Die Stärken des „Pressingmonsters“ Chile und die Kluft zwischen Ausbeute und Aufwand
WM 2014 | Taktikanalyse 5.Juni.2014 Alexander Semeliker 0
Chiles Trainer Jorge Sampaoli gilt als Anhänger von Marcelo Bielsa, unter dem er auch selbst spielte. Dementsprechend spektakulär ist das Spiel von La Roja. Der 54-Jährige setzt auf eine flexible 4-3-3-Grundordnung mit einem enorm starken Spiel gegen den Ball. Bezieht man die Ausbeute jedoch auf den Aufwand, erkennt man das Manko des chilenischen Teams.
Das Spezielle an Bielsa ist, dass seine Teams stets ein aggressives mannorientiertes Angriffspressing praktizieren. Aufgrund des hohen physischen Aufwands, der dabei betrieben wird, sind die Sympathien bei den Zuschauern entsprechend hoch. Sampaoli führte diesen Gedanken weiter und hat damit außerordentlich guten Erfolg. Die Abläufe im Pressing haben wir uns bereits anhand einer Szene im Länderspiel gegen Deutschland genauer angesehen. Das Aufrücken der Zentrumsspieler erfolgt überaus strukturiert und geschlossen. Das Zustellen der Passoptionen für die erste Aufbaulinie des Gegners geschieht dabei ebenso intelligent. Chile sucht ständig den Zugriff, praktiziert dementsprechend auch ein sehr engagiertes Gegen- und Rückwärtspressing – alles gut abgestimmt und mit extremer Leidenschaft, sodass man in dieser Kategorie keine Abzüge machen kann.
Auch wenn das Spiel aufgrund des großen Manndeckungsfokus‘ weitestgehend ungeordnet wirkt, so hat Chile aufgrund des starken Pressings meistens die Kontrolle und Zugriff auf das Spielgeschehen. Die gegnerischen Aufbau- und Kombinationsstrukturen werden von der entstehenden Dynamik schlicht „aufgefressen“. Unter großem Druck bzw. in der Hektik schenkt der Gegner den Ball wieder her. Dennoch gibt es kleinere Schwachpunkte. So ist beispielsweise der Zwischenlinienraum zuweilen weit geöffnet, vor allem wenn die Balleroberung über längere Zeit fehlschlägt. Die Innenverteidiger positionieren sich aufgrund ihres schwachen Kopfballspiels absichernd tiefer. Die fehlende Präsenz in der Luft könnte daneben auch bei Flanken in den Strafraum Probleme hervorrufen.
Aufgrund der Mannorientierungen kann es ohne weiteres dazu kommen, dass die chilenischen Spieler aus ihrer nominellen Position gezogen werden. Dementsprechend sollten sie über ein gewisses Maß an Flexibilität verfügen – was sie auch tun. Diese Flexibilität nutzen die Chilenen aber auch in Ballbesitz bewusst um situativ viele verschiedene Staffelungen zu schaffen. Auch Rhythmuswechsel sind für die Roten kein Problem und werden auch bewusst eingesetzt um die Ordnung des Gegners zu zerstören. Unterm Strich lässt sich also, bis auf individuelle Faktoren wie Kopfball- und Abschlussschwäche, kein Manko finden.
Arturo Vidal steht stellvertretend für den Stil der Südamerikaner: kampfstark, aufreibend, flexibel, technisch sauber, taktisch interessant und außerordentlich spektakulär. Man kann sich also vorstellen, dass vonseiten der Chilenen alles unternommen wird um den Juventus-Star fit zu bekommen, zumal er auch zu den Spielern zählt, die am ehesten für Torgefahr sorgen können. Die Auswirkungen eines Fehlens wären fatal, vor allem weil bereits die Gruppengegner eine große Hürde darstellen. Auch ob es schlau wäre, einen nicht hundertprozentig fitten Vidal aufzubieten, ist aufgrund des Spielstils fraglich. Ein Hoffnungsschimmer dürfte aber sein, dass zu Beginn mit Australien der vermeintlich leichteste Gegner wartet.
Auch wenn die Vorzeichen nicht ideal stehen, darf man sich vor allem als neutraler Zuschauer auf die Auftritte des Sampaoli-Teams freuen. Mit einer taktisch perfekt eingestellten und leidenschaftlich auftretenden Mannschaft schickt Chile eine absolut konkurrenzfähige Auswahl ins Turnier. Vor allem auf die Begegnung mit den Spaniern könnte aufgrund des zuweilen offenen Zwischenlinienraums interessant werden. Wie weit die Chilenen aber kommen werden, wird in erster Linie damit zusammenhängen, ob sie ihre Schwäche im Torabschluss in den Griff bekommen können.
Mögliche Aufstellungen
Obwohl Sampaoli grundsätzlich ein Verfechter von 3-4-3-Formationen ist, kann man Chile bei der WM in einer 4-3-3-Grundordnung erwarten. Dabei wird vor allem das Zentrum überaus flexibel agieren und man situativ des Öfteren auch eine Dreierketten-Formation sehen.
Den Unterschied zwischen den Begriffen „System“ und „Formation“ erkennt man, wenn man das chilenische Team anstelle der obenstehenden Anordnung in einem 3-4-3 aufstellt – eine denkbare zweite Variante für die WM. Dabei würde Diaz beispielsweise weniger stark abkippen und Vidal verstärkt ausweichend aus dem Zentrum heraus agieren.
Der zweite Anzug würde ebenfalls in einer 4-3-3-Formation agieren, wobei der merkbarste Unterschied die Besetzung des Mittelstürmers wäre. Dieser würde sich auf das Bespielen des Angriffszentrums konzentrieren und weniger spielmachende Aufgaben übernehmen.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Alexander Semeliker
- Besondere Tore
- Die bunte Welt des Fußballs
- Europameisterschaft
- Internationale Stars
- Argentinien
- Australien
- Belgien
- Brasilien
- Chile
- Dänemark
- Deutschland
- Andreas Brehme
- Andreas Möller
- Berti Vogts
- Christoph Daum
- Franz Beckenbauer
- Fritz Walter
- Gerd Müller
- Günther Netzer
- Helmut Rahn
- Jürgen Klinsmann
- Jürgen Klopp
- Karl-Heinz Rummenigge
- Lothar Matthäus
- Lukas Podolski
- Manuel Neuer
- Miroslav Klose
- Oliver Bierhoff
- Oliver Kahn
- Philipp Lahm
- Rudi Völler
- Sepp Maier
- Thomas Häßler
- Thomas Müller
- Thomas Tuchel
- Toni Schumacher
- Toni Turek
- Udo Lattek
- Uli Hoeneß
- Uwe Seeler
- Elfenbeinküste
- England
- Finnland
- Frankreich
- Irland
- Italien
- Alessandro Del Piero
- Alessandro Nesta
- Andrea Pirlo
- Christian Vieri
- Claudio Gentile
- Dino Zoff
- Fabio Cannavaro
- Francesco Totti
- Franco Baresi
- Gaetano Scirea
- Giacinto Facchetti
- Gianluca Vialli
- Gianluigi Buffon
- Giuseppe Bergomi
- Giuseppe Meazza
- Luigi Riva
- Marco Tardelli
- Mario Balotelli
- Paolo Maldini
- Paolo Rossi
- Roberto Baggio
- Sandro Mazzola
- Kamerun
- Kolumbien
- Liberia
- Mexiko
- Niederlande
- Nigeria
- Nordirland
- Norwegen
- Portugal
- Schottland
- Schweden
- Schweiz
- Spanien
- Ungarn
- Uruguay
- USA
- Wales
- Österreich
- Legendäre Legionäre
- Alexander Zickler
- Antonin Panenka
- Axel Lawaree
- Branko Boskovic
- Carsten Jancker
- Dejan Savicevic
- Geir Frigard
- Hamdi Salihi
- Hansi Müller
- Jan Åge Fjørtoft
- Jocelyn Blanchard
- Joey Didulica
- Jonathan Soriano
- Kevin Kampl
- Lajos Détári
- Maciej Sliwowski
- Marek Kincl
- Mario Kempes
- Mario Tokic
- Milenko Acimovic
- Nestor Gorosito
- Nikica Jelavic
- Nikola Jurčević
- Olaf Marschall
- Oliver Bierhoff
- Patrik Jezek
- Radoslaw Gilewicz
- Rene Wagner
- Roger Ljung
- Sadio Mané
- Samir Muratovic
- Sigurd Rushfeldt
- Somen Tchoyi
- Steffen Hofmann
- Szabolcs Sáfár
- Tibor Nyilasi
- Trifon Ivanov
- Valdas Ivanauskas
- Vladimir Janocko
- Zlatko Kranjcar
- Nationale Stars
- Aleksandar Dragovic
- Andi Ogris
- Andreas Herzog
- Andreas Ivanschitz
- Bruno Pezzey
- Christian Fuchs
- David Alaba
- Deni Alar
- Didi Kühbauer
- Ernst Happel
- Ernst Ocwirk
- Felix Gasselich
- Franz Wohlfahrt
- Friedl Koncilia
- Gustl Starek
- Hans Krankl
- Herbert Prohaska
- Heribert Weber
- Ivica Vastic
- Julian Baumgartlinger
- Kevin Wimmer
- Kurt Jara
- Marc Janko
- Marcel Sabitzer
- Mario Haas
- Marko Arnautovic
- Martin Harnik
- Martin Hinteregger
- Matthias Sindelar
- Michael Konsel
- Otto Konrad
- Peter Stöger
- Sebastian Prödl
- Toni Polster
- Ümit Korkmaz
- Veli Kavlak
- Walter Schachner
- Walter Zeman
- Zlatko Junuzovic
- Nationalmannschaft
- Österreichische Vereine
- Legendäre Legionäre
- Weltmeisterschaft
Keine Kommentare bisher.
Sei der/die Erste mit einem Kommentar.