-Truppe muss es sein, eine der „Todes-Gruppen“ dieser WM heil zu überstehen und ins Viertelfinale einzuziehen. Ein noch nicht ganz fitter Uruguay-Starstürmer Luis Suarez dürfte diesem Unterfangen jedoch durchaus zuträglich sein. In der K.O.-Phase angekommen, könnte durchaus eine Überraschung gelingen, wenngleich fehlende Routine, sowie klimatische Voraussetzungen nur bedingt für England sprechen. Schaffen es die Three Lions jedoch, ihr gewohntes Pressing und das schnelle Spiel nach vorne umzusetzen, sind sie für jeden Gegner eine Gefahr.
Mögliche Aufstellungen
Vom System ist zu erwarten, dass die Engländer mit einem breiten 4-2-3-1 mit zwei klassischen Flügelspielern und einen weit zurückhängenden Wayne Rooney agieren:
Alternativ könnte ein zusätzlicher zentraler Mittelfeldspieler einrücken und der zweite Flügelspieler neben Rooney in die Mitte wandern, wodurch mehr Offensiv-Wege für die Außenverteidiger notwendig wären:
Eine komplette B-Elf können die Three Lions mangels eines dritten Außenverteidigers nicht aufbieten. Denkbar wäre, dass Alex Oxlade-Chamberlain als Notnagel auf der rechten Abwehrseite herhalten muss:
Marcel Ludwig
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