Gute Anpassungen und defensive Probleme: WM für die Schweiz bisher ein Wechselbad der Gefühle
WM 2014 | Taktikanalyse 21.Juni.2014 Alexander Semeliker 0
Die Schweiz trat mit dem Ziel, das Achtelfinale zu erreichen, die Reise zur WM in Brasilien an. Nach den ersten beiden Spielen haben die Eidgenossen noch alle Chancen, die Runde der letzten 16 zu erreichen. Die ersten beiden Spiele verliefen für sie dabei äußerst wechselhaft. Gegen Ecuador gewann man in letzter Sekunde, gegen Frankreich ging man unter.
Die Spielverläufe in beiden Partien waren durchaus kurios. Im Duell mit Ecuador geriet man zunächst in Rückstand, ehe man kurz nach der Pause ausglich und mit dem letzten Angriff den 2:1-Siegtreffer erzielte. Kurz zuvor vergaben die Südamerikaner ihren Matchball. Gegen Frankreich startete man mutig, kassierte aber innerhalb einer Minute zwei Gegentore. Von diesem Tiefschlag konnten sich die Schweizer nicht mehr erholen.
Hitzfelds Anpassungen drehen Ecuador-Spiel
Die erste WM-Partie bestritt die Schweiz mit der zu erwartenden Elf. In einem 4-2-3-1 bildeten Valon Behrami und Gökhan Inler die pendelnde Doppelsechs, davor agierte Granit Xhaka als Zehner hinter Josip Drmic. Der Neo-Leverkusener, von dem man sich nach seiner starken Bundesligasaison viel erwartete, blieb allerdings weitestgehend blass. Drmic ist starker Konter- und Umschaltstürmer, derartige Situationen fanden die Schweizer nach dem frühen Rückstand allerdings nicht vor. Dass er dem späteren Siegtorschützen Haris Seferovic Platz machen musste, ist bezeichnend.
Es war aber weniger diese personelle Umstellung, die das Spiel zugunsten des Teams von Ottmar Hitzfeld drehte, sondern vielmehr die strategischen Anpassungen, die der Deutsche vornahm. In der Halbzeitpause brachte er zunächst Admir Mehmedi für den weitestgehend unsichtbaren Valentin Stocker. Der Freiburger band sich besser in Kombinationen ein und besorgte auch den Ausgleich. Daneben gab es auch eine Verschiebung der Rollenverteilung zwischen Xhaka und Xherdan Shaqiri.
Wechselwirkungen zwischen Shaqiri und Xhaka
Der Bayern-Angreifer ist die tragende Säule im Offensivspieler, interpretiert seine Rolle am rechten Flügel sehr frei. Allerdings gelang es den Ecuadorianern, Shaqiri immer wieder zu isolieren. Xhaka hatte seinerseits im Zentrum ebenfalls Probleme gegen die strategisch gut spielenden Ecuador-Doppelsechs Akzente zu setzen. So wechselten die beiden Schweizer in der zweiten Halbzeit ihre Grundpositionen, wodurch der zuvor starke Fokus auf die rechte Seite aufgelöst wurde.
Auch gegen Frankreich begannen die Schweizer in einem 4-2-3-1 mit Shaqiri am rechten Flügel und Xhaka im zentralen offensiven Mittelfeld. Auch gegen Frankreich fehlten dadurch die Verbindungen nach vorne. Diesmal tauschten die beiden aber bereits im Laufe der ersten Halbzeit. So war auch die beste Chance der Eidgenossen in den ersten 45 Minuten ein Produkt eines zentralen Durchbruchs Shaqiri, dessen Schuss aber knapp am Tor vorbeiging. Andererseits nutzte Xhaka die Tatsache, dass er am Flügel weniger Druck hatte, bei seinem Treffer zum 2:5 aus.
Außenverteidiger-Fokus ein zweischneidiges Schwert
Das Hauptproblem der Schweizer im Spiel gegen Frankreich war der zu große Fokus auf die Außenverteidiger, insbesondere Stephan Lichtsteiner auf der rechten Seite musste viele Aufgaben übernehmen. Dies nutzten die Franzosen dahingehend aus, dass sie mit Karim Benzema eine tororientierten Akteur am linken Flügel aufboten. Er und Olivier Giroud, der nominelle Stürmer, orientierten sich vor allem in Umschaltmomenten nach auf diese Seite und bespielten die Lücke hinter Lichtsteiner. Man erkennt dies anhand der nachstehenden Grafik, die links die Heatmap des Schweizers und rechts jene der beiden Franzosen zeigt.
In der Anfangsphase versuchten die Schweizer dies dadurch abzufangen, indem sich der rechte Sechser zur Absicherung stärker zur Seite heraus orientierte. Allerdings ergaben sich dadurch Probleme im Zentrum, wo die französischen Achter regelmäßig nachstießen. Dieses hohe Aufrücken der Außenverteidiger hat allerdings auch seine Vorzüge. Vor allem gegen Ecuador schaffte man es so öfter auf den Flügeln durchzubrechen. So wurde unter anderem der Siegtreffer in der Nachspielzeit nach einer Hereingabe des Linksverteidigers erzielt.
Schwere individuelle Fehler en masse
Verantwortlich für die bisher sechs Gegentore ist aber nicht nur das beschriebene Verhalten der Außenverteidiger, sondern auch die individuell schlechten Leistungen der Innenverteidiger, die schon vor der WM als potenzielle Bruchstelle ausgemacht wurde. Johan Djourou machte beispielsweise beim 0:1 gegen Ecuador eine schlechte Figur und verursachte im zweiten Spiel unnötigerweise einen Elfmeter. Steve von Bergen war noch der konstanteste der Innenverteidiger, schied aber gegen Frankreich früh verletzt aus. Sein Ersatzmann Philippe Senderos schoss beim 0:4 einen Bock. Auch der sonst eigentlich verlässliche Valon Behrami reihte sich mit seinem Fehlpass vor dem richtungsweisenden 0:2 in diese Ansammlung an schweren individuellen Fehlern ein. Will man das Achtelfinale erreichen, muss man dies unbedingt abstellen.
Alexander Semeliker, abseits.at
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Alexander Semeliker
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