Die „Roten Teufel“ aus Belgien – so stark ist der Geheimfavorit wirklich!
WM 2014 | Taktikanalyse 6.Juni.2014 Marcel Ludwig 0
Tempofußball und kompromisslose Zweikämpfe prägen das belgische Spiel wie einst Regisseur Enzo Scifo und die Streits der Kicker aus beiden Landesteilen. Das blitzschnelle Umschaltspiel kann jeden Gegner vor Probleme stellen.
In der Zentrale verhindern Fellaini und Witsel gegnerische Angriffe durch taktisch kluges Stellungsspiel oft bereits in der Entstehung und forcieren gemeinsam mit dem Rest des Mittelfelds durch rigoroses Pressing spätestens ab der Mittellinie Ballverluste. Den Ball erst mal erobert, setzt die eigentliche Stärke des Teams ein – Tempofußball á la Borussia Dortmund, mit Vollgas und möglichst ohne Umschweife in Richtung gegnerisches Tor. Entscheidet man sich dagegen die Räume in der eigenen Hälfte eng zu machen, könnte das Pressing erst ab der Mittellinie greifen, wodurch die starke Spieleröffnung der Innenverteidigung zu einem entscheidenden Faktor werden könnte.
Eine konkrete Schwäche auszumachen ist schwierig. Über die Seiten bis zur Grundlinie scheint eine probate Methode, auch schnelles Kombinations-Spiel über die Mitte kann die Innenverteidigung vor Probleme stellen. Dennoch besticht die belgische Viererkette durch Eingespieltheit, eine starke Abseitsfalle und intelligenten Spielaufbau, der nicht selten direkt gefährliche Angriffe einleitet. Lediglich vier Gegentore in der Qualifikation sprechen eine eindeutige Sprache. Die Außenpositionen haben dagegen vor allem im eins gegen eins Defizite, die sie durch Schnelligkeit wieder auszugleichen versuchen. Aus dem Mittelfeld arbeitet vor allem Witsel in die Defensive. Vor allem gegen offensive, spielstarke Gegner wird hier viel von der Mithilfe von Marouane Fellaini abhängen, der in der Vergangenheit nicht als der größte defensive Zweikämpfer bekannt geworden ist. Dennoch, die eigenen Nerven und damit verbundene Konzentrationslöcher sind wohl der belgischen Hintermannschaft größter Feind.
Einzig die defensiven Außenbahnen und das Sturmzentrum verhindern eine höhere Wertung. In der Innenverteidigung ist man doppelt besetzt und sowohl im Zentrum können die Plätze beinahe beliebig gewechselt werden. Im Notfall könnten sogar Lombaerts oder Kompany aus der Innenverteidigung ins defensive Mittelfeld rücken. Mit Hazard als offensiver Allzweckwaffe kann man jederzeit eine möglicherweise schwache Seite des Gegners gezielt unter Druck setzen. Zudem scheint auch ein zwei-Mann-Sturm mit Mirallas und Lukaku denkbar. Ein Luxus den sich nicht viele Coaches leisten können.
Belgien kann ob seiner jüngeren und nicht mehr ganz so jungen Geschichte getrost als Turnier-Mannschaft bezeichnet werden. Bei bislang elf Teilnahmen schied man nur viermal in der Vorrunde aus. Der Kern des Teams spielte bereits 2008 bei Olympia in Peking gemeinsam und kennt sich seit dem Nachwuchs. Damals scheiterte man am späteren Olympiasieger Argentinien mit Messi, Agüero und Co. Ob der grandiosen Quali und der erstmals seit längerer Zeit wieder exzellenten Teamstimmung werden die Roten Teufel von vielen als DER Geheimfavorit gehandelt. Startet man gut ins Turnier, so vermag sich diese Truppe in einen Rausch zu spielen und kann dann selbst von den besten Teams der Welt nicht mehr auf die leichte Schulter genommen werden.
Alles ist möglich. Für die eingespielte Truppe im besten Fußballer-Alter hängen die Trauben hoch. Ein Aus vor dem Viertelfinale würde wohl von vielen als Enttäuschung gesehen. Zu groß ist das im Kader geballte Talent, zu routiniert sind die Akteure, als dass man sich der historischen Chance nicht bewusst wäre. Bleiben alle Schlüsselspieler verletzungsfrei, wird wie bei den meisten europäischen Teams ein nicht unerheblicher Teil des Erfolgs davon abhängen, wie gut man sich auf die speziellen klimatischen Gegebenheiten einstellen kann. Ein ganzes Land will die Gelegenheit am Schopfe packen und sich am größten Fußballerfolg der eigenen WM-Geschichte messen.
Mögliche Aufstellungen
Belgien agiert hauptsächlich mit einem 4-2-3-1 wobei der zentrale Mittelfeldspieler in Eden Hazard von Defensivaufgaben großteils freigespielt wird, das System kann jedoch variieren, sofern Hazard auf den Flügel ausweicht und mit Defour ein Defensivspezialist aufläuft:
Eigentlich variert Belgien mehr über die eingesetzten Spieler denn über die grundlegende Formation, als defensivere Variante wäre jedoch ein klassisches 4-4-2 denkbar, bei dem Hazard auf links ausweicht und Fellaini den zentralen Part gibt – nichts desto trotz, eher Gedankenspiel:
Auch Belgiens Ersatzformation besticht auf dem Papier durch individuelle Klasse, wenngleich einige Spieler auf für sie ungewohnten Positionen starten müssten:
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Marcel Ludwig
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