Flexibel, aber manchmal etwas zu schlampig: Taktisches zum japanischen Team
WM 2014 | Taktikanalyse 10.Juni.2014 Tobias Robl 0
Generell agieren die Japaner in einer 4-1-4-1/4-2-3-1-Mischform gegen den Ball, die relativ flexibel gespielt wird. Das System lebt dabei von der hohen Anzahl an Mannorientierungen, die sowohl auf den Flügeln als auch im Zentrum wiederzufinden sind. Sind die Mannorientierungen auf dem Flügel fast schon klare Manndeckungen, leben sie im Zentrum eher vom geschickten Lenken und Isolieren der Gegner. Ein hoher Fokus gilt dabei dem Schließen kurzer Anspiele über die Arbeit mit Deckungsschatten.
Ein generelles Problem der Japaner im Pressing ist, dass ihre Bewegungen teilweise nicht sauber sind und nicht mit dem richtigen Timing erfolgen. So fand vor allem die Niederlande letztes Jahr immer wieder Raum hinter dem herausrückenden Achter, wenn ins 4-1-3-2/4-4-2 geschoben wurde.
Weil Japan aufgrund des hohen Grades an Mannorientierungen im Pressing viele Spieler nach vorne schiebt, fehlt hier oft die Balance nach langen Bällen. Zweite Bälle direkt vor der Abwehrkette aufzusammeln gelingt deshalb gelegentlich nicht und ermöglicht Gegnern einfache Chancen.
Wird das Pressing der Japaner gut umspielt, zeigen sie sich oftmals anfällig. Verlagerungen aus den Halbräumen mit anschließendem Dribbling sind gute Wege, um die Japaner zu knacken, auch weil diese immer wieder die Besetzung des Rückraumes vergessen.
Was auffällt ist, dass vor allem zwischen Uchida und Yoshida die Bindung oft nicht passt. So kommt es immer wieder zu Schnittstellenpässen hinter die Abwehr zwischen den beiden hindurch, was oftmals brandgefährlich ist.
Im Abwehrpressing agiert Japan hingegen stabil, lässt sich tief nach hinten ziehen und zeigt oftmals sogar 6-3-1-Stellungen, wenn die Flügelspieler aufrückende Außenverteidiger zurück nach hinten verfolgen. Die Strafraumverteidigung ist damit relativ solide und stabil. Probleme gibt es ab und an in der Sicherung des Rückraums.
Zur generell schon sehr fluiden und beweglichen Spielweise der Japaner kommt hinzu, dass viele Spieler polyvalent einsetzbar sind. Dabei passen die Japaner ihre Spielweise nicht über generelle Systemwechsel an, sondern über die Rollen einzelner Spieler. Je nachdem, wer auf welcher Position zum Einsatz kommt, ergeben sich so unterschiedliche Abläufe. Es sollte den Japanern so möglich sein, schnell und flexibel auf gegnerische Umstellungen oder Situationen im Spiel zu reagieren, ohne selbst den eigenen Spielfluss oder die defensive Stabilität zu gefährden.
Gab es zum Ende des letzten Jahres mit dem 2:2 gegen die Niederlande und dem 3:2 gegen Belgien einige Erfolge gegen „große“ europäische Mannschaften, wird die Stimmung vom mageren 1:0 gegen Zypern etwas gedrückt, wobei auch ein 3:1 gegen Costa Rica zu den jüngsten Testspielergebnissen zählt. Im letzten Test gab es einen 4:3-Sieg gegen Sambia, in dem Okubo erst in der Schlussminute den Sieg klarmachte.
In den letzten Jahren hat sich Japan zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten für die etablierten europäischen Mannschaften entwickelt. Mit großem Selbstvertrauen geht man in die Weltmeisterschaft und hat vorerst einmal den Aufstieg in die KO-Phase als Ziel ausgegeben.
Was darüber hinaus möglich ist, bleibt abzuwarten und hängt sicherlich auch von der Tagesverfassung des Teams ab. Dennoch ist den Japanern bei dieser Weltmeisterschaft eine gute Rolle zuzutrauen. Eine Teilnahme am Viertel- oder gar Halbfinale wäre für die Japaner zweifelsohne ein großer Erfolg, der jedoch keineswegs so unwahrscheinlich ist, wie mancher glauben mag.
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