Vor der WM galt Argentinien für viele neben Gastgeber Brasilien und Weltmeister Spanien als größter Favorit auf den Titel und Lionel Messi, auch aufgrund... Individualismus Rezept gegen kompakte Defensivreihen – Messi hält Gauchos auf Kurs

Argentinien - FlaggeVor der WM galt Argentinien für viele neben Gastgeber Brasilien und Weltmeister Spanien als größter Favorit auf den Titel und Lionel Messi, auch aufgrund der dankbaren Auslosung, als heißer Anwärter auf den Titel des Torschützenkönigs. Nach zwei Spielen sind beide Ziele noch realistisch, allerdings überzeugten die Gauchos nicht wirklich.

Das erste Spiel gegen Bosnien und Herzegowina gewannen die Argentinier ebenso wie das zweite gegen den Iran nur mit einem Tor Differenz und dank zweier Geniestreiche ihres Superstars Messi. Dass der 26-Jährige das Spiel seiner Mannschaft in derart hohem Maße prägen kann, liegt neben seiner individuellen Klasse aber auch an der ausbaufähigen Gruppentaktik der Südamerikaner.

Überraschende Dreierkette gegen Bosnien

Gegen Bosnien und Herzegowina überraschte Teamchef Alejandro Sabella indem er sein Team in einem 3-5-2 aufbot, wobei sowohl der linke Flügelverteidiger Marcos Rojo als auch Javier Mascherano bei ihren Klubs häufig in der Innenverteidigung aufliefen. Damit standen schon nominell fünf äußerst defensiv ausgerichtete Feldspieler am Platz. Das Sturmduo bildeten Lionel Messi und Sergio Agüero, die allerdings von den Bosniern zunächst gut in Schach gehalten werden konnten, da diese kurzzeitig sogar mit sechs Spielern in der letzten Linie standen.

Aufgrund der Mannorientierungen der Bosnier konnte man deren Außenspieler zwar zurückdrängen, allerdings fehlten die kreativen Ideen aus dem Mittelfeld. Für die Anbindung nach vorne war fast ausschließlich Angel Di Maria zuständig. Die Ballzirkulation war enorm langsam und so konnten die argentinischen Offensivstars relativ leicht isoliert werden. Dass das erste Tor nach einer Standardsituation fiel und noch dazu ein Eigentor war, passt ins Bild.

Rückkehr zur Raute und Dominanz dank individueller Klasse

Nach dem Seitenwechsel stellte Sabella wieder auf die gewohnte 4-4-2-Grundordnung mit Mittelfeldraute um. Messi übernahm die Zehnerposition und der eingewechselte Gonzalo Higuain bildete fortan mit Agüero das Sturmduo. Zudem ersetzte Fernando Gago Maxi Rodriguez. Die Auswirkungen kamen dabei vor allem Messi zugute. Higuain band die Verteidiger hinten und Argentinien konnte die Vorteile im Zentrum nun effektiver nutzen. Zudem wurde auch Bosnien aktiver und taktisch unsauberer, was für Messi zusätzliche Räume schuf.

Sowohl im Umschaltspiel als auch im normalen Aufbauspiel konnte er seine typischen Tempodribblings nach vorne ansetzen und anschließend entweder die beiden Stürmer einsetzen oder selbst zum Tor ziehen. Zwar antwortete Bosnien in den letzten 15 bis 20 Minuten mit guten Umstellungen und kam sogar zum Ausgleich, letztlich fixierte aber Messi in einer Partie, die weniger von sauberen gruppentaktischen Abläufen, sondern mehr von Individualismus geprägt wurde, mit einem herrlichen Treffer die ersten drei Punkte für die Gauchos.

Probleme auch gegen den Iran

Das zweite Gruppenspiel gegen den Iran verlief nach einem ähnlichen Muster. Argentinien begann zwar von Beginn an mit einer 4-4-2-Rautenformation, bekam diesmal allerdings keine Starthilfe in Form eines gegnerischen Eigentors. Carlos Queiroz stellte seine Iraner äußerst defensiv ein und ordnete ein tiefes und kompaktes 4-5-1 vor dem eigenen Strafraum an. Sowohl horizontal als auch vertikal standen die Asiaten dabei sehr eng – mit Ausnahme des Stürmers, der gelegentlich auf Befreiungsschläge zockte.

Aufgrund des eingangs erwähnten hohen Individualismus-Fokus‘ wurde Messi so über weite Strecken des Spiels isoliert. Seine gefürchteten Vertikaldribblings konnte er nur vereinzelt starten, blieb dabei aber meist im engmaschigen Netz der Iraner hängen. Einmal kam er auf diese Weise durch, sein Fernschuss ging aber am linken Pfosten vorbei. Ansonsten hatten die Iraner sogar die besseren Möglichkeiten, als sie zweimal über die Seite durchbrachen und ihren Stürmer mit guten Hereingaben füttern konnten.

Di Maria als „Mädchen für Alles“

Dass diese Gegenstöße jeweils über die linke Seite der Argentinier liefen, war kein Zufall. Di Maria, der nominell die linke Position im Mittelfeld bekleidete, musste nämlich sehr viele Aufgaben alleine übernehmen. Einerseits war er im Aufbauspiel für die Anbindung nach vorne zuständig und musste sich dementsprechend nach hinten fallen lassen. Andererseits fehlte es dem Spiel der Argentinier auch an Breite und so stieß er, wie auch bei Real Madrid, immer wieder diagonal nach außen.

Dass er dabei auch ständig die Räume im defensiven Umschaltspiel blitzartig schließen konnte, war also nicht möglich. Außerdem hatte man den Eindruck, dass sich beide Seiten von den iranischen Kontern nicht viel versprachen. Die Iraner rückten nur mit maximal drei Spielern auf und Argentinien blieb dementsprechend mit sämtlichen Offensivspielern in den hohen Zonen. Die Möglichkeit im Umschaltspiel selbst gefährlich zu werden gab es also quasi nicht. Eine der wenigen derartigen Chancen vergab, wie oben geschildert, Messi. Mit seinem präzisen Schlenzer in der Nachspielzeit schoss er die Albiceleste aber ins Achtelfinale.

Alexander Semeliker, abseits.at

Alexander Semeliker

@axlsem

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