Die griechische WM-Taktik: Passiv und abwartend, aber nicht leicht zu knacken
WM 2014 | Taktikanalyse 31.Mai.2014 Daniel Mandl 0
Das System der Griechen variiert je nach der Besetzung in der Mittelfeldzentrale. Am ehesten kann man es als ein 4-1-4-1-System bezeichnen, allerdings ist es aufgrund der beiden nominellen Spitzen an den Flügelpositionen auch als 4-1-2-3 zu titulieren. Das klingt zwar offensiv, ist es aber aufgrund des tiefen Schwerpunkts der zentralen Mittelfeldspieler nicht wirklich.
Das Hauptaugenmerk der griechischen Nationalelf liegt, wie es für Underdogs üblich ist, am Schließen der Mittelfeldzentrale. In Rückwärtsbewegung platziert sich der defensivste Mittelfeldspieler, zumeist Alexandros Tziolis sehr tief und fungiert praktisch als eine Art Vorstopper. Frühes Pressing wird durch die Flügelspieler und den offensivsten Mittelfeldspieler Karagounis getragen. Maniatis verschiebt indessen horizontal im Zwischenlinienraum. Die verteidigende Ausrichtung der Griechen kommt demnach am ehesten einem 5-1-3-1 gleich. Powerpressing darf man von den Griechen allerdings nicht erwarten, weil die defensiveren Mittelfeldspieler sich nicht aus der Reserve locken lassen. Das Umschaltspiel von Defensive auf Offensive geht vorsichtig vonstatten und geschieht stets mit massiver defensiver Absicherung auf der Zentralachse (Tziolis, Maniatis)
Demnach ist es schwierig gegen die Griechen zu treffen. Die massige Zentralachse ist schwer zu überwinden und die Innenverteidiger nehmen die Zweikämpfe konsequent an, wie es etwa Sokratis Papastathopoulos schon bei der letzten Weltmeisterschaft 2010 gegen Lionel Messi zeigte. Wenn sich mit Tziolis auch noch der kopfballstarke Sechser zurückfallen lässt, ist die Zentralachse ziemlich dicht. Nicht umsonst kassierten die Griechen in insgesamt zwölf Qualifikationspartien nur sechs Tore. Angesichts dieser Kompaktheit könnten die Spiele gegen die nominell nicht unbedingt hochklassigen Griechen zur Geduldsprobe werden.
Auch spontane personelle oder taktische Umstellungen werden dem Coach Fernando Santos nicht schwer fallen. Die Mittelfeldspieler, aber vor allem die Flügelspieler können auf mehreren Positionen eingesetzt werden und sind keine klassischen „Spezialisten“. Auch die etatmäßige Innenverteidigung ist mit anderen Positionen vertraut und das Herausrücken dieser Spieler auf Außenpositionen und potentiell schnelle, wendige Gegenspieler stellt kein solch großes Problem, wie bei anderen Mannschaften dar. Das Spiel wird sicher auf Stoßstürmer Kostas Mitroglou zugeschnitten werden, was eine leichte Veränderung im Vergleich mit den letzten Jahren bedeutet. An vorderster Front sind die Griechen demnach etwas leichter berechenbar.
Rund um die griechische Elf ist es derzeit noch sehr ruhig. Kaum jemand erwartet etwas von den Südeuropäern und so kann man sich gemütlich auf die WM vorbereiten. Allerdings schnitt Griechenland bei den bisherigen Auftritten auf der WM-Bühne bescheiden ab und auch das letzte Testspiel gegen Südkorea, bei dem man in Bestbesetzung auftrat und nur ein einziges Mal aufs gegnerische Tor schoss, spricht nicht unbedingt für die Homogenität des Teams – auch wenn es nur ein Test war. Griechenland verlor mit 0:2 und testet in den nächsten Wochen, wenig verwunderlich, gegen außereuropäische Teams (Nigeria und Bolivien). Unbekümmertheit und wenig Druck sind die Vorteile der Griechen, die relativ schwache Mannschaft und die fehlende WM-Affinität die Nachteile.
Insgesamt darf man von Griechenland keine Wunder erwarten und die Tatsache, dass die Gegner für den Europameister von 2004 unbeschriebene Blätter sind, machen sie zum Außenseiter in ihrer Gruppe. Man wird auf defensive Stabilität setzen und mit wenigen Spielern nach vorne umschalten. Die zahlreichen, möglichen Positionsrochaden könnten Griechenland zu einer kleinen Wundertüte machen, aber die mangelnde technische Klasse wird der Grund dafür sein, dass Griechenland bei diesem Turnier auf längere Sicht kaum jemanden überraschen wird.
Mögliche Aufstellungen
Der erste Anzug der Griechen wäre ein 4-1-2-3, das auf den vordersten Positionen zwar nominell offensiv wirkt, ab dem Mittelfeld jedoch sehr defensiv agiert. Die beste Elf, die Fernando Santos auf den Platz schicken kann, sieht wie folgt aus.
Eine weitere Variante wäre ein enorm defensiv ausgerichtetes 4-3-3-System, das die Griechen wohl nur gegen starke bis übermächtige Gegner (die es in ihrer Gruppe aber eher nicht gibt) praktizieren würden. Hier würde Fernando Santos auf Karagounis verzichten und mit Katsouranis einen anderen Routinier zur Stabilisierung der defensiven Mittelfeldzentrale ins Rennen schicken. Dies könnte so aussehen:
Die B-Mannschaft der Griechen würde wie folgt aussehen. Hierbei ist zu beachten, dass einige Spieler aufgrund ihrer taktischen Flexibilität verschiedene Positionen ausüben könnten und in unserer Grafik die rechte Abwehrseite kein Backup hat, weil wir Vyntra in die Innenverteidigung schoben.
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Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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